Optionen und weiterführende Links



In der Datenbank befinden sich derzeit 18.297 Rezensionen. Alle Rezensionen anzeigen...

Comic-Besprechung - Reportagen

Geschichten:
„Reportagen“
Autor und Zeichner:
Joe Sacco 

Frage: Was macht ein Comicjournalist, wenn er nicht gerade für ein neues Werk in der Welt unterwegs ist?
Antwort: Er nimmt Aufträge von Zeitungen und Zeitschriften an und berichtet in deren Auftrag über die Zustände in ausgewählten Ländern.
Joe Sacco hat folglich in den letzten Jahren sehr viel gesehen. Die Berichte, die daraus resultieren, wurden nun von der Edition Moderne in einem Sammelband mit dem einfachen Titel "Reportagen" abgedruckt. Angefangen Ende der 90iger Jahre bei den Prozessen gegen serbische Kriegsverbrecher bis hin zu der Flüchtlingsproblematik auf Mali bewegt sich Sacco auf teils bekannte, teils weitgehend unbekannte Schauplätze. Bei allen Berichten setzt er den Fokus wieder auf die betroffenen Menschen. Er berichtet nicht über die Opfer, sondern sie geben selbst Auskunft. Der Unterschied hierbei liegt darin, dass Saccos Berichte zuweilen emotional aufgeladen sind. Sie sind keine kalten Reportagen über Elend und Willkür. Es sind Zeitzeugenberichte, die nur ein Journalist wiedergeben kann, der nah dran war an der Quelle, das Letzte aus seinem Interviewpartner herausgeholt hat und ihn dabei sicherlich auch mal auf die Füße getreten hat, wenn eine Aussage etwas verfälscht zu sein schien.

Derartig intensiv arbeitet sich Sacco bei den ersten beiden Kapiteln nicht ein. In Den Haag und Palästina greift sich der Autor wichtige Momente heraus, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Demzufolge sind diese Berichte auch recht kurz gehalten.
Umfangreicher und mehr auf die einzelnen Personen gerichtet, werden die Geschehnisse im Kaukasus und in Indien behandelt.
Bei erstgenannten wird auf zahlreichen Seiten die lange krisengebeutelte Geschichte der Region mit der Folge, der Vertreibung der angestammten Bevölkerung durch die russischen Streitkräfte geschildert. Der Journalist besucht die heimatlos-gewordenen Familien in den Flüchtlingslagern und lässt sie, äußerst detailliert, zu Wort kommen, wodurch der Leser einen direkten und ungeschwärzten Blick auf das Drama am Rande von Europa bekommt. Hierbei erklärt Sacco wieder einmal sehr ansehnlich und klar nachvollziehbar den geschichtlichen Ablauf der zahlreichen Konflikte. Als Leser würde man sich gerne mehr zum Thema wünschen, ähnelt die Darstellung und die Arbeitsweise doch sehr den Berichten aus Gaza und Palästina.
In Indien nimmt sich der Autor das Kastenwesen vor und besucht die Mitglieder der untersten Kaste. Mit schockierenden Berichten und Darstellungen wird das Leben der "Unberührbaren" aufgezeigt, was viele hierzulande kaum bekannte Fakten offenbart und sehenswert darstellt, wie gefangen das Land in dieser Schubladendenkweise ist.

Etwas ungewohnt für Saccos Berichte, ist der Besuch im Irak. Während der Journalist bislang größtenteils die Schicksale der verarmten und vertriebenen Bevölkerung schilderte, berichtet er nun über die US Army. Dafür besuchte er ein Ausbildungslager für die irakische Armee. Der Leser bekommt auf zahlreichen Seiten den Drill der irakischen Sicherheitskräfte durch die amerikanischen Soldaten zu sehen, was nach einigen Situationen dann doch etwas langatmig erscheint. Erst als Sacco ins Gespräch mit den Irakern kommt, gestaltet sich dieser Teil wirklich interessant.

So gesehen enthält dieser Band eine Vielzahl unterschiedlicher Reportagen mit stellenweise stark kontroversen Ansätzen. Der Autor geht die Konflikte von verschiedenen Positionen an und versucht dadurch den Blickwinkel von mehreren Parteien verständlich einzustellen. Für den Leser ergibt dies einen guten Überblick über die tatsächlichen Ereignisse und über die handelnden Personen. natürlich kommen in einer derartigen Sammlung einige Berichte zu kurz, dennoch werden hier Informationen preisgegeben, die auch in ihrer Kürze inhaltsschwerer sind, als so mancher TV- oder Zeitungsbericht.

Bleibt Sacco bei den Reportagen seinem Stil im wesentlichen treu, sieht es auf der grafischen Seite hingegen schon etwas anders aus. Zwar arbeitet der Künstler weiterhin mit seinem detailreichen äußerst realitätsnahen Strich, dennoch ist gerade der Seitenaufriss und das Lettering auf die ursprüngliche Veröffentlichungsform abgestimmt. Dadurch bekommt der Leser hier des Öfteren Comics in Übergröße geboten, wodurch der Band gedreht werden muss. Auch finden, für Sacco eher untypische, farbige Zeichnungen ihren Abdruck. Diese wirken sehr bunt und ungewohnt.
Aufgrund der Reproduktion der teilweise ursprünglich für das Zeitungsformat produzierten Berichte, ist das Lettering stellenweise arg klein geraten oder zum inneren Seitenrand gerückt, was das Lesen hier etwas erschwert. Trotz dieser für eine nachträgliche Zusammenstellung externer Berichte typischen Kritikpunkte, bekommt der Leser optisch vorrangig die gewohnten Sacco-Grafiken geboten, was diesen Band dementsprechend sehenswert gestaltet.

Somit dürfte auch "Reportagen" seinen Weg in die Bücherregale der politisch und sozial interessierten Leserschaft finden. Sind die abgedruckten Storys zuweilen recht knapp gehalten, so werden dennoch wieder zahlreiche intensive Erlebnisse und Situationen geschildert, wie es nur ein Joe Sacco wiedergeben kann. Etwas störend sind die Abschnitte, wo das Format der Vorlagen nicht auf das Buchformat reproduziert werden konnte, was zum Querlesen und zu kleinem Lettering führt. Dennoch ist der Abdruck der fremdproduzierten Berichte in einem Band aufgrund der thematischen Vielfalt überaus gerechtfertigt. Und mit Storys über den Kaukasus oder Indien dient diese Graphic Novel als wunderbarer Appetizer für zukünftige oder zurückliegende Reportagen.


Reportagen - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Reportagen

Autor der Besprechung:
Christian Recklies

Verlag:
Edition Moderne

Preis:
€ 24,00

ISBN 13:
978-3-03731-107-3

192 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Berichterstattung aus Bereichen, die von den Massenmedien ignoriert werden
  • nah dran an den betroffenen Menschen
  • gewohnt detailreiche Zeichnungen
Negativ aufgefallen
  • einige der reproduzierten Seiten passen nicht ins Format
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
Keine Bewertung vorhanden
Bewertung
Du kannst diesen Comic hier benoten.

Persönlichen Bookmark setzen für diese Seite
Diese Seite als Bookmark bei Blinklist hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei del.icio.us hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Digg hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Fark hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Furl hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Google Bookmarks hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Mister Wong hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei myYahoo hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Netscape hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Newsvine hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Reddit hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei StumbleUpon hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Technorati hinzufügen   Diese Seite als Bookmark bei Yigg hinzufügen  
Oder diesen Dienst benutzen: Social Bookmark Button

Rezension vom: 15.11.2013
Kategorie: One Shots
«« Die vorhergehende Rezension
Noragami 4
Die nächste Rezension »»
Fables 18: Stadt der Werwölfe
Leseprobe
Zu diesem Titel liegt derzeit keine Leseprobe vor. Sie sind Mitarbeiter des Verlags und daran interessiert uns für diesen Titel eine Leseprobe zu schicken? Dann klicken Sie hier...
Das sagen unsere Leser
Zu diesem Titel existieren noch keine Rezensionen unserer Leser.


?>