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Comic-Besprechung - Tim und Struppi Farbfaksimile 14: Im Reiche des schwarzen Goldes
Geschichten:Autor, Zeichner und Colorist: Hergé
Story:
Reporter Tim geht wieder einmal einem mysteriösen Fall nach:
aufgrund von schadhaftem Benzin kommt es zu einer Reihe von gefährlichen
Explosionen, deren negative Folgen nicht nur die Weltwirtschaft ins Wanken
bringen, sondern auch die Angst vor einer weltweiten Kriegssituation schürt.
Schon bald hat unser findiger Held eine erste Spur, die ihn
nach Israel führt, mitten hinein in den politischen Konflikt zwischen Juden,
Arabern und den britischen Truppen, die aufgrund des Völkerbundmandats dabei
helfen, eine „nationale Heimstätte für das jüdische Volk“ aufzubauen. In Haifa
wird Tim zunächst aufgrund eines falschen Verdachts von den Briten verhaftet um
dann kurz darauf von Mitgliedern einer zionistischen Untergrundbewegung, die
Tim mit einer ihm sehr ähnlich sehenden Führungspersönlichkeit verwechseln, in
einer spektakulären Aktion befreit zu werden. Diese werden wiederum von einer
Gruppe militanter Araber überfallen, die Tim in die Wüste zu ihrem Anführer
verschleppen, dem Scheich Bab El Ehr, einem vehementen Gegner der jüdischen und britischen Besatzungsmächte.
Da der junge Reporter für den Scheich nutzlos ist, wird er in der Wüste
zurückgelassen.
Doch Tim überlebt mit viel Glück und schafft es sogar die
Araber zu verfolgen. Dabei wird er Zeuge, dass einer seiner alten Gegenspieler,
Doktor Müller, mit Bab El Ehr kollaboriert und maßgeblich an der Sabotage der
großen Öl-Pipelines des erhabenen Emirs Ben Kalisch Ezab beteiligt ist, der wiederum
mit den Engländern zusammenarbeitet. Die Anschläge sollen den Emir dazu
zwingen, künftig mit dem Verbrecher Bab El Ehr Geschäfte zu machen. Um seine
Forderungen endgültig durchzusetzen lässt der Scheich Abdallah, den
heranwachsenden, verwöhnten und permanent zu Streichen aufgelegten Sohn des
Emirs, entführen.
Meinung:
Im Reiche des schwarzen Goldes wurde ursprünglich in den
Jahren 1939-1940 als Schwarz-Weiß-Version in der Zeitschrift Le Petit
Vingtième veröffentlicht. Erst 1948-1950 erschien die vorliegende Farbversion,
die nun als weitere Perle der Comic-Kunst im Rahmen der Farbfaksimile-Reihe im
Carlsen-Verlag erschienen ist. Während bei den meisten anderen Bänden der Reihe
der Unterschied zwischen den regulären Alben und der Faksimile-Version nicht so
gravierend ist, lohnt sich in diesem Fall der Vergleich, denn Hergé hat die
ursprüngliche Version, die noch vor dem 2. Weltkrieg und der Judenverfolgung
durch die Nationalsozialisten entstand, mehrfach bearbeitet. Die
Veröffentlichung der Schwarz-weiß-Ur-Version wurde 1940 nach der Besetzung
Belgiens durch die Deutschen abgebrochen, weil man Probleme mit den deutschen
Behörden befürchtete. Im besetzten Frankreich erschienen daraufhin zwei weitere komplette Versionen,
aus denen man aber alle Referenzen auf Juden und Araber gestrichen hatte.
Für die jetzt bei Carlsen veröffentlichte Version, die ab
1948 im Tintin-Magazin erschien, hatte
Hergé das Abenteuer neu gezeichnet, koloriert und teilweise detailreicher gestaltet.
Erweitert wurde das Abenteuer hier auch durch den Auftritt von Kaptain Haddock,
der mittlerweile zur beliebten Hauptfigur geworden war und jetzt am Ende
spontan auftauchen durfte um Tim deus-ex machina-mäßig aus der Patsche zu helfen. Alle Sequenzen, in
denen Israel, die englischen Besatzer und Juden vorkommen, sind hier aber
wieder enthalten. Deutlich spiegelt sich in dieser Version eine Stimmung
wieder, die auf den drohenden Weltkrieg hinweist. Die politischen Ereignisse,
die später zur Gründung des Staates Israels führten, hat Hergé dramaturgisch
genutzt und in die Handlung eingebaut. Das ist gerade aus heutiger Sicht
bemerkenswert und macht den Vergleich zur späteren, heute allgemein bekannten
Fassung sehr spannend.
In dieser erst ab 1972 veröffentlichten neuen Fassung, die
Hergé zusammen mit seinem damaligen Assistenten Bob de Moor umgeschrieben
hatte, kommt Tim nun nicht mehr in Haifa an, wird nicht mehr von der
israelischen Polizei festgenommen, von britischen Militärs verhaftet und auch nicht
mehr von einer zionistischen Untergrundorganisation entführt. Er reist
stattdessen direkt in den fiktiven arabischen Staat Khemed und bekommt es nur
mit den Arabern zu tun. Darüber hinaus wurde das Abenteuer in zahlreichen
grafischen Details modernisiert und überarbeitet. Statt einfacher Stoffhosen
tragen die Figuren beispielsweise Bluejeans mit Nähten, die technischen Details
der Schiffe und Fahrzeuge sind massiv aufpoliert worden und die Hintergründe
sind insgesamt detailreicher und aufwändiger gestaltet. Manche Änderungen
fallen auch erst beim genauen Hinschauen auf: so hat Tim zum Beispiel an einer
Stelle in der neuen Version eine Kapitänsmütze auf, die es bei der
vorangegangen Version noch gar nicht gab. Und auch die Farbgebung hat an vielen
Stellen eine deutliche Veränderung erfahren. Der Seitenaufbau im ersten Teil
des Abenteuers ist teilweise stark verändert worden, während die zweite Hälfte
sich nur noch durch den Detailreichtum unterscheidet.
Alles in allem ist Im Reiche des schwarzen Goldes nicht nur
aufgrund seiner Veröffentlichungsgeschichte ein interessantes Album. Das
Abenteuer bietet Sandstürme, Entführungen, rasante Verfolgungsjagden und den
gewohnt schrulligen Humor Hergés. Wenngleich einem die Kaspereien der Herren
Schulze und Schultze nur noch in den wenigsten Fällen ein Lachen entlocken
können, schießen sie in diesem Abenteuer allerdings den Vogel ab, indem sie bei
der Anfahrt auf ein Wüstenstädtchen am Steuer ihres Jeeps einschlafen und der
führungslose Wagen mit den schnarchenden Polizisten darin erst über den
überfüllten Marktplatz rollt und dann die Wand einer Moschee durchbricht – sehr
zum Entsetzen der betenden Moslems. Hier erweist Hergé einmal mehr sein Gespür
für den leicht skurrilen Humor, den wir auch aus zahlreichen anderen Tim und
Struppi-Abenteuern kennen. In dieser Hinsicht bekannt geworden ist auch das
Bild von Schulze und Schultze mit langen türkisfarbenen Bärten und Haaren, aus
deren Mündern blaue Seifenblasen aufsteigen. Der Schabernack des verzogenen,
kleinen Abdallah, wirkt aus heutiger Perspektive eher etwas langweilig, hat
aber dennoch einen gewissen Charme und dürfte gerade bei Kindern gut ankommen.
Letztlich dient diese Figur aber auch zur Charakterisierung des leicht debilen
Emirs, der seinen Sohn permanent als „kleines Täubchen“ bezeichnet und ihn über
die Massen verwöhnt, obwohl er ein wahrer Satansbraten ist, der sogar den
Erzbösewicht Müller zur Weißglut treibt und am Ende sogar unbeabsichtigt dessen
Festnahme bewirkt.
Fazit:
Im Reiche des schwarzen Goldes ist ein in zweifacher
Hinsicht empfehlenswerter Klassiker: er ist eine wahre Freude für den
„Comic-Archäologen“, der sich mit der Veröffentlichungsgeschichte eines Comics
auseinandersetzt und gerne deren Entwicklung im Spiegel der Zeit untersucht. Er
ist aber auch einfach ein weiteres grafisches Juwel aus der Feder von Hergé,
dessen Kauf sich in diesem Fall besonders lohnt, auch wenn man die
Standard-Ausgabe bereits besitzt.

Tim und Struppi Farbfaksimile 14: Im Reiche des schwarzen Goldes
Autor der Besprechung:
Armin Hofmann
Verlag:
Carlsen
Preis:
€ 17,90
ISBN 10:
3551738459
ISBN 13:
978-3551738455
64 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

- große inhaltliche und grafische Unterschiede zur bekannten Version
- Spiegel der Zeit
- bestechende, klassische Abenteuergeschichte


Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
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Rezension vom: | 08.06.2011 | ||||||
Kategorie: | Tim und Struppi | ||||||
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