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Comic-Besprechung - Gunnerkrigg Court I : Orientation

Geschichten:
Chapter 1: The Shadow And The Robot
Chapter 2: Schoolyard Myths
Chapter 3: Reynardine
Chapter 4: Not Very Scary
Chapter 5: Two Strange Girls
Chapter 6: A Handful of Dirt
Chapter 7: Of New And Old
Chapter 8: Broken Glass and Other Things
Chapter 9: Questions And Answers
Chapter 10: Dr. Disaster
Chapter 11: Dobranoc, Gamma
Chapter 12: Mainly Involves Robots
Chapter 13: A Week for Kat
Chapter 14: The Fangs of Summertime

Story:
Antimony Carver, genannt Annie, ist eine neue Schülerin auf Gunnerkrigg Court. Das Internat ist jedoch offenkundig mehr als eine gewöhnliche Schule: Das Gelände erinnert eher an einen gigantischen industriellen Komplex, der von unzähligen Robotern bevölkert wird. Manche Unterrichtsstunde findet in einer holographischen Simulation statt, und in entlegenen Gebieten des Courts warten Wesen auf unglückliche Besucher, die bestenfalls gruselig sind – schlimmstenfalls aber lebensgefährlich. Umgeben ist Gunnerkrigg Court vom Gillitie-Wald, der durch eine tiefe Schlucht und einen breiten Fluss, die Annan Waters, von der Schule getrennt ist. Im Gillitie-Wald leben Wesen, die durch Wissenschaft und Technik nicht zu erklären sind.

Bald muss Annie feststellen, dass neue Freunde zu finden und sich in der neuen Schule zurechtzufinden längst nicht ihre einzigen Probleme sind. Es ist strengstens verboten, das Schulgelände zu verlassen. Als Annie es (indirekt) trotzdem tut, um einem verirrten Bewohner des Waldes den Weg zurück zu ermöglichen, löst sie Ereignisse aus, die sie sich vermutlich in ihren kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte. Und es wird immer deutlicher, dass Annie und ihre Mutter Surma, die früher selbst auf Gunnerkrigg Court zur Schule ging, eine ganz besondere Rolle in all dem spielen...

Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:
Gunnerkrigg Court erscheint seit 2005 als englischsprachiger Webcomic aus der Feder von Thomas Siddell. Seither verfolgt eine stetig wachsende Fangemeinde in bisher 27 Kapiteln auf über 700 Seiten die Abenteuer von Annie, ihrer besten Freundin Kat und den anderen menschlichen, mechanischen und sonstigen Bewohnern des Courts und des Waldes. Hier liegt nun beim amerikanischen Independent-Verlag Archaia die gedruckte Ausgabe der ersten 14 Kapitel vor.

Und eines wird bereits auf den ersten Seiten deutlich: Gunnerkrigg Court ist british, very british. Das merkt der Leser an offensichtlichen Dingen wie der Tatsache, dass die Klassen nach dem britischen "housing system" organisiert sind, was auch deutschen Lesern spätestens seit Harry Potter ein Begriff sein dürfte. Das merkt der Leser daran, dass Annie und die anderen Charaktere British English sprechen, und einem gelegentlich die eine oder andere ungewohnte Vokabel oder Wendung begegnet. Ein nicht zu eingerostetes Schulenglisch reicht aber allemal aus.

Insbesondere merkt der Leser die britischen Wurzeln von Gunnerkrigg Court aber im Humor. Da wird der trotzige und betont coole Reynardine dabei ertappt, wie er mit Kats Action-Figuren Teekränzchen spielt. Da rast der Lehrer Dr. Disaster (Vorname Randy) mit dem Roller durch die Gänge und schickt seine Schüler in simulierte Kämpfe gegen außerirdische Aggressoren. Und als zwei Wachroboter Annie, die in verbotenen Gefilden schnüffelt, zum Stehenbleiben auffordern und die das natürlich nicht tut, ziehen die Roboter daraus den logischen Schluss: Annie muss die Anweisung nicht gehört haben, am besten, man wiederholt sie noch einmal.

Allerdings besteht Gunnerkrigg Court längst nicht nur aus Gags und lustigen Situationen. Insbesondere Annie, aber auch anderen Charakteren wie Kat oder Zimmy wird einiges zugemutet, körperlich, aber vor allem emotional. Dabei scheint immer wieder durch, wie sehr Siddell seine Figuren am Herzen liegen. Das überträgt sich auch auf den Leser, der beispielsweise als Annie zum ersten Mal den Verlust ihrer Mutter richtig realisiert versucht ist, das Mädchen tröstend in den Arm zu nehmen. Oder als Kat realisiert, dass sie den Jungen, mit dem sie gerade die ersten zarten Liebesbande geknüpft hat, wohl nie wiedersehen wird. Aus letzterem zieht der Comic auf der anderen Seite wieder seinen Humor, wenn Kat in der Folge ihre Vorlieben für das männliche Geschlecht an … ungewöhnlichen Kriterien ausrichtet.

Ein weiteres auffälliges Merkmal ist die zurückhaltende Erzählweise des Comics. Der Leser wird nicht gewissermaßen an der Hand durch die Kapitel geführt, immer eilends auf den unausweichlichen Höhepunkt zu. Stattdessen bauen die Kapitel auf den ersten Blick kaum aufeinander auf, sondern erzählen unterschiedliche Erlebnisse von Annie und den anderen. Aber bald zeigt sich, dass der Autor auf diese Art und Weise nach und nach immer größere Teile der Geheimnisse des Courts und des Waldes ausleuchtet. Und es wird immer deutlicher, wie eng Annies ganz persönliches Schicksal mit beiden verwoben ist, wie wichtig die Rolle ist, die sie spielen soll, und wie groß ihr Einfluß auf beider weiteres Schicksal sein wird.

Ähnliches lässt sich auch über die Zeichnungen sagen. Siddell benötigt nicht viel Striche und nur eine bewußt eingeschränkte Farbpalette, um seine Figuren vor dem inneren Auge des Lesers lebendig werden zu lassen und die Handlung in allen Nuancen zu erzählen. Die Hintergründe auf der anderen Seite sind dafür häufig um so ausgefeilter.

Zu Beginn bemerkt man auch ein Phänomen, dass nicht wenigen Webcomics zu eigen ist: Der Zeichner musste seinen Stil erst noch vollständig finden. Die frühen Seiten sind noch nicht ganz so ausgefeilt wie die späteren. Annies Kopf beispielsweise ist auf den ersten Seiten deutlich breiter als später in der Geschichte und erinnert in einigen Perspektiven an einen Football. Das soll aber nicht heißen, dass Gunnerkrigg Court zu Beginn nicht gut gezeichnet wäre. Man könnte eher sagen, später wird Siddell noch besser als zu Beginn.

Ebenfalls auffällig ist die häufige Verwendung von Symbolen vor allem aus dem alchemistischen Kontext. Das beginnt bei Annies vollständigem Vornamen "Antimony". Das steht einerseits für das Halbmetall Antimon, das bereits seit der Antike zur Herstellung von Bronze oder in Kosmetika verwendet wurde (Annie trägt wohl nicht ohne Grund Lidschatten). Andererseits steht "Antimony" für die logische Figur der Antimonie. Bei diesem Paradox können zwei Aussagen gleichermaßen gut logisch bewiesen werden, schließen sich aber gegenseitig aus. Es liegt nicht fern, das als Verweis auf Annies Rolle als Medium und Mittlerin zwischen den gegensätzlichen Welten zu interpretieren. Auch in vielen Zeichnungen tauchen alchemistische Symbole auf, bei denen es interessant wäre, im Einzelnen zu entschlüsseln, was nur Dekoration ist und wo eine tiefere Bedeutung dahintersteckt.

Aber auch jenseits (oder diesseits?) aller Symbolik und tiefergehender Analyse ist Gunnerkrigg Court einfach eine fesselnde Lektüre, in die Fans von Harry Potter, aber auch von Courtney Crumrin oder den Romanen von Kai Meyer oder Christopher Marzi zumindest mal einen Blick werfen sollten.

Fazit:
Die ersten vierzehn Kapitel des Webcomics "Gunnerkrigg Court" in gedruckter Form erzählen die Anfänge einer phantastischen Saga. Wer sich für eine spannende Geschichte, treffgenaue Zeichnungen und viel britischen Humor begeistern kann, sollte hier zugreifen.

Gunnerkrigg Court I : Orientation - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Gunnerkrigg Court I : Orientation

Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck

Verlag:
Archaia

Preis:
€ (je nach Wechselkurs) etwa 19,00

ISBN 10:
1932386343

ISBN 13:
978-1932386349

296 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Zurückhaltende, aber um so ausdrucksstärkere Zeichnungen
  • Very british, nicht zuletzt beim Humor
  • Faszinierende Geschichte und liebenswerte Charaktere
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(1 Stimme)
Bewertung
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Rezension vom: 05.05.2010
Kategorie: Gunnerkrigg Court
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