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Comic-Besprechung - Iris de Floris (Softcover)
Geschichten:Iris de Floris (Softcover)
Autor: Renato Colombo
Zeichner: Marco Boselli
Kolorierung: Enrico Clerico (Teil 1) und Erika Previtali (Teil 2)
Übersetzerin: Malgorzata Ligenza
Story:
Im Turin des ausgehenden 19. Jahrhunderts geschieht ein Mord in der High Society. Nachdem recht schnell ein gesellschaftlich passender Sündenbock in Form des Stallburschen Pietro Intragna gefunden worden ist, werden die weiteren Ermittlungen des Inspektors Altieri vom Staatsanwalt selbst behindert, sodass ersterer nicht recht weiter kommt. Mehr durch Zufall macht er die Bekanntschaft der Hauptfigur dieses Bandes, der blinden jungen Frau Iris de Floris, die ihm erst ein Geständnis des wahren Täters verschafft, und dann mit ihm zusammen die Hintergründe einer weit größeren Verschwörung aufdeckt, die bis in höchste Kreise reicht.
Meinung:
Das italienische Autorenpaar liefert hier einen Krimi-Zweiteiler nach einer (für uns) gewohnten Tatort-Variante, bei der der Täter bekannt ist, und man dem Ermittler auf die Finger sehen kann. Die Spannung liegt hierbei darin, dass neben dem eigentlichen Kriminalfall (der ziemlich profan ist) durch die Ermittlungen selbst weitere Ereignisse in Gang gesetzt werden und Straftaten geschehen, die die Ermittlungen erst so recht ankurbeln — zumal hierdurch eine Verschwörung aufgedeckt wird, die eigentlich nur indirekt mit dem Fall zu tun hat, und auf die der Ermittler eher zufällig trifft. Das Ganze ist in einem Stil erzählt, der mich stark an Comics aus den 50er- und 60er-Jahren erinnert, wie zum Beispiel von dem Argentinier Oesterheld („Mort Cinder”), ohne das es hier auch nur annähernd so futuristisch und innovativ zuginge. Im Gegenteil erinnert die Handlung eher an zeitgenössische Gesellschaftsromane, als Themen problematisiert wurden, die heute absolut nicht mehr als solche betrachtet werden würden. So sind die geschilderten Party-Exzesse — die im Übrigen stark an Stanley Kubricks Film „Eyes wide shut” mit Tom Cruise und seiner damalige Frau Nicole Kidman erinnern — sicherlich bizarr, aber heute genauso sicher keine Straftat mehr. Und auch die geschilderten gesellschaftlichen Verhärtungen, Vorurteile und Ungerechtigkeiten sind sehr stark in der damaligen Zeit verankert. Den Leser erwartet somit eher ein Sittengemälde der verstockten Bourgeoisie und des Adeltums des 19. Jahrhunderts, als eine moderne Erzählung — was dann aber durchaus konsequent, aber leider auch ein bisschen hölzern in der Erzählweise, dargestellt wird. Dabei bleiben die Figuren konturlos und ohne Hintergrund. Wir erfahren leider wenig bis gar nichts über Iris de Floris und ihre seltsamen Fähigkeiten, und selbst der Inspektor bleibt (bis auf seine vorhersehbare Verliebtheit in die Heldin) einigermaßen blutleer.
Dem schließen sich die Zeichnungen an, sie wirken teilweise ein wenig ungelenk, dann wieder scheint es, dass die Tuschelinien durch die Kolorierung überdeckt werden, wodurch die Konturen der Figuren und Gebäude etwas unscharf werden. Bei manchen Gebäude- oder Landschaftsdarstellungen hatte ich auch das Gefühl, dass Fotos als Grundlage dienten, die dann überarbeitet wurden (wie es zum Beispiel der Franzose Christophe Beq gelegentlich tut), was aber insgesamt nicht wirklich gut gelungen ist (aber auch allgemein selten zum Ziel führt). Offensichtlich wurde die Kolorierung im zweiten Band an eine andere Person übergeben, was aber vom Ergebnis her keinen Unterschied ausmacht. In vielen Panels überwiegt zudem die Verwendung einer dunkelschwarzen Schattierung, die es ermöglicht, auf Hintergründe zu verzichten — was andererseits durch immer wieder vorhandene Panels mit dem Versuch einer stärkeren Detaillierung konterkariert wird. Das wirkt insgesamt etwas unausgewogen.
Zuerst hatte Marco Boselli offensichtlich einen etwas anderen Stil, zum Beispiel in der Westernserie „Than Dai”, wie eine kurze Internetrecherche ergab. Doch nachdem er in Italien bereits seit zehn Jahren mit dem Autor Ruvo Giovacca in der Heftreihe „Il Morto” („Der Tod”) an Kurzgeschichten zusammenarbeitet, scheint dieser neue, düstere Stil wohl eine bewusste Wahl zu sein. Die beiden Autoren sind in Deutschland bisher unbekannt, arbeiten in Italien aber bereits länger zusammen im Bereich der „Fumetti”, wie die Comics dort genannt werden.
Leider häufen sich in diesem Band auch die Übersetzungsfehler bzw. Satz- und Grammatikfehler, was die Lektüre ein wenig verleidet. Das Lektorat hat hier ein bisschen geschlampt.
Alles in allem ein durchwachsenes Ergebnis, das mich nicht richtig überzeugt hat.
Das Buch erscheint als Soft- und Hardcover, jeweils als Print-on-Demand bei Amazon gedruckt und mit einem Cover in einer Art Samt-Haptik.
Erhältlich im Buch- und Fachhandel, bei Amazon, oder direkt beim Verlag: www.margravio-editor.com
Fazit:
Insgesamt ein Krimi -Zweiteiler mit durchwachsenem Erfolg: die Handlung spielt im ausgehenden 19. Jahrhundert und bedient sich auch der damaligen Wertvorstellungen und Inhalte, was das Buch eher zu einem Sittengemälde macht. Die Zeichnungen passen sich im Stil einer etwas „historischen” Darstellungsweise an, und erinnern dadurch stark an Werke aus den 50er- und 60er-Jahren — was allerdings auch keinen echten Bezug zum Inhalt hat, der ja auf noch weiter zurückliegende Zeiten verweist. Als Momentaufnahme der Turiner Gesellschaft durchaus interessant, aber mit zeichnerischen und erzählerischen Schwächen. Kann man aber durchaus mal reinschauen.
Iris de Floris (Softcover)
Autor der Besprechung:
Uwe Roth
Verlag:
Margravio Editor
Preis:
€ 18,50
ISBN 10:
3910932037
ISBN 13:
978-3910932036
118 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- Ein interessantes Sittengemälde des 19. Jahrhunderts.
- Etwas stocksteife Zeichnungen im 50er-Jahre Stil.
- Leider sehr blutleere Charaktere.
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
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Rezension vom: | 11.08.2024 | ||||||
Kategorie: | Alben | ||||||
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