In der Datenbank befinden sich derzeit 18.297 Rezensionen. Alle Rezensionen anzeigen... |
Comic-Besprechung - SZ Bibliothek Graphic Novels 4: Shenzhen
Geschichten: Autor: Guy Delisle
Zeichner: Guy Delisle
Story:
Guy Deslisle, Jahrgang 1966, arbeitet als Zeichner für eine kanadische Trickfilmproduktionsfirma. Er bekommt den Auftrag in die chinesische Wirtschaftsmetropole Shenzhen zu reisen um dort drei Monate lang die Produktion einer Zeichentrickserie zu überwachen. Eine Gelegenheit, die er wahrnimmt um seine alltäglichen, teils witzigen, teils haarsträubenden, teils traurigen Abenteuer zeichnerisch festzuhalten: die Langeweile in den immer gleichen Hotels, die Absurditäten der Kommunikation, der Kulturschock, das eigentümliche Arbeitsklima, das seltsame Essen, die irrsinnige Architektur, die Mentalität der Chinesen, das gewöhnungsbedürftige Essen, der politische und gesellschaftliche Wahnsinn.
Wir
erleben, was für eine Erleichterung es sein kann, einen Abstecher ins
freiheitliche Hongkong zu machen und warum man einen Besuch beim Zahnarzt in Shenzhen
dann doch lieber vermeiden sollte. Vor allem aber erleben wir China aus einer
ungewohnten Perspektive, jenseits von Touristenexotik und den üblichen
Klischees.
Meinung:
Die Zeichnungen von Guy Delisle wirken auf den ersten Blick
rau und schroff. Grobe Bleistiftstriche, stilisierte Figuren und Formen,
manchmal skizzenhaft, manchmal detailliert, irgendwo zwischen Realismus und
Karikatur. Bei genauem Hinschauen aber entdeckt man, wie viel Liebe, Witz und
Erfindungsreichtum in den einzelnen Panels steckt. Delisle schildert seinen
Aufenthalt in China in kleinen, bestechenden Episoden, die vielleicht besser
noch als so mancher Dokumentarfilm oder schriftlicher Bericht vermitteln, wie
sich das Leben in einer Diktatur anfühlt. Neben beunruhigenden
Hintergrundinformationen („Man erzählt sich, dass die chinesischen Behörden in
ihrem Zynismus so weit gehen, von den Familien der zu Tode Verurteilten das
Geld für die verschossene Kugel zu verlangen.“) vermittelt Delisle immer wieder
mit Humor die kulturellen Diskrepanzen zur westlichen Welt
(Betriebsbesichtigung im Fernsehsender. „Wir kommen auf die Gehälter zu
sprechen...Ich erkläre ihnen, dass solche Techniker, wie wir sie gerade gesehen
haben, sonntags bei uns das Doppelte verdienen würden. – Allgemeines Gelächter!
Während meines ganzen Aufenthalts in China ist keiner meiner Witze so gut
angekommen.“)
Es ist eine wahre Freude dem sympathischen, stets positiv
gestimmten Protagonisten zu folgen, der kein Abenteuer scheut, um der Tristesse
des Alltags zu entkommen, der versucht jeder noch so absurden Situation etwas
abzugewinnen und der immer offen auf die ihm fremdartig erscheinenden Menschen
zugeht. Zutiefst menschlich zeigt er sich oft genervt, macht sich aber nie
lustig über das Elend oder versucht das Geschehen zu verharmlosen. Mit
wachsamem Blick deckt er die Schattenseiten einer vom Kommunismus gegeißelten
Gesellschaft auf, versucht zu verstehen, nachzuvollziehen und bleibt letztlich
doch außen vor. Als er bis spät in die Nacht die letzten Zeichnungen anfertigt
ist niemand mehr da um ihn nach drei Monaten zu verabschieden. Was bleibt ist
das Lächeln des Kochs aus einem kleinen Restaurant, der ihm im Aufzug
freundlich zulächelt.
So pendelt Shenzhen zwischen Spaß, Entsetzen und Melancholie
hin und her. Ein emotionaler, äußerst origineller Ausflug in eine exotische
Welt, der Bildung und Unterhaltung gekonnt vermischt. Die nicht besonders
gefälligen Zeichnungen mögen Geschmacksache sein; jeder, der diese Graphic
Novel gelesen hat, wird aber einen neue Sicht der Dinge erleben, und das ist
etwas, was man nicht von allzu vielen Comics sagen kann. Insofern ist Shenzhen ein würdiger
Beitrag zur Graphic Novels Reihe der Süddeutschen Zeitung.
Mit Pjönjang und Aufzeichnungen aus Birma hat Guy Delisle
seine Erlebnisse in den diktatorisch regierten Ländern Nordkorea und
Birma/Myanmar fortgesetzt. Vor allem in ersterem hat Delisle sich gegenüber Shenzhen
inhaltlich und grafisch noch einmal gesteigert.
Fazit:
Eine selten gelungene Mischung aus Humor, Reisebericht und Gesellschaftskritik, bei der man fast Lust bekommen könnte, selbst mal wieder ein Abenteuer zu wagen.
SZ Bibliothek Graphic Novels 4: Shenzhen
Autor der Besprechung:
Armin Hofmann
Verlag:
Süddeutsche Zeitung GmbH
Preis:
€ 14,90
ISBN 10:
3866158688
ISBN 13:
978-3866158689
160 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- präzise beobachtet
- bestechender Humor
- sehr gutes Preis/Leistungsverhältnis
- schlicht und elegant aufgemacht
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
(2 Stimmen) | ||
|
|
|||||||
Rezension vom: | 28.04.2011 | ||||||
Kategorie: | SZ Bibliothek Graphic Novels | ||||||
|
|||||||
Leseprobe | |||||||
Zu diesem Titel liegt derzeit keine Leseprobe vor. Sie sind Mitarbeiter des Verlags und daran interessiert uns für diesen Titel eine Leseprobe zu schicken? Dann klicken Sie hier... | |||||||
Das sagen unsere Leser | |||||||
Zu diesem Titel existieren noch keine Rezensionen unserer Leser. |