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Comic-Besprechung - INCOS: Eine Zeitreise

Geschichten:

INCOS: Eine Zeitreise
1970 – 2000: 40 Jahre Interessengemeinschaft Comicstrip e.V.

(Originalausgabe)

Autor: Dietmar W. Mietzner



Story:

Dietmar W. Mietzner betrachtet die Entwicklung der INCOS e.V., einem der traditionsreichsten Comicvereine Deutschlands, von der Gründerzeit bis heute.



Meinung:

Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen. Der deutsche Lyriker Matthias Claudius wusste Bescheid, schließlich schickte er in seinem berühmten Gedicht einen gewissen Urian um die Welt. Auch der Berliner Dietmar W. Mietzner begab sich auf die Reise. Statt nach Mexiko zu den Mariachi oder nach Grönland zu den Eskimos machte Mietzner eine viel exotischere Erfahrung: er reiste durch die Zeit. Wieder zurück, machte er sich daran, um uns was zu „verzählen“. Heraus kam das amüsant zu lesende Buch INCOS: Eine Zeitreise.

Tempus fugit, sagt ein bekanntes lateinisches Sprichwort. Ist es wirklich schon so lange her? Es war anno 1970, als ein Haufen Science Fiction-Fans bemerkte, dass sie ein zweites gemeinsames Hobby haben: das Lesen und Sammeln von Comics. Damals gab es weder Comicläden, noch Preiskataloge, mit deren Hilfe der am faszinierenden neuen Medium Interessierte schnell einen Überblick über das Gebiet gewinnen konnte. Kommuniziert wurde nicht per Computer via eMail und Twitter, sondern per Schreibmaschine via Brief oder manchmal auch per Telefon, wenn es ganz wichtig war. Da Deutschland bekanntlich die weltweite Hochburg der Vereinsmeierei ist, schloss man sich zusammen, nahm ein paar Österreicher mit ins Boot, und gründete die Interessengemeinschaft Comic Strip, kurz INCOS. Dass man unbedingt den "Strip" im Namen haben wollte, ist aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar, schließlich gab es schon in den 1970er Jahren nicht nur Zeitungscomics oder Piccolos, sondern auch Alben und vor allem Hefte, im Sammlerjargon besser als "Großbände" bekannt.

Das damalige Science Fiction-Fandom war ein agiler Haufen, der auf einem fruchtbaren Boden herumturnte. Dessen Ursprünge gehen bis in die 1950er Jahre zurück. Man schaffte es immerhin 1970 den SF-WorldCon, der einmal im Jahr vorwiegend in den USA stattfindet, nach Heidelberg zu holen. Auf dem HeiCon wurde die INCOS gegründet. Unter den Männern der ersten Stunde waren die Berliner Urgesteine Heinz-Jürgen Ehrig und Peter Skodzik. Der Jubiläumsband arbeitet sehr schön die Schlüsselrollen der beiden langjährigen Aktivposten heraus. Skodzik war beispielsweise nicht nur Vorreiter, was die Katalogisierung und Preisbewertung aller bis dato erschienen Comics betraf, sondern er war auch einer der ersten, die in Deutschland ein Spezialgeschäft eröffneten, das Comics verkaufte. Die Roman-Boutique war lange Jahre Dreh- und Angelpunkt der Berliner Comic-Szene und kann ihrerseits auf eine bald 40jährige Tradition zurückblicken.

Überhaupt nicht verwunderlich, ist die Geschichte der INCOS geprägt von Licht und Schatten. Wie bei jedem ordentlichen Kleintierzuchtverein gab es viele tolle Momente, in denen man klönte und dem gemeinsamen Hobby frönte. Da waren die gemeinsamen Treffen, die Sammlerbörsen, die Weihnachtsfeiern oder die Herausgabe von Sonderpublikationen. Und es gab auch einige unschöne Momente, Grabenkriege zwischen Mitgliedern und Städtegruppen, inaktive Vorstände, Rücktritte. Weite Teile des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts tendierten die Mitgliederaktivitäten gar gegen Null. Erst Ende 2009 erwachte man aus dem Dornröschenschlaf und schaffte es, im Januar 2010 eine Sonderpublikation zum Thema Lurchi zu publizieren.

Mietzner gelingt es, die Aufs und Abs der langjährigen Geschichte interessant und lesbar darzustellen. Er beschränkt sich nicht nur auf eine rein chronologische Betrachtung, sondern webt immer wieder kleine Ausflüge in den historischen Kontext mit ein. Die Situation der Gründungszeit wird ebenso beschrieben, wie die neue Lage, als die Mauer fiel und man sich plötzlich mit ostdeutschen Comicfans ungezwungen austauschen konnte. Aufgelockert wird der Text durch Grußworte von langjährigen Mitgliedern oder grafischen Glückwünschen von Zeichnern wie Hansrudi Wäscher, Reinhard Kleist, Hermann oder Ertugul Edirne.

Absolut beeindruckend ist aber die Fülle an Fotos. Aus nahezu jedem Jahr finden sich unzählige Bilder, auf denen man INCOS-Mitglieder oder Comicschaffende sieht. Viele "Jugendbilder" laden zum Schmunzeln ein. Benedikt Taschen als  Kölner Comic-Dealer ist ebenso vertreten, wie Andreas Knigge, Hartmut Becker, Eckart Sackmann, Dirk Schultz, Gerhard Förster (mit ein paar üblen Verbrecher-Fotos) oder Zeichner und Autoren wie Burne Hogarth, Hermann Huppen, Tibet, Don Lawrence, Clark Darlton oder Michael Moorcock. Von den zuhauf abgebildeten INCOS-Mitgliedern dürfte Joscha Heinkow neben Peter Skodzik der absolute Top-Mann sein, der am meisten abgelichtet wurde. Gefühlte hundert Mal sieht man sein Konterfei, in allen Lebenslagen, und allmählich, wie die meisten anderen alt und grau werdend, aber stets zu Streichen aufgelegt und mit einem Lächeln im Gesicht.

Das Foto auf dem Titelbild ist jedoch etwas irreführend. Die Jungs mit den Piccolos stammen doch eher aus der ultra-nostalgischen Lehning-Zeit. Im Inneren des Buches sieht man vielmehr junge Männer mit langen Haaren und Vollbärten, die den Eindruck machen, als hätten sie dringend eine Dusche nötig. Aber so war die Zeit damals in den Seventies, als man noch trampen konnte in Deutschland und bei Clubtreffen zu zwölft in einer kleinen Ein-Zimmer-Dachwohnung nächtigte und literweise Bier konsumierte und die Nächte durchdiskutierte bis die Sonne wieder aufging.

Zusätzlich zur "Zeitreise" gibt es eine Auflistung aller Vorstandswahlen und alle INCOS-Publikationen. Und das sind einige. Viele davon wurden in den 1970er Jahren publiziert, darunter auch Ausgaben der COMIXENE, INCOS Sonderbände mit Supermann, Winnetou, Thun’da (Frank Frazetta) oder Akim. Selbst ein Preiskatalog, noch bevor Norbert Hethke seine Finger im Spiel hatte, wurde 1979 publiziert.

Als Schmankerl für die Generation Lehning, die einen Großteil der etwas in die Jahre gekommenen INCOS-Mitglieder ausmacht, findet man am Ende des Buches auch Primärmaterial. Zwei unveröffentlichte Raritäten (Der Graf von Monte Christo von Otto Albert und unbekannte Zeichnungen von Willy Kohlhoff) werden erstmals publiziert und als Bonus für die Anhänger von Fan-Zeichnungen hat Heinrich Banemann einen neuen vierseitigen Science Fiction-Comic exklusiv für den Band gezeichnet.

Der Hardcoverband ist auf 400 Exemplare limitiert. Für Vorbesteller gab es eine begrenzte Ausgabe mit Sonderdruck einer unbekannten Zeichnung von Willy Kohlhoff. Für INCOS-Mitglieder ist der Band fünf Euro billiger.

Mietzner, der mit der INCOS seit 1978 verbandelt ist, aber erst 2009 ordentliches Mitglied wurde, hat eine stattliche Arbeit geleistet, vielleicht gerade weil er nie selber direkt im Epizentrum war. Er durfte im Fundus der Mitglieder graben, förderte so manches Kuriose zu Tage und schaffte es, ohne rosarote Brille, eine mehr oder weniger neutrale, unterhaltsame Betrachtung der Ereignisse abzuliefern. Nur schade, dass inzwischen verstorbene Heinz-Jürgen Ehrig das nicht mehr selber lesen kann.

Die Jahre von 2002 bis 2008 sind leider nahezu kaum vertreten. Es ist zu verschmerzen, so viel wird da nicht losgewesen sein …



Fazit:

Wer sich für diese Art von Sekundärliteratur interessiert, der muss sich INCOS: Eine Zeitreise zulegen. In unterhaltsamer, augenzwinkernderweise Weise beleuchtet Dietmar W. Mietzner die guten und die schlechten Zeiten der Interessengemeinschaft Comicstrip. Eine Reise zu den Anfängen der deutschen Comic-Szene, voll von Fotos und Erinnerungen, an eine Zeit, als die Macher von heute noch jung, knackig und unverbraucht aussahen. Daumen hoch!



INCOS: Eine Zeitreise - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

INCOS: Eine Zeitreise

Autor der Besprechung:
Matthias Hofmann

Verlag:
INCOS eV

Preis:
€ 30.00

208 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • oppulent illustriert mit Fotos und Zeichnungen
  • für Comic-Fans, die sich für die Szene interessieren ein Muss
  • flüssig zu lesen
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1.71
(7 Stimmen)
Bewertung
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Rezension vom: 02.12.2010
Kategorie: Sekundärliteratur
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