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Comic-Besprechung - Zweite Generation - Was ich meinem Vater nie gesagt habe

Geschichten:
Zweite Generation - Was ich meinem Vater nie gesagt habe

Autor / Zeichner
Michel Kichka


Story:
Michel Kichka wächst in einer Familie auf, in der die Eltern den Holocaust überlebt haben. Vor allem Michels Vater hat in Auschwitz grauenvolles erlebt und gesehen und das prägt auch das Leben seiner Nachkommen. So arbeitet sich Michel Zeit seines Lebens an seinem Vater und der Bürde ab, kann aber der Vergangenheit nicht immer entfliehen.


Meinung:
Trotz Maus ist es relativ selten, das eine Graphic Novel das Zeugnis der Holocaustnachkommen abgibt. Meistens werden eher die Erlebnisse der Überlebenden und Toten als Mahnmal geschildert und das vollkommen zu Recht. Oft wird dann aber vergessen, wie sehr das Trauma des Überlebens sich auf deren Kinder auswirken kann und dann auch auf die Nachkommen abfärbt. Schließlich sind die Erfahrungen so tief und prägend, dass man sie nicht ablegen kann. Und somit wird auch das Leben der, gnädigerweise, Spätgeborenen immer noch von dem Holocaust geprägt. Die Eltern geben ihre Erfahrungen weiter und manches was als Spleen abgetan werden kann hat sehr viel mehr düstere Ursprünge.

Diese Graphic Novel mit dem passenden Titel Zweite Generation nimmt sich nun der Perspektive der Nachkommen an. Dabei spielt der Titel des Bandes darauf an, das auch die zweite Generation direkte Opfer des Nationalsozialismus sind, da ihnen aufgrund der Erfahrungen der Eltern ein normales Leben und Aufwachsen verwehrt ist.  Der Autor und Zeichner Michel Kichka berichtet von seinem Vater und von der manchmal schwierigen Beziehung zu ihm. Zerrissen zwischen verschiedenen Emotionen, die ebenso liebevoll wie schadhaft sind, verbindet Kichka das Grauen mit dem Humor und kann es nicht nur in dieser gewagten Kombination, sondern vor allem durch die kongeniale graphische Umsetzung schaffen, eine komplexe Psychologie und schwierige zwischenmenschliche Dynamik griffig und kompakt zusammenzufassen. Diese Verdichtung ist erstaunlich und wahrlich bewunderungswürdig. Man bemerkt den Hintergrund des Zeichners als Cartoonisten, der nicht nur seinen reduzierten Stil einsetzt, sondern Erfahrung darin hat, komplexe (politische wie auch gesellschaftliche) Vorgänge in einer einzigen Zeichnung zusammenzufassen. Das regt zum nachdenken an und gerade wenn Humor eingesetzt wird, der sich auch auf das Grauen bezieht und damit sehr schwarz und manchmal kaum zu glauben selbstironisch ist, so findet man darin doch auch Spuren des berühmten vertrackten jüdischen Humors. Besonders die letzte Szene in der die Familie mitsamt des Überlebenden Lagerwitze erzählt und sich über Begrifflichkeiten des Holocaust lustig macht, wo dann ein Satz wie „Ich gehe mal duschen“ zu einer Lachtirade führt, besonders den deutschen Leser in seiner Erinnerungskultur befremden vermag, so zeigt es doch, dass das Leben weitergeht und es unterschiedliche Arten des Umgangs gibt. Hauptsache es wird nicht vergessen.

Aber die ironische Brechung wird auch dann genutzt, wenn das Grauen zu stark wird. Zu unfassbar und nicht mehr zu ertragen. Dann wird durch Humor eine Distanz geschaffen die dem Unfassbaren etwas von der Ungeheuerlichkeit nimmt indem es in das Lächerliche gezogen wird. Was eine eindrucksvolle Bebilderung der Bewältigungsstrategie eines Traumas ist. Dabei wird nichts verharmlost. Ganz im Gegenteil: der Humor ist immer als eine Art von Schutz erkennbar, als eine Art Rüstung, um das Unsagbare von sich fern zu halten.

Die Vielschichtigkeit und die verschiedenen Ebenen werden noch durch mehrere Anspielungen erweitert, indem die franko-belgische Comictradition aufgegriffen wird (sowohl als Hommage als auch als kulturelle Einordnung) die für die Kultur und für die individuelle Prägung stehen, aber gleichzeitig deren teilweise Naivität kritisiert. Und der Autor verschweigt auch nicht, dass trotz des Holocausts immer noch das Stigma einen begleitet und er selber Antisemitismus erfahren hat.


Fazit:
Ein großartiges Buch. Berührend und beängstigend. Bewegend und Lustig. Und ein Lehrbuch dafür, dass man in einem Bild mal mehr als tausend Worte sagen kann und das Unfassbare erfahrbarer wird.

Zweite Generation - Was ich meinem Vater nie gesagt habe - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Zweite Generation - Was ich meinem Vater nie gesagt habe

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Egmont Graphic Novel

Preis:
€ 19,99

ISBN 13:
978-3-7704-5505-8

180 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Thema
  • graphische Umsetzung
  • beispielhafte Verdichtung schwieriger Themen
Negativ aufgefallen
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Rezension vom: 14.05.2014
Kategorie: Rezensionen
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