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Comic-Besprechung - Grandville - Mon Amour

Geschichten:
Grandville - Mon Amour
Autor / Zeichner / Colorist: Bryan Talbot


Story:
Inspektor LeBrock hängt in einer Depression fest. Er trauert um seine Geliebte und kann erst dann aus seiner Lethargie gerissen werden, als der Serienmörder Mastock aus dem Gefängnis entflieht. Zu seinem größten Erstaunen wird LeBrock die Ermittlung entzogen. Also beschließt er auf eigene Faust und mit einem einzigen Verbündeten, den Mörder zu fassen. Doch dazu muss er nicht nur in das feindlich gesinnte Frankreich reisen, sondern findet sich auch in einer umfassenden Verschwörung wieder.

Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:
Schon der erste Teil Grandville erregte einges Aufsehen. Völlig zu recht. Und auch die Fortsetzung Grandville mon Amour ist einfach hervorragend und dürfte nicht nur Steampunkfans in Verzückung versetzen.  Dabei ist der Untertitel Retro-Utopie schön gelungen. Denn die Steampunkelemente sind etwas abgeändert. So kommen Science-Fiction-Elemente gar nicht vor. Stattdessen wird eine historische Geschichte erzählt, die es so nicht gab. Napoleon hat hier die Schlacht bei Waterloo gewonnen und England wurde aufgrund der Niederlage zu einer Republik, welche sich aber gegen die Besatzer aus Frankreich auflehnten. Nach einem erbitterten Guerillakrieg ist England nun unabhängig und kämpft noch mit den Folgen seiner Geschichte. Und dieses führt direkt zu der hier erzählten Story.

Die kann sich wirklich sehen und lesen lassen. Hier stimmt nämlich alles. Es gibt persönliches Drama, denn der Held leidet an den Folgen des ersten Teils der Story und muss erst wieder aufgerüttelt werden. Schön ist, dass sich Autor und Zeichner Bryan Talbot hier jedem Klischee verweigert, denn die Verwundungen verhindern letztendlich die emotionale Erlösung. Als Leser reicht allein schon dieser Punkt aus, um auf den dritten Teil äußerst gespannt zu sein, da man wissen will, ob sich zwei Personen über ihren Schatten hinaus bewegen können. Aber es gibt auch eine spannende und actionreiche Serienkillerstory, welche düster und dynamisch ist und auch Krimifans ansprechen dürften. Zwar ist der Täter von vornherein klar, aber er muss ja dennoch gefasst werden und vor allem liegen seine Motive komplett im Dunkeln. Diese Jagd beeinflusst nicht nur die zart aufkeimende Romanze, deswegen „mon amour“ im Untertitel, und versieht sie mit Hindernissen, sondern führt auch zu einer politischen Verschwörung. Es ist erstaunlich, beeindruckend und sehr gelungen, wie sich die ganzen inhaltlichen Elemente miteinander verbinden und ein harmonisches Ganzes ergeben ohne jemals überladen zu wirken. Man hat eine ausgereifte und ausgeklügelte Dramaturgie vor sich, welche kurzweilige Unterhaltung bietet.

Und doch ist die Geschichte höchst politisch. Denn der gute Subtext macht nicht nur deutlich, dass viele jetzige Terroristen Freiheitskämpfer und spätere Staatsmänner sind. Man siehe nur David Ben Gurion. Der galt bei den Engländern als Terrorist, bei den Siedlern als Freiheitskämpfer und wurde schließlich der erste Staatspräsident des Staates Israel. Oder etwa Jassir Arafat. Und viele, viele andere. Aber in Grandville werden auch die   psychischen Folgen des Terrorismus aufgegriffen und nahtlos in die Story eingewoben. Es wird weder eine spannende aber platte Geschichte erzählt, noch politisch doziert, stattdessen sind wirklich alle Themen nahtlos zusammengeschweißt und somit extrem beispielhaft.

Das Talbot noch viele literarische und comichistorische Anspielungen eingearbeitet hat, erhöht den Reiz. Nicht nur erinnern die Widerstandskämpfer etwas an die IRA, der britische Premier an Winston Churchill und einer der Morde an eine Erzählung von Edgar Allen Poe, sondern es treten als Gaststars einige andere Comichelden auf. So sitzt etwa eine berühmte Ente im Gefängnis. Auch darüber hinaus sind die graphischen Elemente sehr gut. So ist etwa die Panel- und Seitenaufteilung beispielhaft und zeigt, wie man schon mit der Anordnung Spannung und Dynamik erzeugt. Etwa wenn nach dem Seitenumblättern ein graphischer Effekt kommt, der nicht erwartet wurde. So kann ein Bild schocken und aufrütteln. Auch die graphische Äquivalenz von Zooms erzeugt  Spannung. Nicht nur zeigt dieser wie die Figuren psychisch aufgerüttelt sind und suggeriert dem Leser Tempo. Er versetzt den Leser zudem direkt in die Handlung, da eine Ich-Perspektive suggeriert wird. Zudem ist es beeindruckend, wie es Talbot versteht seinen antropomorphen Tieren Emotionen in die Gesichter zu zaubern ohne, wie sonst fast immer, auf Übertreibungen zurückgreifen zu müssen. Sicher, die kommen auch hier vor, aber oft reicht ein durch die Kolorierung hervorgerufenes Glitzern in den Augen, um die Traurigkeit deutlich zu machen. Und ja, der weibliche Dachs ist so extrem sexy ausgefallen, das Billie Starstatus erlangen könnte. Zugreifen, hier liegt ein kleines Meisterwerk vor.


Fazit:
Hervorragend. Spannend, dramatisch, intelligent, romantisch, actionreich und hoch politisch. Dieser Retro-Steampunk hat es in sich und kann auf jeder Ebene überzeugen. Vor allem die graphische Gestaltung ist ein meisterhaftes Beispiel für Emotionserzeugung und für die Erweckung von Dynamik. Und ein möglicher neuer
erotischer Comicstar mag hier leuchten.

Grandville - Mon Amour - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Grandville - Mon Amour

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Schreiber und Leser

Preis:
€ 24,80

ISBN 10:
3943808033

ISBN 13:
978-3-9438-0803-2

104 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • sehr gute graphische Gestaltung
  • thematisch dichte und überzeugende Story
  • Gute Emotionsgestaltung bei Tieren
  • Spannung, Drama, Politik, Action
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(1 Stimme)
Bewertung
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Rezension vom: 30.01.2013
Kategorie: One Shots
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