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Comic-Besprechung - Carlos Gardel

Geschichten:
Carlos Gardel

Autor: Carlos Sampayo
Zeichner: Jose Munoz


Story:
Am 24. Juni 1935 starb bei einem Flugzeugabsturz einer der größten Stars der Musikwelt: Carlos Gardel. Bereits zu seinen Lebzeiten erschuf der argentinische Sänger einen Mythos um sich herum und verkörperte in gewissem Sinne die Nation. Doch über den Mann ist so gut wie nichts bekannt. Wer ist die Person hinter der Stimme?



Meinung:
Carlos Gardel  ist keine Comicbiographie wie man sie wahrscheinlich erwartet hätte. Jedenfalls wird nicht den individuellen Spuren nachgegangen und die historischen Daten abgeklappert. Ebenso wenig wie es eine psychologische Deutung und Interpretation des Charakters gibt. Was einigermaßen schade ist, da Biographien immer auch Aufschlüsse über das Land, die Zeit in welcher die Person lebte und die Gesellschaft geben. Schließlich ist eine individuelle Biographie nie von den historisch-sozialen Umständen zu trennen und gibt so immer auch darüber und über die Einflüsse auf den Künstler Aufschluss.

Aber leider nicht hier. Vor allem weil über den Sänger Carlos Gardel eigentlich nichts bekannt ist. Schon zu Lebzeiten hatte er immer ein Geheimnis um sich gemacht und schon selber an seiner Legende gestrickt. Entweder erzählte er gar nichts oder erfundenes. Er webte einen Schleier um sich herum und verkörperte so sehr ein Image, das die eigentliche Person schon fast verschwand. So kann man von den renommierten Comickünstlern Jose Munoz und Carlos Sampayo keine Recherchen erwarten. Was sie auch nicht wollten, denn sie hatten eher den Anspruch, ein Werk über Identität zu machen. Sei es nun die individuelle oder die kollektive eines Landes. Indem mehrere Menschen über Gardel sprechen, wollen Munoz und Sampayo die Eigenarten und die Identität der Argentinier feststellen. Wie es schon fast zu erwarten ist, scheitern sie damit. Denn wenn man schon Probleme hat sich selber oder jemand anderes komplett zu verstehen, also Individuen an sich schon schwer zu greifen sind, wie kann man dann ein Volk verstehen, was es an sich nicht gibt, sondern nur aus der Verdichtung verschiedener Individuen besteht?

Was bleibt dann also gerade von einer so ungreifbaren Person wie Carlos Gardel? Die Stimme. Und eine solche ist ebenso schwer zu fassen, sie ist flüchtig wie Luft und wenn man sie nicht aufnimmt und konserviert, so ist diese das erste, was von einem Menschen verschwindet. Bei kürzlich verstorbenen kann man sich an die Gestik, die Art zu laufen, den Geruch, etc.  erinnern. Aber das erste, was man wohl vergessen wird, ist die Stimme. Erst wenn man eine Ähnliche wieder hört, kommt einem die Person in den Sinn. Ansonsten ist sie in der Luft verschwunden.

Die Graphic Novel schafft es, die Flüchtigkeit und Unfasslichkeit wiederzugeben, indem sie den Gesamtcharakter einer Stimme auf die Figur und die Nation überträgt. So wird auch deutlich, das Stars und die „Nation“ manchmal nichts anderes als Projektionsflächen sind, in denen man sich und andere übertragen kann und somit etwas erschafft, was jeden individuellen Wunsch erfüllen kann. Ein Star ist dann eine leere Leinwand, auf die man seine eigenen Wünsche, Träume, Sehnsüchte aber auch negativen Emotionen übertragen kann. Und Gardel ist eine solch leere Leinwand, was er selber wollte, damit er von allen geliebt werden konnte, da er dann für jeden, ohne störenden Einfluss, etwas ganz persönliches bedeuten konnte.

Leider ist diese Nicht-Biographie insofern unbefriedigend, da es keine Antworten gibt. Man kann nur wieder selber etwas projizieren, aber alles andere, der Protagonist, das Land, dessen Geschichte und dessen Einwohner bleiben genauso schemenhaft wie zu Beginn. So ist man am Ende so schlau wie zuvor und enttäuscht.
Aber auch der Strich ist interessant und alles verdeutlicht die Flüchtigkeit und das fließende, wobei die Figuren manchmal schwer zu unterscheiden sind. Die Verfremdungseffekte sind auch deutlich und machen alles fratzenhaft, was etwas schwer einzuordnen ist. Was soll damit gemeint sein? Das die Musik und die Stimme eine fremde Welt entwirft, ein Zauberland, in dem nichts so ist wie in der Realität? Wahrscheinlich. Aber auch dieser stilistische Aspekt ist schwer zu greifen. Insofern passt das wieder hervorragend zu dem gesamten Charakter des Bandes.

Fazit:
Da es sich hier nicht um eine Biographie handelt, ist die Graphic Novel etwas unbefriedigend. Es geht um die Frage nach Identitäten und auch wenn alles recht faszinierend zu lesen ist, so ist man am Ende so schlau wie zuvor und kommt sich etwas betrogen vor.

Carlos Gardel - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Carlos Gardel

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Reprodukt

Preis:
€ 20

ISBN 10:
3943143082

ISBN 13:
978-3943143089

128 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • interessanter Ansatz
  • Flüchtigkeitscharakter einer Stimme geschildert
  • Star als Projektionsfläche
Negativ aufgefallen
  • keine Aufklärung über Person
  • enttäuschendes Ergebnis
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
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Rezension vom: 24.08.2013
Kategorie: One Shots
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