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Comic-Besprechung - Die Sputnik-Jahre

Geschichten:

Die Sputnik-Jahre
Autor
/ Zeichner: Baru, Colorist: Daniel Ledran



Story:
1957 in Lothringen. Die kleine Industriestadt Sainte Claire gliedert sich in die "von oben" und die "da unten". Dann gibt es noch eine dritte Partei, die etwas wohlhabender ist und deren Siedlung hinter einer Müllkippe beginnt. Die Kinder und Jugendlichen der Stadt haben sich in Banden zusammengeschlossen, deren größter Zeitvertreib es ist, die anderen Banden und deren Mitglieder zu bekämpfen. Der junge Igor fordert schließlich seinen Gruppenanführer heraus, um dessen Platz einzunehmen. Da kommt ihm aber auch eine zarte Liebe zu der jungen Leila, einer Algerierin, dazwischen. Denn die große Politik bestimmt auch das Leben der Kleinen und so hat der Sputnik-Erfolg der UDSSR und die sozialen Spannungen in Frankreich zu der Zeit auch einen prägenden Einfluss auf das Leben der Kinder.

Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:

Vor einigen Jahren, zehn um genau zu sein, kamen Die Sputnik-Jahre von Baru schon einmal auf den deutschen Markt. Damals brachte der Carlsen Verlag die Abenteuer des jungen Igor heraus. Die einzelnen Kapitel sind damals als einzelne Alben erschienen. Der Reprodukt Verlag bringt den Band hingegen nun komplett und abgeschlossen hinaus.

Der 1947 geborene Baru gehört zu den großen Zeichnern des Comics, obwohl sein Name wohl immer noch nicht in der breiten Öffentlichkeit präsent ist. Aber allein seine unverwechselbare Darstellung von Dynamik katapultiert ihn quasi in den Zeichnerolymp. Baru verzichtet fast komplett auf Speedlines, und wenn sie vorkommen, dann nur minimal, um die Bewegungsrichtung anzuzeigen. Alle Dynamik, die in seinen Bänden permanent vorhanden ist, drückt er allein schon mit der Körperhaltung und der Mimik seiner Protagonisten aus. Das erzählerische Tempo wird durch die vielen Perspektivenwechsel errungen. Und so wirken seine Bände viel dynamischer als so mancher Manga mit exzessivem Gebrauch von Speedlines. Und das, obwohl Baru keine Actioncomics macht, sondern immer auch soziologische und gesellschaftskritische Themen behandelt.

Dabei liefert er mit Die Sputnik-Jahre nur scheinbar kein soziologisches Buch ab. Auf den ersten Blick scheint die Erzählung einfach eine Kindheitsgeschichte zu sein. Wobei der zweite Blick durchaus politische und soziale Implikationen erlaubt. Denn der historische Hintergrund gibt natürlich Anlaß zu Spekulationen. 1957 war der Kalte Krieg auf seinem Höhepunkt und das Wettrüsten und der Wettlauf um die Sterne zwischen Westen und Osten war auf seinem Höhepunkt. Assoziationen an den Kalten Krieg werden dann auch in diesem Band sehr oft geweckt oder zumindest doch an Klassenkämpfe mitsamt ihren Absurditäten. So leben die Kinder unbewusst das nach, was sie noch nicht verstehen (können). Der unlogische Kampf gegen die Kinder und Jugendlichen aus der "Unterstadt", der eigentlich gar keinen Grund hat, wird anscheind als Selbstzweck geführt. Die Maschinerie entwickelt eine Eigendynamik, ähnlich wie der Kalte Krieg. Auch die Kinder rüsten auf und suchen immer wieder neue Mittel und Wege die anderen zu besiegen. Und der Wettlauf zu den Sternen wird dadurch deutlich gemacht, dass unter dem Einfluß des Satelliten Sputnik Igor und seine Freunde versuchen, die Rakete aus Tim und Struppi nachzubauen. Dieses ist vielleicht der deutlichste Moment, in dem die Wirklichkeit die Kinder beeinflusst. Gegen Ende erkennen auch die Kinder, dass ihre Spiele doch viel mehr mit der Wirklichkeit, oder besser: mit der Welt der Erwachsenen zu tun hat, als sie selber dachten. Denn die sozialen Konflikte machen natürlich nicht vor ihrer kleinen Stadt Halt und Rassismus und Streiks und Klassenkämpfe kommen nicht immer friedlich vor.

Ohne irgendeine Form von Nostalgie zu erwecken, entsteht hier ein schöner, spannender, lustiger, bewegender Band der eine Hymne auf die Freundschaft und auf die zarte erste Liebe ist, die sich nicht um Grenzen schert. Trotz aller sozialen Bedrückung gelingt es Baru, einen unbeschwerten Tonfall zu erhalten (im Gegensatz zu einigen anderen seiner Bände). Manchmal werden hier sogar Erinnerungen an Der Herr der Fliegen wach, aber auch an den Film Powerplay in dem zwei alte Kalte Krieger ihren persönlichen Zwist bis fast an den Rand des nächsten Weltkrieges führen und gegen Ende, wenn alles abgewendet worden ist, sich mit Schneebällen bewerfen. Insofern gelingt es Baru auf hervorragende Art und Weise, die große Politik auf die kleinste Ebene zu hieven und dennoch ohne alle Polemik eine wunderschöne Geschichte zu liefern.



Fazit:
Ein weiteres Meisterwerk von Baru, dem wohl besten Gestalter von Dynamik. Vordergründig ein etwas wehmütiger Blick auf eine Kindheit in den 1950ern Jahren, stellt man auf dem zweiten Blick doch fest, dass Baru nicht auf seine soziologischen und kritischen Motive verzichtet. Denn was die Kinder spielen, machen die großen Staatsmänner der damaligen Zeit nicht anders. Hervorragend.

Die Sputnik-Jahre - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Die Sputnik-Jahre

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Reprodukt

Preis:
€ 29

ISBN 10:
3943143104

ISBN 13:
978-3943143102

208 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Dynamik
  • Bewegend, spannend, lustig
  • politische Implikationen
  • Wahnsinn der Politik am Beispiel von Kindern dargestellt
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(2 Stimmen)
Bewertung
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Rezension vom: 18.07.2012
Kategorie: One Shots
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