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Comic-Besprechung - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 1: Combray

Geschichten:

Unterwegs zu Swann: Erster Teil Combray

Autor: Marcel Proust, Zeichner & Inker: Stéphane Heuet, Colorist: Véronique Dorey



Story:
Frankreich des Fin de siècle: Der Ich-Erzähler stammt aus einer Familie des Pariser Bürgertums, die den Sommer üblicherweise bei Verwandten auf dem Land verbringt. Hier erlebt er eine glückliche Kindheit und lernt Personen kennen, die in seinem weiteren Leben eine Rolle spielen werden, etwa den Kunstliebhaber Swann, der mit der ehemaligen Kurtisane Odette verheiratet ist, und die lokale Adelsfamilie, die Guermantes. Der Erzähler erinnert sich an seine verlorene Zeit: An das Drama des Zubettgehens wegen des Gutenachtkusses von dessen Mutter in Combray, die Weißdornblüten und Seerosen, die drei Kirchtürme im Abendlicht, ein Sonnenstrahl auf einem regennassen roten Ziegeldach, der kleine Kreis der Verdurins oder Vinteuils Geigensonate. Ausgelöst werden die unfreiwilligen Erinnerungen beispielsweise durch den Geruch einer Madeleine, deren Duft er beim Tee einatmet und ihn in vergangene Tage entführt.



Meinung:

Sich den siebenbändigen Romanzyklus Auf der Suche nach der verlorenen Zeit als Comicadaption vorzustellen fällt sichtlich schwer. Schließlich handelt es sich hier um über 4000 Seiten klassische Literatur, wobei der 1871 in Paris geborene französische Schriftsteller Marcel Proust sein Hauptwerk unvollendet hinterließ, als er 1922 verstarb. Der ehemalige Matrose und späterer Artdirector Stéphane Heuet hat sich seine Leidenschaft für Proust zur Aufgabe gemacht, indem er dessen Werk als Graphic Novel umsetzt.

Nach Brian Fies‘ Mutter hat Krebs und Und wir träumten von der Zukunft fokussiert der Knesebeck Verlag mit dem ersten Auf der Suche nach der verlorenen Zeit-Album (Combray) neben Comicanthologien (Erotische Comics) und Comicsekundärliteratur (Comic Art Now) endgültig den anspruchsvollen Comicbereich. Man darf gespannt sein, ob der Verlag tatsächlich alle sieben Bände als Graphic Novels veröffentlichen wird, was sicherlich stark von den Verkaufszahlen abhängig sein wird. Bisher hat Heuet seit 1998 fünf Bände in Frankreich veröffentlicht, womit er die ersten beiden Teile von Prousts Vorlage abgeschlossen hat.

Wie in der literarischen Vorlage erinnert sich ein Erzähler an seine Kindheit und Jugend als verwöhnter, kränklicher Sohn reicher Eltern. Die Schilderungen seiner inneren und äußeren Erlebnisse werden durch Beschreibungen seiner Mitmenschen und grundsätzlichen Gedanken über das menschliche Seelenleben, die Kunst und die Erinnerung im Allgemeinen. Im Vordergrund stehen dabei weniger die äußeren Vorgänge, sondern die inneren Geschehnisse der Charaktere.

Heuet hat sich mit seiner Adaption sichtlich alle Mühe gegeben und wenn er so weiter wie bisher macht, wird er einen beträchtlichen Teil seines Lebens mit der Proust-Adaptionen zubringen. Die Mühe hat sich soweit gelohnt, wenn man bedenkt, dass die Serie sich bisher mehrere hunderttausend Mal verkauft hat und in mehr als einem Dutzend Sprachen übersetzt worden ist. Zunächst fällt es schwer in die Geschichte einzusteigen. Genau wie der literarischen Vorlage mehrfach vorgeworfen wird, ist auch das erste Drittel von Combray schwer zu lesen. Erst ab dem zweiten Drittel hat man das Gefühl, in den Fluss der Geschichte zu kommen, aber dann wird die Lektüre durchaus flüssig.

Heuet adaptiert den Klassiker der Literaturgeschichte, indem er den Erzähltext durch Voice Overs zu historisch gut recherchierten Bildern einfügt. Die Dialoge sind wie gewohnt in Sprechblasen in den Panels angeordnet, wobei manche Sequenzen uninspiriert wirken, wenn mehrere aufeinander folgende Panels fast nur aus Sprechblasen bestehen ohne die entsprechenden Personen abzubilden. Hinzu kommt, dass die ohnehin etwas harmlos wirkendenden Bilder den literarisch bedeutsamen Sätzen meist nicht gerecht werden können. Positiv sind dagegen Ein- und Überblendungen als grafisches Stilmittel aufgefallen, die nicht nur kreativ sind, sondern auch für visuelle Abwechslung sorgen.

Und die sehnt sich der Leser leider des Öfteren herbei. Den Heuets Ligné Claire-Strich wirkt insgesamt spröde und die Figuren ausdrucksschwach und hölzern. Die nur in ausgewählten Szenen detaillierten Zeichnungen wirken in Verbindung mit der flächigen Kolorierung und stimmungsschwachen Farben von Véronique Dorey bieder. Grafisch können nur die architektonischen und künstlerischen Darstellungen überzeugen.



Fazit:
Der Auftaktband von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit wirkt trotz aller Ambitionen seitens Heuet nur selten inspiriert genug um einen Comicleser für die Welt Marcel Prousts zu begeistern. Die ohnehin nicht einfache Kost erschließt sich aufgrund unübersichtlich angeordneten Textkästchen und der harmlos wirkenden Grafik nicht unbedingt besser als durch das Original.



Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 1: Combray - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 1: Combray

Autor der Besprechung:
Marco Behringer

Verlag:
Knesebeck

Preis:
€ 19,95

ISBN 10:
3868732616

ISBN 13:
978-3868732610

72 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Ein- und Überblendungen
Negativ aufgefallen
  • Ligné Claire: hölzerne Figuren, ausdrucksschwache Gesichter
  • überbordernde Textkästchen und uninspiriertes Lettering
  • Kolorierung: stimmungsschwache, flächige Farben
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
5.5
(2 Stimmen)
Bewertung
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Rezension vom: 06.09.2010
Kategorie: One Shots
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