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Comic-Besprechung - 3 Sekunden

Geschichten:
"3 Sekunden"
Idee & Zeichnungen: Marc-Antoine Mathieu

"Da sind ja gar keine Texte drin!" So oder so ähnlich werden sicherlich viele Leser reagieren, die das neue Werk von Marc-Antoine Mathieu zum ersten Mal in den Händen halten. Doch wer 3 Sekunden damit als reines Kunstcomic abstempelt und schnell wieder aus den Händen legt, macht einen großen Fehler, denn die Geschichte, die hier von Mathieu in reinen schwarz/weiß Bildern erzählt wird, ist auch ohne Text verständlich.

Bereits die Eröffnungsszene, bei der jemand mit einer Waffe bedroht wird, ist allein durch die bewusste zur Schau Stellung dieses Ereignisses äußerst spannend. Was hat es damit auf sich? Und was passiert in den nächsten Momenten? Mathieu lässt den Leser erst einmal mit den Fragen allein und widmet sich Personen auf der Straße, die unter anderem Zeitung lesen. Der abgebildete Artikel kann ebenfalls gelesen werden, womit schon einmal das Argument, dass kein Text in dem Werk enthalten ist, entkräftet wird. Doch die Geschichte bleibt nicht bei Passanten stehen, sondern wandert durch ein Fußballstadion, in Meetings, in Flugzeuge und sogar auf dem Mond. Die Aufgabe des Lesers ist herauszufinden, was alle Momente miteinander verbindet.

Der Künstler verbindet diese Stationen durch einen unendlichen Zoom, welcher die Bilder ineinander fließen lässt. So arbeitet er fast durchgängig mit Reflexionen in sich spiegelnden Oberflächen. Da werden Löffel oder Kameraobjektive quasi Mittel, um einen Schwenk in eine andere Richtung zu erzeugen. Ist ein kompletter Ortswechsel notwendig, dient der Fernseher oder Laptop als Transportmittel. Dadurch wird die komplette Geschichte miteinander verbunden und immer wieder kehrt sie zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Nur marginal bewegen sich die beiden Männer vom Anfang weiter, denn der ganze Band zeigt nur einen Augenblick, quasi 3 Sekunden im Leben der Protagonisten. Was da alles geschehen kann, ohne dass ein Wort gesagt werden muss, ist unglaublich. Die beeindruckenden und einfallsreichen Reflexionen und der unendliche Zoom (welcher in der digitalen Version übrigens noch besser zur Geltung kommt) machen diese Veröffentlichung absolut sehenswert.

Bei Büchern mit reinen Grafiken neigt man als Leser irgendwann dazu, die Seiten schnell weiterzublättern, da Massen an Zeichnungen die Aufmerksamkeitsspanne nicht gerade erhöhen. Bei 3 Sekunden verhält sich dieses Schema kurioserweise genau andersherum. Der Leser wird möglichst langsam durch den Band schlendern, weil jedes zeichnerische Detail hilfreich für die Lösung des Falls sein kann und weil es eine ungewohnte Art und Weise ist, die Umwelt wahrzunehmen. Mit sauber aufgeteilten Seiten, die durchgängig 3x3 Panels enthalten, hat der Leser jede Menge Zeit um sich langsam zwischen den Szenen fortzubewegen und dabei die Kunst der Reflexion, welche auch mal spiegelverkehrt oder auf dem Kopf herum ausfallen kann, zu genießen.
Und da es sowohl inhaltlich, als auch zeichnerisch passen sollte, wird beim Ranzoomen mit dicker werdenden Inks gearbeitet, was gerade bei der Darstellung von Personen auffällt.

Das "Zoom-Spiel", wie es Herausgeber Reprodukt nennt, überrascht daher durch einen Erzählstil, der fast durchgängig ohne Text auskommt. Dennoch schafft dieser Comic eine Spannung, die zum Ende hin immer unerträglicher wird. Als sich dann auch noch die Ereignisse in dem kurzen Zeitrahmen "überschlagen" (Ein Schuss löst sich!) ist der Leser kaum noch zu bremsen. Da mag es schon fast stören, dass Mathieu mit störrischer Ruhe an seinem Zoom-Muster festhält und noch einige Seiten vergehen, bis der Leser das Ende der Geschichte miterleben darf.

Ungewohnt, andersartig und von der ersten Seite an fesselnd! Man mag es kaum glauben, dass ein Werk ohne Text so eine Spannung erzeugen kann. Doch 3 Sekunden enthält dank eines geschickten Endloszooms eine unterbrechungsfreie Aneinanderreihung von Szenen, die immer wieder zur Ausgangssituation zurückkehren. Nach und nach wird dadurch Licht ins Dunkel um die vermeintliche Hinrichtung gebracht. Als Leser ist man mittendrin, statt nur dabei. Es wird nichts erklärt, alles muss selbst herausgefunden werden. Und das macht Spaß, viel Spaß!

3 Sekunden  - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

3 Sekunden

Autor der Besprechung:
Christian Recklies

Verlag:
Reprodukt

Preis:
€ 18,00

ISBN 13:
978-3-943143-06-5

80 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • ungewohnte Erzählweise mittels Bilderreflexionen und Zoom
  • von Beginn an fesselnd
  • Online-Version mit Passwort im Heft freischaltbar
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(1 Stimme)
Bewertung
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Rezension vom: 14.08.2012
Kategorie: One Shots
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