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Comic-Besprechung - Die Toten [09.10. – 12.10.2009]
Geschichten:11.10.2009: Autobahn A5 bei Baden-Baden
Autor: Yann Krehl, Zeichner: Michael Vogt, Colorierung: Sven Strangemeyer
09.10.2009: München
Autor: Boris Kiselicki, Zeichner: Boris Kiselicki
12.10.2009: Frankfurt am Main
Autor: Christopher Tauber, Zeichner: Ingo Römling
Story:
Die Zombies sind los – und zwar in Deutschland. Am 3. Oktober 2009 brach die große Epidemie in Europa aus. Drei Tage später wusste in deutschen Landen keiner mehr, was in der Welt so passierte. In diesem ersten Band von Die Toten werden gar schreckliche Begebenheiten aus Baden-Württemberg, Bayern und Hessen geschildert.
An der Autobahn A5 gibt es eine Raststätte bei Baden-Baden, die durch eine Autobahnkirche glänzt. Sebastian und Gabi sind auf der Flucht vor den Zombies und werden von dem weltfremden, biederen Rainer aufgenommen, der sich in dieser Kirche verschanzt hat. Der blauäugige Rainer war nicht untätig und hat massenweise Nahrungsmittel und sonstige Güter aus den Shops des Rastplatzes zusammengetragen. Während er glaubt, dass die Zombieplage nach ein paar Tagen wieder vergehen wird, beurteilen Sebastian und Gabi die Lage realistisch. Die Situation spitzt sich zu, als eine Gruppe von Überlebenden vorbei kommt und ebenfalls Zuflucht will. Allerdings hat Rainer darauf keine Lust und außerdem sitzt ihnen eine Horde von Untoten im Nacken …
Zwei Tage zuvor beschließen die beiden Bauernsöhne Sepp und Schorsch nach München zu fahren, um mal so richtig auf den Putz zu hauen. Alle Warnmeldungen von gefährlichen Zombieaufkommen ignorierend, tuckern sie mit dem Traktor in die bajuwarische Hauptstadt. Ihr Ziel ist der Szeneclub B1, der “Nummer Eins Schnöselclub in Minga“, und ihr Weg führt durch Pulks von Zombies.
In Frankfurt am Main schließlich stemmen sich zwei Drogendealer gegen das Ende der Welt. In Egoshooter-Manier bahnen sie sich ihren Weg durch ein Meer von Zombies.
Meinung:
Wie könnte es anders sein, das Zombie-Thema ist nicht tot zu kriegen. Im Medium Film tauchten Zombies als solche bereits 1932 im Genre-Klassiker White Zombie auf. Und spätestens seit George A. Romeros Die Nacht der lebenden Toten und zahllosen Epigonen und Trittbrettfahren (man denke an die italienische Splatter-Schiene von Lucio Fulci oder Dario Argento & Co.) kann auch Otto-Normalbürger einen völlig verfaulten Körper, der sich wie eine Marionette bewegt, sinngemäß zuordnen. Begibt man sich in die schillernde Welt der Videospiele und Game-Konsolen, kommt einem sogleich Resident Evil in aller Breite in den Sinn.
Zombie-Comics gibt es auch schon einige. Erwähnenswert ist hier vor allem ZombieWorld von Mike Mignola und Kollegen, eine Reihe von Miniserien und Einzelbänden, die in den USA bei Dark Horse erschienen ist (auf Deutsch leider nur ein Band bei EEE). 2003 lancierte Robert Kirkman seine noch heute erscheinende preisgekrönte Zombie-Saga The Walking Dead bei Image (Deutsch bei Cross Cult) und 2006 nahm sich selbst Marktführer Marvel ein großes Stück vom Kuchen und schickte seine Marvel Zombies ins Feld. Marvel erzielte so gute Verkaufszahlen, dass man das Thema mit vielen weiteren Miniserien briefmarkendünn auswalzte. Schließlich kam 2009 sogar DC Comics auf den Trichter und legte mit Blackest Night nach. Wie gesagt: Das Zombie-Thema ist nicht tot zu kriegen.
So, und jetzt kommt Zwerchfell daher mit Die Toten. Die beiden Verlagschefs Stefan Dinter und Christopher Tauber erschufen das Konzept. So wesentlich viel gab es nicht zu kreieren, denn man bediente sich den sattsam gewohnten Elementen des Genres und verpflanzte sie nach Deutschland. Ergo handelt es sich auf den ersten Blick bei Die Toten um nichts, über das man in einem Brief nach Hause an seine Mutter schreiben müsste. Dennoch ist die Grundidee nicht uninteressant, denn seine Zombies durch Chicago, Dallas oder New York wandern lassen, das kann jeder. Aus dem Interstate-45 oder dem Highway Number One die Autobahn A5 zu machen, hat immerhin einen gewissen Charme.
Das aggressive, abgebrühte Covermotiv von Ingo Römling zeigt den Weg. Ein fettleibiger deutscher Polizist mit abgerissenem Arm und schon völlig zombifiziert lässt den geneigten Leser in freudiger Erwartung das kleine Büchlein aufschlagen. Im Inneren werden drei Geschichten geboten, die allesamt einem gewissen Qualitätslevel entsprechen, der internationalen Standards standhalten kann. Die erste und die letzte Geschichte sind jeweils farbig, während die München-Episode in schwarzweiß gehalten ist. Stilistisch sind alle drei völlig verschieden. Das mag den einen aufregen, aber den anderen wiederum anregen. Im vorliegenden Fall ist der Gesamteindruck positiv.
Natürlich gibt es story-technisch, wie grafisch, markante Unterschiede. Die Baden-Baden-Geschichte glänzt beispielsweise durch ihre Handlung, ist aber von den Zeichnungen her der schwächste Beitrag. Die Episode in Frankfurt beeindruckt durch die dynamischen, gewaltigen, ausgereiften Zeichnungen von Ingo „Monozelle“ Römling, jedoch ist bei ihr eine interessante Handlung quasi non-existent.
Erstere ist sehr stark in ihren psychologischen Momenten, wenn es darum geht, wie das Leben in der Autobahnraststätte gestaltet wird und was mit den Neuankömmlingen passieren soll, die auf der Flucht vor einer Horde Untoter sind. Michael Vogts Zeichnungen, wenngleich handwerklich gut ausgeführt, sind etwas starr und der Stil passt nicht so richtig zur Atmosphäre einer Zombie-Geschichte. Viel davon wird durch die vorzügliche Kolorierung transportiert, was dem Comic sehr gut tut.
Letztere gleicht einem Videospiel: Los laufen, Knarre in den Händen halten, ballern, was das Scheiß-Schießeisen her gibt, platzende Köpfe, Blutfontänen – wow, und alles so meisterhaft dynamisch und filmisch umgesetzt, man könnte meinen, jemand hätte eine Sam Peckinpah- oder John Woo Zeitlupensequenz zwischen die Buchdeckel gepresst. Hätte Römling doch nur die erste Geschichte gezeichnet, es wäre ein Glanzstück geworden. Aber wahrscheinlich macht es mehr Spaß, sich zeichnerisch sinnloser Gewalt anzunehmen, statt Streitgespräche zwischen der Lusche Rainer und dem Brillenträger Sebastian zu Papier zu bringen.
Die Geschichte von Boris Kiselicki gefällt, weil sie aus einem Guß ist. Die Zeichnungen überzeugen voll und ganz. Die Geschichte ist äußerst unterhaltsam, da sie zum einen satirisch geschrieben ist, zum anderen mit bekannten Versatzstücken aus dem Genre spielt. Dadurch ist sie der originellste Beitrag in diesem ersten Band von Die Toten. Das permanente Bayrisch geht dem Mundart-Unkundigen zwar schnell etwas auf den Senkel, aber es ist halt glaubwürdiger, wenn der Schorsch seinen Bruder als „Orschloch!“ bezeichnet oder wenn die beiden Landeier mit dem Valtra Forsttraktor mit 180 PS Lastschaltgetriebe und heruntergeklapptem Ackerpflug durch eine Ansammlung Zombies mähen und Sepp ausruft: „I bin a Metzgerlehrling und koa Landwirt“.
Zombie-Fans können sich freuen: Die Toten sind gekommen um zu bleiben. Der nächste Band ist bereits in Arbeit.
Fazit:
Die Toten sind zurückgekehrt und Zwerchfell hat sie losgelassen. Eine irrwitzige Sammlung sehr solider und beeindruckend gemachter Geschichten, die Spaß und Lust auf mehr macht. Zombies in Deutschland – eine charmante Variante, die viele Möglichkeiten eröffnet. Der Tierpark von Berlin, eine Asylantenwohnung in Hoyerswerda, ein Schickimicki-Anwesen auf Sylt oder das Fußballstadion des 1. FC Kaiserslautern wären Wunschkandidaten für zukünftige Schauplätze. Man kann gespannt sein, was sich Dinter, Tauber & Co. als nächstes einfallen lassen.
Die Toten [09.10. – 12.10.2009]
Autor der Besprechung:
Matthias Hofmann
Verlag:
Zwerchfell
Preis:
€ 14.00
ISBN 13:
3-928387-93-6
68 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- Artwork von Ingo Römling
- Boris Kiselicki trifft ins Schwarze
- Lokalkolorit
- Frankfurt-Episode leidet unter der einfallslosen Story
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
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(4 Stimmen) | ||
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Rezension vom: | 18.09.2010 | ||||||
Kategorie: | Die Toten | ||||||
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