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Comic-Besprechung - Pandämonium
Geschichten:Pandämonium
Autor: Christophe Bec
Zeichner: Stefano Raffaele
Colorist: Marie-Paule Alluard
Story:
Im Sommer 1951 gelangt die junge Doris Greathouse gemeinsam mit ihrer Tochter Cora in das Waverly Hills Sanatorium. Dieses Sanatorium ist darauf spezialisiert, Tuberkulosekranke zu behandeln. Doris selbst wurde hier einst von der Tuberkulose geheilt. Nun aber bestätigt sich ihr schlimmer Verdacht: Cora hat TB. Da Doris die Kosten nicht bezahlen kann, wird sie für den Dauer des Aufenthalts ihrer Tochter im Sanatorium als Krankenschwester arbeiten. Bald fallen ihr einige merkwürdige Begebenheiten auf. Die Ärzte scheinen es mit der Ethik und mit den Gesetzen nicht allzu genau zu nehmen. Doch das ist nicht die einzige Sorge für die beiden Frauen. Aufgrund der hohen Anzahl der gestorbenen TBC-Kranken in den 1930ern haben sich Rückstände gehalten. So behauptet Cora immer fester und eindringlicher, dass es in dem weitläufigen Gebäude spukt.
Meinung:
Vielschreiber Christophe Bec (u.a. Absolute Zero, Bunker, Prometheus, Heiligtum, Finsternis) hat mit Pandämonium einen Mysterythriller geschaffen, der auf wahren Tatsachen beruht. Das Waverly Hills Sanatorium gab es wirklich. Beziehungsweise gibt es noch. Allerdings ist es schon seit 1962 stillgelegt.
Wahrscheinlich sind die dubiosen Geschäftspraktiken der Leitung möglich und die hohe Sterblichkeitsrate wahr. Wobei letzteres nicht den Ärzten und dem anderen Personal anzulasten ist, sondern einfach der Krankheit TBC an sich. Aber aufgrund der vielen Todesfälle und der unheimlichen Atmosphäre des Gebäudes gilt das Sanatorium heute als eines der am meisten von Geistern heimgesuchten Gebäude der Welt. Die moderne Legende besagt, dass in dem Gebäude 63.000 Menschen starben. Andere, seriösere Quellen, besagen, dass in den 50 Jahren der Nutzung als Sanatorium etwa 8.212 Menschen dort an TBC starben.
Auch der sogenannte Todestunnel regte die Fantasie an. Ursprünglich für die Versorgung gedacht, wurde er zunehmend dazu benutzt, die Leichen fort zu schaffen, um den Patienten den Anblick zu ersparen. Die hohe Sterblichkeit, der Todestunnel und die unheimliche Atmosphäre des Gebäudes hat schon seit Jahrzehnten die Fantasie der Menschen angeregt. Dazu dürfte beigetragen haben, dass es in den späteren Jahren auch als Nervenheilanstalt gedient hatte. Dazu gehört auch ein bestimmter Raum, nämlich Zimmer 502, in dem es nach dem Selbstmord einer Krankenschwester spuken soll. Wer das Gebäude übrigens mal "in real" sehen will, sollte sich den Film Death Tunnel aus dem Jahre 2005 ansehen, der in dem Sanatorium gedreht worden ist. Der Horrorfilm gehört zwar nicht zu den Glanzlichtern des Genres, besticht aber durch die Atmosphäre und das Setting. Auch inhaltlich geht es um die Vergangenheit des Gebäudes.
Alle diese bekannten unheimlichen Elemente, von denen die meisten wohl zu den urbanen Legenden gezählt werden müssen, kommen in dem Band Pandämonium von Christphe Bec vor. Ihn jetzt aber auf eine reine Horrorerzählung zu reduzieren, reicht aber nicht aus. Natürlich ist es eine klassische Spukhauserzählung. Aber gleichzeitig ist es auch ein Krimi, um eine skrupellose Geschäftsleitung. Und ein Mutter-Kind-Drama, da die Tochter lebensgefährlich erkrankt ist. Und es ist gleichzeitig eine schockierende Studie über unethische medizinische Praktiken und Experimente.
Dabei schafft es Bec, dass der Band nicht überfrachtet wird, denn alles findet Platz in dem Gemäuer und gliedert sich gut in die Handlung ein. Wenn zwei Personen in einem solchen Haus leben, so bekommen sie eben aus unterschiedlichen Perspektiven alle Aspekte mit. Nicht nur in dieser Hinsicht ist der Band hervorragend. Auch denjenigen, die mit der Geschichte des Waverly Hills Sanatorium etwas vertraut sind, dürfte es hier gruseln. Der Band ist spannend, emotional, schockierend und vor allem wirkungsvoll in Szene gesetzt. Die Gruselelemente lassen durchaus eine Gänsehaut entstehen. Geschickt hat der Zeichner Stefano Raffaele die Seiten so aufgeteilt, dass der Schock fast immer nach dem Umblättern der Seiten kommt und so der Leser nicht schon vorher seine Augen auf die Enthüllung schweifen lassen kann. Die Geister sind wirkungsvoll grauenerregend gestaltet. Fast jedes Panel nimmt eine neue Perspektive ein und dadurch wird ein großes Tempo und eine Dynamik hergestellt.
Die barbarischen medizinischen Methoden und die Skrupellosigkeit der Ärzte ist schockierend und treibt dem Leser die Tränen in die Augen. Man möchte bei manchen Szenen gerne die Augen abwenden. Und das ist kein fiktionaler Horror, sondern manche der Methoden wurden wirklich praktiziert (vor allem diejenigen in der Psychiatrie). Und wer bislang glaubte, dass grausame medizinische Praktiken nur im Mittelalter angesiedelt sein könnten, der irrt sich gewaltig. Schließlich spielt der Band in den 1950ern. Es liegt also noch gar nicht so lange zurück.
Leider hat der Band auch einige Schwachpunkte. Bislang spricht alles für einen Klassiker. Nur sind die Schurken sehr eindimensional gestaltet. In ihrer Profitgier und der Verfolgung eigennütziger Ziele vergessen sie alle professionelle Ethik und kennen keinerlei Skrupel. Aber nicht nur charakterlich sind sie eindimensional, sondern auch zeichnerisch erkennt man die Schurken sofort. Hier hätte man etwas differenzierter vorgehen können. Auch werden manche Nebenstränge der Handlung vergessen und einige Nebenfiguren irgendwann nicht weiter verfolgt. Was geschieht etwa mit dem alten George oder mit dem Freund von Cora?
Trotz einiger kleiner Schwachpunkte ist der Band aber sehr gelungen und es läuft hier einem nicht nur kalt den Rücken herunter, sondern man muss auch gegen Ende mal eine Träne wegdrücken. Und somit liegt hier ein seltener Band vor, der auch einen schon lange nach dem Zuschlagen noch beschäftigt. Und das ist schon recht selten geworden und wiegt die Schwachpunkte locker auf.
Fazit:
Trotz einiger kleiner struktureller Schwächen und eindimensionalen Schurken ein spannender, emotionaler, schockierender und wirkungsvoll in Szene gesetzter Band. Bec liefert einen auf wahren Tatsachen basierenden Mix aus Horror, Spuk, Krimi, Drama und Kritik an medizinischen Methoden. Da läuft es dem Leser ein um das andere Mal kalt den Rücken herunter und man möchte stellenweise gar eine Träne wegdrücken. Dieser Band wird keinen kaltlassen und noch einige Zeit nach dem Lesern beschäftigen.
Pandämonium
Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann
Verlag:
Egmont Comic Collection
Preis:
€ 39,99
ISBN 10:
3770435443
ISBN 13:
978-3-7704-3544-9
160 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- aufwühlend mit nachhaltiger Wirkung
- gelungener Mix aus Horror, Krimi, Drama und Medizinkritik
- Spiel mit Tatsachen und Legenden
- eindrucksvolle Zeichnungen
- eindimensionale Schurken, sowohl charakterlich als auch graphisch
- manche Nebenstränge und Figuren werden vergessen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
(5 Stimmen) | ||
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Rezension vom: | 17.05.2012 | ||||||
Kategorie: | One Shots | ||||||
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