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Comic-Besprechung - Hinter den Sieben Burgen

Geschichten:
Hinter den Sieben Burgen
Autor und Zeichner: Alexander von Knorre


Der Berliner jaja Verlag, bekannt für kleine, oftmals in Handarbeit hergestellte Druckerzeugnisse, hat seine erste Graphic Novel veröffentlicht. Der Autor Alexander von Knorre berichtet darin über seinen Zivildient in einem rumänischen Dorf. Zivildienst? Ja 2002, als von Knorre in Südeuropa unterwegs war, gab es diese Form der Zwangsverpflichtung noch. Rumänien war noch nicht in der EU, Fördergelder flossen folglich nur spärlich und kamen dann größtenteils von gemeinnützigen oder privaten Vereinen. In diese Welt stürzt sich von Knorre nach einer langen Zug- und Busfahrt. Der Autor beginnt seinen autobiografischen Bericht mit der Ankunft im fernen Siebenbürgen. Die Mitfahrer im Bus lauschen zu "Dragostea din tei" von O-Zone und bis auf die recht holprige Fahrweise des Busses deutet noch nicht viel auf eine vollkommen andere Landschaft und Lebensweise hin. Doch bereits auf den nachfolgenden Seiten wird schnell klar, dass der Zivi hier im sogenannten Armenhaus von Europa gelandet ist. Von Knorre zeichnet betrunkene Männer, die am Straßenrand liegen, verwahrloste Kinder im Heim, überforderte und sich ständig selbtbemitleidende Erzieher und viele andere Sachen, die für den verwöhnten Westeuropäer kaum vorstellbar sind. Dabei wirkt es jedoch zu keinem Zeitpunkt wie ein moralischer Fingerzeig auf die EU, dass sie solche Zustände in ihren Grenzen nicht effektiv bekämpft. Die Erzählweise des Autors ist eher distanzierter Art. Selbst beim Thema Kinderheim wird nur selten die persönliche Meinung ins Spiel gebracht. Der Leser ist folglich dazu aufgerufen, sich selber Gedanken über die geschilderten Erlebnisse zu machen und daraus seine Schlussfolgerungen zu ziehen. Diese unverbindliche Art der Berichterstattung verpasst dem Werk eine gewisse Leichtigkeit, die es wohlwollend von anderen, zum Teil journalistisch geprägten Graphic Novels abhebt. Dazu verwendet von Knorre relativ wenig Off-Text. Es gibt somit keine ausschweifenden Infos über die rumänische Vergangenheit oder über das dortige Sozialsystem. Stattdessen erfolgt eine auf den Handlungsort fokussierte Schilderung des Zivildienstes. Und wo der einzige Telefonanschluss ein paar Kilometer weit entfernt liegt, da spielt die nationale Politik nur eine ganz untergeordnete Rolle. Dieser Fakt wurde vom Autor gut herausgearbeitet, indem er die einfachen Menschen des Dorfes in den Mittelpunkt rückt. Er gibt ihnen Namen, bezieht sie über weite Strecken in die Handlung mit ein und erzeugt dadurch ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl, das der Story mehr Gewicht verleiht.

Von Knorres Erzählung ist in zahlreiche kurze Storys unterteilt, die oftmals nicht in Verbindung zueinander stehen und zahlreiche Anekdoten enthalten. Man kann sich als Leser regelrecht vorstellen wie dem Autor hin und wieder Erlebnisse aus dem rumänischen Dorf eingefallen sind und er diese zu Papier gebracht hat. Ganz nach dem Motto "Und einmal da waren wir ...". Diese lose Struktur vereinfacht das Leseverhalten, denn die Graphic Novel eignet sich dazu, immer mal wieder hineinzuschauen, das ein oder andere Kapitel zu lesen und dann wieder zu pausieren. Natürlich fällt dies angesichts der lockeren und unterhaltsamen Erzählweise schwer, denn der Leser ist geneigt das Buch quasi an einen Stück zu lesen, doch auch in diesem Fall wird man unweigerlich ein zweites oder drittes Mal bestimmte Kapitel herausgreifen. Und genau dieser Fakt wird durch die kaum vorhandene persönliche Meinung des Autors erzeugt, wodurch der Leser regelrecht gezwungen wird, bestimmte Szenen selber einzuschätzen. Sind die überdrehten Kids im Kinderheim nun unerzogen oder nur das Ergebnis fehlender Fürsorge? Oder ist der allgegenwertige Alkoholkonsum eher der dörflichen Einöde oder der substanziellen Verzweiflung geschuldet? "Hinter den Sieben Burgen" wirft Fragen auf, die es bewusst nicht selbst beantwortet. Von Knorre zwingt indirekt zur selbstständigen Meinungsbildung über eine Thematik, die gerne schnell von der Tagesordnung gestrichen wird.

Grafisch arbeitet der Künstler mit wenigen großformatigen Panels pro Kapitel. Farben fließen nur sehr dezent ein, einiges wirkt grob skizziert, aber das Gesamtprodukt überzeugt dennoch. Auch wenn viele Seiten recht Weiß gehalten sind und noch viel Platz vorhanden ist, so entsteht nie der Eindruck, dass bei einer Geschichte ein Detail fehlt. Der Künstler nimmt sich folglich dem ihn gebotenen Platz ohne diesen dann bis zum Blattrand vollkommen auszunutzen. Dies passt wiederum sehr gut zum bereits erwähnten lockeren Inhalt, so dass Seitenaufriss und Inhalt gut harmonisieren. Doch von Knorre kann auch anders. Seine Darstellungen der siebenbürgischen Landschaft, die oftmals eine ganze Seite bedecken und von absoluter Ruhe geprägt sind, ziehen den Betrachter in ihren Bann und halten ihn für weitere Kapitel fest gefangen.

Von Knorres Erlebnisbericht als Zivi im tiefsten Rumänien überzeugt somit vollkommen. Die unvoreingenommene Betrachtungsweise des Autors wird sofort auf den Leser übertragen, der die glücklichen und traurigen Momente dieser Reise intensiv miterlebt. Die erzählerische Leichtigkeit zieht sich durch die gesamte Graphic Novel und wird auch visuell umgesetzt, wodurch sich ein überzeugendes Gesamtprodukt ergibt, das beim Leser sofort Interesse für das ihm unbekannte rumänische Dorf und für die Lebensweise der dortigen Bevölkerung weckt. Zugreifen!

Hinter den Sieben Burgen - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Hinter den Sieben Burgen

Autor der Besprechung:
Christian Recklies

Verlag:
jaja Verlag

Preis:
€ 20,00

ISBN 13:
978-3-943417-23-4

168 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • unvoreingenommene Erzählweise
  • lokaler Schwerpunkt, ohne Weltpolitik
  • passendes Querformat
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
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Rezension vom: 17.04.2013
Kategorie: One Shot
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