In der Datenbank befinden sich derzeit 18.295 Rezensionen. Alle Rezensionen anzeigen... |
Comic-Besprechung - Don Quijote
Geschichten:"Don Quijote"
Autor und Zeichner: Flix
Wer kennt sie nicht, die Erzählung vom Ritter, der gegen Windmühlen kämpfte? Auch wenn sicher nur die wenigsten wirklich das Werk von Miguel de Cervantes Saavedra gelesen haben, so ist diese Schlüsselszene doch vielen bekannt. Nun hat Flix nach Goethes Faust einen weiteren literarischen Klassiker adaptiert und in die Gegenwart geholt, wobei der Kampf gegen Windmühlen bzw. in diesem Fall Windräder nur als Aufhänger für das eigentliche Abenteuer dient.
Gleich zu Beginn erlebt der Leser die Hauptfigur Alonso Quijano in bester Wutbürgermanier, als er in einer Zeitung vom bevorstehenden Bau einer Windkraftanlage liest. Diese Maschinen sind wahre Monster, so seine etwas brüchige Argumentation. Doch auch wenn die Windräder hin und wieder im weiteren Verlauf der Story vorkommen, so ist der eigentliche Aufhänger der Gemütszustand des alten Herrn, denn Quijano lebt quasi in seiner eigenen Welt, wo die Realität schnell mal mit seiner Fantasie, andere würden sagen Hirngespinsten, verschmilzt. Das führt dann beispielsweise zu verrückten Sachen, wie dass sein klappriges Fahrrad einem stolzen Ross gleicht oder er sich plötzlich mitten im Krieg befindet, während die Welt um ihn herum eigentlich vollkommen ruhig ist.
Flix verpasst diesem Charakter einem Partner, ähnlich dem literarischen Sancho Panza, der als Enkelsohn Robin auftritt. Dieser, voll von kindlicher Fantasie, fühlt sich natürlich sofort angesprochen vom vergleichbaren Drang, die Welt so zu sehen, wie sie eigentlich nicht ist. Das führt zu einer stellenweise recht absurden Mischung aus Realität und Fantasie, welche selbst der Leser schnell akzeptiert und somit tief in die Handlung eintaucht. Die ständige Flucht vor dem Alltag und der Weg ins Abenteuer eint die beiden ungleichen Charaktere, wobei Quijano und dessen Enkel eigentlich ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Gerade diese offensichtlichen Gegensätze bilden zu Beginn der Story einen wunderbaren Reibungspunkt, den der Autor nutzt, um eine gehörige Spannung aufzubauen. Das nachfolgende Abenteuer strotzt nur so vor unglaublichen Einfällen aufgrund der im Übermaß vorhandenen Fantasie, was beim Leser den einen oder anderen Lachanfall provoziert. Erst zum Ende hin wird es ernst, bitter ernst, denn mit Quijano geht die Fantasie durch. Der Autor treibt die Handlung somit zu einem Finale, das in Gewalttätigkeit umschlägt und irgendwie gar nicht mehr lustig ist.
Und gerade als man sich fragt, wie lange man als Leser die wirren Eskapaden des alten Herrn noch aushalten muss, ist alles vorbei. Und an dem Punkt wird einem bewusst, dass Flix gerade das Kunststück geschafft hat, dem Leser voll in seinem Bann zu ziehen. Denn wenn man schockiert ist, weil die Stützräder eines Kinderrades abgeschlagen werden und man das auch noch für bare Münze nimmt, dann hat die kleinkindliche oder debile Fantasie von einem Besitz ergriffen. Einfach unglaublich wie unbewusst diese anfangs klar zu erkennende Realitätsferne im Verlauf der Handlung auf den Leser überspringt.
Dazu beigetragen hat vor allem der Zeichenstil, welcher anfangs noch die offensichtlichen Unterschiede zwischen Fantasie und Realität offenbarte, später aber mehr und mehr nur noch die ausgedachte Umgebung darstellt. Nur vereinzelt zeigen sich dann die wirklichen Gegenstände bzw. Örtlichkeiten, so dass der Leser gar nicht anders kann, als irgendwann das dargestellte Geschehen so zu akzeptieren, wie es aufgezeigt wird.
Don Quijote wurde in der Originalfassung für zwei Tageszeitungen produziert, was eine episodenhafte Erzählweise und einen Panelaufbau ähnlich einem Comicstrip verlangt. Die Veröffentlichung bei Carlsen im Buchformat erforderte demzufolge einen Umbau der einzelnen Folgen und eine Ergänzung von bestimmten Szenen, gerade um die einzelnen Episoden besser miteinander zu verbinden. Beides ist Flix so gut gelungen, dass ein Gesamtwerk ohne Ecken und Kanten, quasi aus einem Guss, entstanden ist. Lediglich am durchgängig einheitlichen Panelaufbau ist noch der vorherige Comicstrip-Charakter leicht zu erkennen.
Die Neuinterpretation eines literarischen Klassikers ist Flix somit vollkommen gelungen. Mit viel anarchischem Humor und einem grandiosen Finale verschlägt der Künstler den Leser in eine Welt irgendwo zwischen Realität und Fantasie, bei der dieser irgendwann sogar die Vorstellungskraft des senilen Ritters akzeptiert. Dadurch entspinnt sich eine großartige Erzählung die viel Spaß macht und mit vielen grandiosen Einfällen des Autors glänzt.
Don Quijote
Autor der Besprechung:
Christian Recklies
Verlag:
Carlsen
Preis:
€ 16,90
ISBN 13:
978-3-551-78375-2
144 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- einfallsreiches Versetzen der Handlung in die Gegenwart
- skurrile Hauptfiguren
- Flixsche Zeichenstil
- abgegriffen wirkendes Hardcover
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
(10 Stimmen) | ||
|
|
|||||||
Rezension vom: | 11.09.2012 | ||||||
Kategorie: | One Shots | ||||||
|
|||||||
Leseprobe | |||||||
Zu diesem Titel liegt derzeit keine Leseprobe vor. Sie sind Mitarbeiter des Verlags und daran interessiert uns für diesen Titel eine Leseprobe zu schicken? Dann klicken Sie hier... | |||||||
Das sagen unsere Leser | |||||||
Zu diesem Titel existieren noch keine Rezensionen unserer Leser. |
?>