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Comic-Besprechung - Der Anfang vom Ende

Geschichten:
Julius Corentin Acquefacques, Volume 4 – Le Début de la fin
Autor/Zeichner:
Marc-Antoine Mathieu



Story:
Julius Corentin Acquefacques beginnt einen Tag, der von allerlei Merkwürdigkeiten geprägt ist. Beim Rasieren bekommt seine glatte Haut Stoppeln, er geht rückwärts voran und begrüßt die Menschen mit einem „Auf Wiedersehen“. Irgendwie scheint er am falschen Ort zu sein. Und tatsächlich erlebt sein Spiegelbild ein ähnliches Abenteuer nur ist es diesmal alles um ihn herum, was scheinbar verkehrt herum läuft. Wieder einmal muss er sich auf die Ergründung dieses neuen Phänomens konzentrieren, wobei ihn sein Weg nicht nur zu einer umstülpenden Erfahrung bei einem Arzt führt, sondern auch in ein Spiegelkabinett, welches in ins Negative führt.


Meinung:
Um der Korrektheit die Ehre zu geben, der vollständige Titel lautet Julius Corentin Acquefacques, Gefangener der Träume – Der Anfang vom Ende (beziehungsweise) Das Ende vom Anfang. Ungewohnt sperrig, passt es dennoch in die Welt, die Marc-Antoine Mathieu seit dem Album Der Ursprung hier erschaffen hat. Wer Kafka mag, wird Mathieus Werk lieben. Aber auch alle anderen werden damit ihre Freude haben, da der Künstler das Medium Comic nutzt, um mit ihm zu experimentieren.

In Der Ursprung realisierte die Hauptfigur, dass sie Teil eines Comics ist und folgerichtig gestaltete sich alles weitere im Sinne der Logik der Panele und Seitenaufteilungen. Inklusive Zeitreisen durch Löcher in den Seiten, die mal in die Zukunft, mal in die Vergangenheit des Comics wiesen. In Der Wirbel war es dann tatsächlich eine in den Comic eingefasste Spirale, die Julius Corentin Acqufacques im Comic von einer Seite zur nächsten transportierte. Unnötig zu sagen, dass das jeweilige Thema sich auch in der Handlung niederschlug.

Marc-Antoine Mathieu verdiente sich seine Sporen in der Ecole des Beaux-Arts d'Anger. Recht früh nach Beginn seiner Comic-Karriere machte er sich daran die Geschichten seines Angestellten im Ministerium für Humor zu erschaffen, die bisher fünf Bände umfassen. Daneben erschuf er so bekannte Alben, wie Gott höchstselbst oder 3 Sekunden, die alle anspruchsvolle Unterhaltung darstellen. Überhaupt kreiiert Mathieu Comics mit Köpfchen, bei denen er sich mit dem Medium ebenso auseinandersetzt, wie mit bestimmten Anschauungen. Durch seine Einbindung in funktionierende Geschichten kommt dies nicht als trockene Lehrstunde daher, sondern wie auch im Falle der Erzählungen um Julius Corentin Acquefacques höchst unterhaltsam und lesevergnüglich. Selbstredend wurde er für seine Bemühungen mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, darunter unter anderem der Prix de l'École supérieure de l'image

Die Abenteuer von Julius Corentin Acquefacques spielen sämtlichst in einer überfüllten und technokratischen Beamtenwelt, die nicht nur der Vorstellungswelt von Kafka entlehnt sein könnte, sondern mit ihren unterschiedlichen Ministerien (zum Beispiel dem Ministerium für Humor, in dem die Hauptfigur tätig ist) auch Erinnerungen an George Orwells 1984 erweckt oder an Terry Gilliams Kinofilm Brazil. Dabei muss sich Julius Corentin Acquefacques nicht nur mit den Merkwürdigkeiten seiner Welt auseinandersetzen - darunter Verkehrsverbindungen auf einem mehr als kuriosen Schienennetz oder Wohnungen in betriebsbereiten Aufzugschächten - sondern auch mit der Logik des Comics, die sein Dasein erheblich bestimmt. In Band 1 wurde er sich, wie bereits erwähnt, bewusst eine Comicfigur zu sein und nun in Band 4 erlebt er so etwas, wie die negative Seite seines Lebens. Für ihn läuft einiges seltsam, weil er in einer Spiegelwelt gefangen ist, einem Traum seiner selbst, der eigentlich seinem farblich negativen Gegenbild gehört. Und auch umgekehrt befindet sich sein Gegenstück in seiner „realen“ Welt und muss einen Weg zurück finden. Konsequenterweise heißt der Band Das Ende vom Anfang, wenn man ihn von hinten zu lesen beginnt.

Die Optik ist, wie bereits die Vorgängerbände, von kräftigen Schwarz/Weiss-Kontrasten bestimmt. Die Welt in der Julius Corentin Acquefacques seine Abenteuer besteht kennt keine Farben und ist allein durch die vermeintliche Ordnung dieser beiden Farben bestimmt. Der starke Gegensatz dient Mathieu in Der Anfang vom Ende dazu, genau mit dieser Polarität zu spielen und sie in ihr Gegenteil zu verkehren. So wird die Hauptfigur mitten in der Geschichte einfach ins Negative umgestülpt, da sie sich in einer Spiegelwelt befindet. Gestreng der Logik des Comic entwickelt sich so die Geschichte weiter, bis auch dieser sich quasi umstülpen muss und ab der Hälfte verkehrt herum gespiegelt wird.

Hier freilich verschwendet der Autor und Zeichner eine Möglichkeit mit dem Medium zu spielen. Ab der Hälfte lohnt es sich nämlich nicht mehr den Comic konventionell zu lesen, sondern man muss ihn jetzt von hinten erneut beginnen. Spannender wäre es vielleicht gewesen, die Spiegelung weiter auszunutzen und die Geschichte umgekehrt weiter zu spinnen. Natürlich eine erhebliche Herausforderung, wenn plötzlich alles Kopf steht, aber Mathieu hat in seinen Alben seinen Erfindungsreichtum und seine Findigkeit bereits mehrfach unter Beweis gestellt. Auf der anderen Seite ist es fast egal, von welcher Seite man den Band beginnt. Am Ende (wenn es denn so etwas hier gibt) fügt sich alles wieder.

Die Veröffentlichung bei Reprodukt ist nicht die erste in Deutschland zuvor hatte sich bereits der Carlsen Verlag der Reihe angenommen und sie in den Neunzigern unter anderem in der Carlsen Lux-Reihe herausgebracht. Wer aber nicht Antiquariate durchstöbern möchte oder nach eventuell teuren Ausgaben im Netz fahnden möchte, kann bei Reprodukt zumindest schnell fündig werden. Und den fünften Band der Reihe gibt es ohnehin nur bei diesem Verlag.


Fazit:
Erneut beweist Marc-Antoine Mathieu seine Kunstfertigkeit, wenn er mit den Instrumenten des Comic so seine Spiele treibt. Im Gegensatz zu einigen seiner anderen Alben kommt der Effekt diesmal etwas gewöhnlich daher, war man zuvor doch weitaus kreativere Herangehensweisen gewohnt. Nichtsdestotrotz weiß auch Der Anfang vom Ende wieder zu unterhalten und vermag einen zum Nachdenken über die Konventionen des Mediums zu bringen.


Der Anfang vom Ende - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Der Anfang vom Ende

Autor der Besprechung:
Alexander Smolan

Verlag:
Reprodukt

Preis:
€ 12,00

ISBN 13:
9-783843-143324

52 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • unterhaltsames Spiel mit dem Medium
  • pfiffige Herangehensweise
Negativ aufgefallen
  • im Vergleich zu Vorgängern fast zu konventionell
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 31.05.2013
Kategorie: Alben
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