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Comic-Besprechung - Dracula - Die Graphic Novel

Geschichten:

The Complete Dracula, Book 1 - 5

Autor: Bram Stoker; Adaption: Leah Moore, John Reppion; Zeichner: Colton Worley



Story:

Der junge Jonathan Harker hat einen neuen Klienten in Osteuropa, einen alten Mann, der in London ein paar Grundstücke erwerben möchte und sich Dracula nennt. Er verbringt die Tage auf dessen Schloss und muss bald erkennen, das hinter dem Grafen mehr steckt, als das bloße Auge vermuten lässt. Er besitzt kein Spiegelbild und krabbelt die Wände des Schlosses entlang, wie eine Eidechse. Seltsame, widernatürliche Kreaturen in Frauengestalt verbergen sich in den Gemäuern und als Harker die Gefahr erkennt, ist es bereits zu spät. Er ist Gefangener der Vampire. Und während er sein Ende nahen sieht, macht sich Dracula auf nach England, um dort seinen Hunger zu stillen.



Meinung:

Ein Dracula, wie er im Buche steht? Dies könnte man im weitesten Sinne behaupten, obwohl es dem Comic nicht zum Vorteil gereicht. Angelehnt an das Original von Bram Stoker, der auch als Autor genannt wird, wird die Geschichte überwiegend durch die unterschiedlichen Tagebucheinträge und Korrespondenzen der Beteiligten vorangetrieben und das weitere Geschehen aus ihrer (subjektiven) Sicht beschrieben. Daneben finden sich aber auch gewohnte Passagen, die durch die Dialoge der Figuren geformt und gestaltet werden und lediglich durch Textpassagen eingeleitet werden.

An einem Meilenstein der Gruselliteratur darf man natürlich nicht zu sehr rummäkeln, aber für den modernen Leser sind die langen Passagen von Erklärungen und das manchmal umständliche schriftliche Fixieren von Geschehnissen ermüdend und eher langweilig. Ebenso wie im Buch geht es beispielsweise in einigen Abschnitten bloß darum, dass Mina Murray auf Fonografen diktierte Aufzeichnungen notiert und andere Korrespondenzen vervielfältigt, damit alle Beteiligten Zugang zu den Informationen haben. Das entspricht zwar dem Roman, aber die Erzählung wird dadurch gebremst. Heutzutage würde man es bei einer Randnotiz belassen.

Der Comic ist zu sklavisch in seiner Verfolgung des Originalkonzeptes – Hommage hin oder her. Was man vom Beginn allerdings nicht ganz sagen kann. Ein wenig verwirrt ist man schon angesichts der unerwarteten Frankenstein-Episode, die fehl am Platz ist und keinerlei Bezug mehr zur Hauptgeschichte hat. Abgesehen davon hätte die Erzählweise ein wenig moderner oder zumindest flüssiger gestaltet werden können. Dracula liest sich in weiten Teilen, als habe man eine von diesen Kameras vor Augen, die häufig als Souvenir verkauft werden und bei denen man eine Bildserie durchklicken kann (Gucki, Plastiscop oder wie immer sie hießen). Klick – Dr. Sewards Tagebuch – Klick – Brief Lucy Westenra an Mina Murray – Klick – Jonathan Harkers Tagebuch – Klick - und so weiter. Die Abschnitte sind über Strecken wie Blöcke geschnitten und aneinander gereiht worden. Oder eben, wie unabhängig verfasste Textstücke, die nebeneinander gelegt wurden. Dies gibt sich erst zum Schluss, wenn die Aktionen der Beteiligten auf ein gemeinsames Ziel zusteuern und sich damit auch die Perspektive vereinheitlicht.

Natürlich kann man nichts gegen Szenenwechsel haben, aber Leah Moore und John Reppion hätten die Übergänge einfach besser gestalten können. Der Tochter von Alan Moore, die Dracula zusammen mit ihrem Mann „adaptiert“ hat, gelingt nicht, was ihrem Vater so mühelos von der Hand zu gehen scheint: den klassischen Stoff modern und frisch zu präsentieren. Dem Moore’schen Dracula fehlt jedes Charisma, wenn er denn mal gesichtet wird. Eine ganze Weile taucht der Fürst aller Vampire gar nicht auf und wenn dann doch, strauchelt man auch noch über die zeichnerische Darstellung. In seinem Karpatenschloss sieht er aus, wie Dr. Fu Manchu und als er Mina Harker überfällt wie ein Latin Lover, der zum Tango ruft. Man weiß zwar, dass er sich verwandeln kann, aber gilt das auch für seine Koteletten?

Und trotz aller persönlicher Notizen der Protagonisten fällt das Miterleben und Mitfiebern schwer. Die Angst und Aufgewühltheit Jonathan Harkers, während er langsam erkennt, mit welchen Kreaturen er im Schloss des Grafen gefangen ist, fühlt der Leser nicht mit. Es bleiben Wörter auf dem Papier, in einer Sprache, die zwar dem Original entspricht, aber nach all der Verwertung des Vampirmythos in den Jahrzehnten danach und seines Eingangs in die Moderne, einfach nicht mehr mitreißt. Hinzu kommt dann der Chauvinismus der damaligen Zeit und schon merkt man dem Stoff seine Angestaubtheit an.

Die Geschichte zieht sich unglaublich hin. Und als wären sich die Macher dessen bewusst, und ihnen das originale Ende zu unspektakulär, lassen sie es zum Schluss auf einmal krachen. Dracula zerfällt nicht einfach zu Staub, wie bei Bram Stoker, sondern plötzlich explodiert seine Burg in einem riesigen Feuerball. Die Szene hat etwas unfreiwillig Komisches und erinnert an eine Simpsons-Folge, in der Hans Maulwurf mit seinem Auto ganz zart einen Baum berührt und eine Sekunde später explodiert der ganze Wagen. Nachdem die ganze Zeit so auf den klassischen Dracula geachtet wurde, wirkt das Finale, wie aus einem billigen Action-Film.

Zwiegespalten ist man ob der Zeichnungen beziehungsweise Bilder von Colton Worley. Es war eine gute Idee auf Bleistift und Tusche zu verzichten und die Bilder dagegen wie gemalt wirken zu lassen. Die ganze Inszenierung ist düster und nebelverhangen, so wie es sich für eine Schauergeschichte gehört. Wie ein Januskopf hat die ganze Sache aber zwei Gesichter. Breit über den Band verstreut findet man wirklich passende Bilder, die auch gut ausgearbeitet sind, wo die Perspektive stimmt, die Farbgebung klar ist und diese die Lichtverhältnisse gut wiedergibt. Auf der Malusseite sind ganze Szenen, die (mit Verlaub) an den Kunstunterricht in der Schule denken lassen und die Vermutung nahe legen, dass Worley noch nicht ganz sicher in der Anwendung von Bildbearbeitungsprogrammen ist. Auf einigen Bildern erkennt man vor lauter Düsternis auch einfach ... nichts.

Eine Sache ist es, wenn die Zeichnungen die Geschichte nicht auch ohne Worte erzählen und der Comic vielmehr aus bebilderten Texten zu bestehen scheint. Durch die gestückelte Erzählweise über die Perspektive verschiedener Personen und einzelner Schriftstücke ist dies größtenteils gar nicht anders möglich gewesen. Eine andere Sache ist es, wenn die Bilder aussehen, als seien sie nicht zu Ende ausgeführt worden und der Abwedler zum Verwischen von Farbverläufen eines der Hauptinstrumente gewesen zu sein scheint. Gesichter und ebenso Staturen ein und derselben Personen variieren stark in ihrem Aussehen. Sie sind mal schmal, dann wieder breit. In einem Bild hat Van Helsing eine breite, derbe Nase, zum Ende ist sie wieder spitzer, das Gesicht weniger füllig.

Das Niveau schwankt wie ein Kahn auf hoher See. Eben noch hat man schön ausgearbeitete Bilder vor Augen und kaum blättert man um, sind sie grob mit Farbe hingeworfen und unscharf, als hätte man seine Lesebrille vergessen. Ein besonders schlechtes Beispiel ist die Szene mit Lucy auf dem Friedhof etwa zur Mitte des Bandes, die wirklich unterirdisch und lieblos ist. Dafür sind die Schlusssequenzen vor dem Finale, während es gerade schneit, stimmungsvoll und die Atmosphäre passt ausgezeichnet. Derlei Abschnitte finden sich immer wieder, aber eben leider lediglich vereinzelt. Besonders weh tut der Umstand der mäßigen Ausarbeitung, wenn man die schönen Arbeiten von Pascal Croci bei seinem Dracula-Comic vor Augen hat.

Ein großes Plus und letztlich ein wenig irreführend, ob der Qualität des Inhalts, sind die glänzenden Cover von John Cassaday. Der Band enthält neben kurzen Vitas der Macher und einer Vorbemerkung des Schriftstellers Joachim Körber auch eine Cover-Gallerie der fünfteiligen Serie. Cassaday beweist mit den fünf Bildern wieder sein Können und man wünscht sich, er wäre auch für den Inhalt verantwortlich gewesen. Aber es zeigt sich mal wieder, man soll ein Buch nicht nach seinem Umschlag bewerten. Auf Dracula trifft dies im negativen Sinne zu.



Fazit:

Liest man die ganzen Lobes-Hymnen auf dem Backcover, könnte man eingeschüchtert sein, den Band nicht gut zu finden. Verkennt man da etwa ein Meisterwerk? Die Qualität des ganzen Werkes spricht jedoch dagegen. Es fehlt die behutsame Modernisierung und die Auseinandersetzung damit, was nach all der Verwertung des Mythos quer durch alle Medien und Jahrzehnte, eigentlich den Reiz des Urvaters der Vampire für den modernen Leser ausmacht. Hinzu kommt die mittelmäßige Grafik und das Lesevergnügen wird gänzlich enttäuscht. So traurig es ist, beim Dracula von Paninicomics sehnt man nach einer Weile das Ende herbei. Da sei lieber zum anderen Dracula von Pascal Croci & Francoise Sylvie Pauly gegriffen, der sich seinen Splash-Hit! verdient hat.




Dracula - Die Graphic Novel - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Dracula - Die Graphic Novel

Autor der Besprechung:
Alexander Smolan

Verlag:
Paninicomics

Preis:
€ 19,95

ISBN 13:
978-3-86201-014-1

180 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Cover von John Cassaday
  • ab und an blitzen ein paar richtig gute Bilder durch
Negativ aufgefallen
  • Geschichte zu altbacken präsentiert
  • teils lieblose und hingeworfene Zeichnungen von Colton Worley
  • gefühlte 500 Seiten
  • Dracula würde sich im Grabe umdrehen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
4
(1 Stimme)
Bewertung
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Rezension vom: 16.12.2010
Kategorie: One Shots
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