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Comic-Besprechung - Essex County 1: Geschichten vom Land

Geschichten:

Geschichten vom Land (Originaltitel: „Essex County Volume 1: Tales from the Farm“)

Autor: Jeff Lemire, Zeichner: Jeff Lemire 



Story:

Der zehnjährige Lester lebt bei seinem Onkel Ken auf dessen Farm in Kanada. Dort, im Herzen von Essex County, Ontario, ist das Leben simpel und unaufgeregt. Lester hat keine Eltern mehr. Zuletzt starb seine Mutter an Krebs, und am Sterbebett flehte sie ihren Bruder Ken an, sich um die Erziehung des jungen Lester zu kümmern. Doch die Aufgabe überfordert den Onkel.

Wie soll es auch anders sein: es ist nicht viel los auf dem Land. So lenkt sich Lester ab mit der Welt von bunten Comicheften, liest Abenteuer von Superhelden wie The Flash und läuft vorzugsweise mit Maske und Cape durch die Gegend.  

Eines Tages trifft er auf den schrägen Tankstellenbesitzer Jimmy Lebeuf, ein ehemaliger Eishockeyspieler der NHL. Er spielte für die Toronto Maple Leafs bis er von einem Puck am Kopf getroffen wurde. Jimmy und Lester sind auf einer Wellenlänge.



Meinung:

Der Stern von Jeff Lemire steigt von Jahr zu Jahr höher. Der 1976 geborene Kanadier verlegte seine ersten Comics selber im Eigenverlag mit dem Namen Ashtray Press. 2003 fertigte er zwei sogenannte Mini-Comics an und ließ im Jahre 2005 die abgeschlossene Geschichte Lost Dogs folgen, die prompt einen Xeric Award verliehen bekam. 2010 ist Lemire im Mainstream angekommen und bei DC Comics mit zwei monatlichen Serien vertreten: Superboy (nomen est omen, für den Superheldenfan) und Sweet Tooth (beim Vertigo-Imprint, für den eher außergewöhnlichen Geschmack).

Geschichten vom Land ist der erste Teil der Essex County Trilogie, die seinen Ruf als ruhiger Erzähler mit dem Gespür für zwischenmenschliche Feinheiten begründet. Der Band kommt ganz ohne weibliche Charaktere aus, sieht man einmal von Lesters Mutter Claire ab, die in einer Rückblende gezeigt wird. Lester lebt in seiner eigenen Welt. Die endlose Langweile des Farmlebens, das vorwiegend daraus besteht Hühner zu hüten und seinem Onkel bei schlichten Arbeiten auf dem Feld und mit dem Traktor zu helfen, versucht er mit seiner blühenden Fantasie zu bekämpfen. In seiner Traumwelt ist Lester ein Superheld, der die Erde vor außerirdischen Invasoren beschützt. Er kapselt sich ab, liest und zeichnet Comics, geht zum Spielen an den Fluss und macht einen Bogen um seinen Onkel, wo es nur geht. Einzig die aufkeimende Freundschaft zu Ex-Hockey-Crack Jimmy Lebeuf scheint ihn zu berühren. Jimmy hatte einen Unfall beim Eishockey. Der Puck, der ihn am Kopf traf, scheint einen kleinen Dachschaden hinterlassen zu haben. Das meint jedenfalls Onkel Ken, indem er sagt: „Er wurde sehr schwer verletzt. Er ist jetzt irgendwie anders, so langsam …“

Jeff Lemire erzählt seine Geschichte in vier Kapiteln, benannt nach den Jahreszeiten. Vom Sommer über Herbst und Winter bis zum Frühling begleiten wir Lester auf seiner Wandlung vom introvertierten Jungen, der vom wahren Leben nichts wissen will und in einer problematischen Beziehung zu seinem Onkel steckt, zum jungen Erwachsenen, der merkt, dass er seinen eigenen Weg gehen muss. Es ist eine Geschichte über zwei Menschen, die zusammenleben, aber doch für sich isoliert sind. Den Tod von Lesters Mutter haben beide nie wirklich verarbeitet. Die Trauer, die Einsamkeit und die Hilflosigkeit der Protagonisten sind spürbar.

Die schwarzweißen Zeichnungen von Lemire sind rau und stellenweise etwas ungelenk. Sein Strich ist fahrig und dürfte nicht jedermanns Geschmack sein. Dennoch haben die Zeichnungen etwas Faszinierendes, etwas in sich Stimmiges, das zu der Atmosphäre des Comics sehr gut passt. Der Seitenaufbau und die Abfolge der Panels lassen zudem gutes Gespür dafür erkennen, wie man eine Bildergeschichte erzählt. Viele Passagen werden ohne Worte erzählt, lassen die Gedanken des Lesers treiben und verhelfen so dem Comic zu einer tief melancholischen Stimmung. Die Wehmütigkeit der Story wird besonders deutlich, wenn Lemire Gesichter darstellt. Es ist, ob könnte man bis in die verletzten Seelen blicken.

Bei der Edition 52 erscheint Essex County in einem etwas kleineren Paperback-Format., das zu diesen Zeichnungen ganz gut passt. Der zweite Teil ist bereits für Ende des Jahres angekündigt, ein kluger Plan.



Fazit:

Der erste Band von Essex County ist eine schöne und ruhige Geschichte über das Erwachsenwerden in der ländlichen Einöde von Kanada. Die Erlebnisse des Waisenkindes Lester sind gehaltvoll erzählt und sperrig gezeichnet und damit etwas schwerer zu verdauen, als gängige Comickost. Doch wer sich darauf einlässt, der wird belohnt. In jedem Fall machen die Geschichten vom Land neugierig auf die beiden Folgebände. 



Essex County 1: Geschichten vom Land - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Essex County 1: Geschichten vom Land

Autor der Besprechung:
Matthias Hofmann

Verlag:
Edition 52

Preis:
€ 11.00

ISBN 13:
978-3-935229-75-3

112 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • mutiges, gut konzipiertes Covermotiv
  • starke Story mit emotionalem Tiefgang
  • Jeff Lemire muss man sich merken
Negativ aufgefallen
  • Originaltitel wird im Impressum nicht genannt
  • keine Seitenzahlen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1.5
(6 Stimmen)
Bewertung
Du kannst diesen Comic hier benoten.

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Rezension vom: 26.10.2010
Kategorie: Essex County
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