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Comic-Besprechung - Kapitän Scharlach

Geschichten:
Kapitän Scharlach (Originaltitel: „Le capitaine écarlate “)

Autor: David B., Zeichner/Kolorist: Emmanuel Guibert 

Story:
Im Paris des frühen 20. Jahrhunderts geschehen seltsame Dinge. Monsieur Le Commissaire und sein Assistent Pélican finden eine Leiche. Der Eisenwarenhändler aus der Rue de Bièvre liegt mit einem aufgeschlitzten Bauch im eigenen Blut. Er wurde außerdem am ganzen Körper verbrannt. Das Ende seiner Eingeweide wurde an einen Baum genagelt. „Was für ein schönes Verbrechen“, findet Marcel als er dies hört, denn er sehnt sich nach dem Leben und dem Tod eines wahren Abenteurers.

Dieser ungewöhnliche Mord ist nicht das einzige, was Paris in Aufruhr versetzt. Kapitän Scharlach und seine absonderliche Mannschaft treiben ihr Unwesen. Mit einem imposanten Dreimaster schweben die Piraten über der Stadt. Sie können ihre Köpfe abnehmen wie andere ihre Hüte, und ihr Kapitän verbirgt seine Visage hinter einer gelben Maske. Er hat kein Gesicht mehr. Wer es sieht, wird verrückt, stirbt oder wird weise.

Was für wundersame Aussichten für Marcel und dessen große Liebe, die schöne Monelle, auf welche der wahnwitzige Scharlach ebenfalls ein Auge geworfen hat. Als Marcel sein eintöniges Leben zwischen Bücherregalen satt ist und er sich mitten in das ungewöhnlichste Abenteuer aller Zeiten wirft, nimmt das Schicksal seinen Lauf.



Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:
Wer kennt Marcel Schwob? Nicht viele in deutschen Landen, möchte man meinen, aber zum Glück sind da David B. und Emmanuel Guibert, die sich mit ihrem Comic Kapitän Scharlach diesem französischen Schriftsteller und Übersetzer annahmen. Schwob lebte von 1867 bis 1905 und liebte Sprachen. Er war es, der das Werk von Robert Louis Stevenson entdeckt und ins Französische übersetzt hat. Desweiteren mochte er Werke der phantastischen Literatur und setzte sich mit dem Argot auseinander. Diese Umgangssprache der Bettler und Gauner aus dem Frankreich des Mittelalters, die oft auch eine Art Geheimsprache war, faszinierte schon Victor Hugo und wurde von ihm in seinem Klassiker der Romantik Les Misérables verwendet.

David B. macht Marcel Schwob im vorliegenden Band zur Hauptfigur. Und auch das Argot kommt zum Einsatz, verkommt aber in der deutschen Übersetzung mehr zur schlampigen Gossensprache. Die Protagonistin aus Schwobs Biographie Le livre de Monelle, eine Prostituierte, wird im Comic zur unerfüllten Liebe des unfreiwilligen Helden stilisiert. Als Monelle von Kapitän Scharlach entführt wird, ist dies das Signal für den biederen, aber träumerischen Marcel, aus seiner Lethargie auszubrechen und sich Hals über Kopf in ein haarsträubendes Abenteuer zu stürzen. Ein ums andere Mal wird er mit dem Tod konfrontiert. Als er beispielsweise auf dem Piratenschiff, das hoch über den Dächern von Paris schwebt, hinaus auf eine Planke geschickt wird, scheint das Ende unausweichlich. Er beginnt zu weinen, aber nicht aus Angst, sondern weil er sich nie einen solch schönen Tod erträumt hatte. Dies wiederum verblüfft die mordlüsterne Schar. Als sie erfährt, dass er Geschichten erzählen kann, verlangt sie gleichzeitig aus allen Kehlen brüllend: „Los, erzähl!; „Bring uns zum Weinen!“; Mach uns Angst!“ und „Bring uns zum Lachen!“

Charmante Szenen wie diese, wenn sich Marcel mit tief empfundener Poesie aus einer letalen Lage befreit, gibt es zuhauf in dieser wunderbaren Geschichte. Kapitän Scharlach ist eine gelungene Mischung aus allen wichtigen Elementen, die eine beeindruckende Story auszeichnet. Drama, Witz, absurdes Theater, Satire – all das ist zu finden. Und noch viel mehr. Es gibt Anspielungen auf zahlreiche Werke der Abenteuer- und Weltliteratur. Die beiden Ermittler, die sich des Eingangsmordes annehmen, erinnern an stark Arthur Conan Doyles Detektiv-Duo Sherlock Holmes und Doctor Watson. Das fliegende Luftschiff macht Anleihen bei Jules Verne. Kapitän Scharlachs Maske erinnert an eine Figur aus Alexandre Dumas‘ Historienroman.

Aber nicht nur die Geschichte ist äußerst bemerkenswert. Guiberts Zeichnungen wirken auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig. Bei näherer Betrachtung ziehen sie jedoch den Leser geradezu kompromisslos in ihren Bann. Die Figuren wurden mit einem kräftigen Tuschestrich auf Papier gebannt. Wir haben es hier mit einer besonderen Art der klaren Linie zu tun, die durch ihre grobe Weise gleichwohl mehrdimensional wirkt. Die Proportionen der Figuren und die Perspektiven der einzelnen Panels sind so klar und zielsicher festgelegt, dass man fast bei jedem Bild ins Schwärmen geraten könnte. Verstärkt wird der mehrdimensionale Eindruck der Zeichnungen durch eine meisterhafte Farbgebung. Je nach Stimmung, wählte Guibert eine monochrome Farbpalette, entweder in Gelb- oder in Blauviolett-Tönen. Andere Szenen wiederum sind mit zarten Pastellnuancen koloriert, die für einen traumhaften Zustand sorgen.





Fazit:
Kapitän Scharlach ist ein absoluter Volltreffer. Wer poetische, nachdenklich stimmende, romantische und abenteuerlich-absurde Geschichten mag, der kommt an diesem Titel nicht vorbei. Die Zeichnungen sind ihrerseits eine wahre Pracht und laden zum intensiven Betrachten ein.

Kaum zu glauben, dass Kapitän Scharlach in Frankreich bei Dupuis bereits im Jahr 2000 publiziert wurde und erst zehn Jahre später den Weg nach Deutschland findet. Danke, Avant-Verlag!

Kapitän Scharlach - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Kapitän Scharlach

Autor der Besprechung:
Matthias Hofmann

Verlag:
Avant Verlag

Preis:
€ 19.95

ISBN 13:
978-3-939080-42-8

64 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • steckt voller Poesie: „Warum liebst du mich?“ --- „Weil du furchtbar unglücklich aussiehst, wenn ich dich verlasse.“
  • Zeichnungen mit Tiefenwirkung
  • tolles Gesamtkunstwerk
Negativ aufgefallen
  • im Impressum fehlt der Originaltitel
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
2.67
(3 Stimmen)
Bewertung
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Rezension vom: 26.06.2010
Kategorie: One Shots
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