Comic-Besprechung - Deep It

Geschichten:

Deep It

Autor und Zeichner: Marc-Antoine Mathieu

Übersetzerin: Hanna Reininger

Story:

Die KI Nummer 18514, genannt Adam, zieht weiter ihre Bahn in den Meeren einer zerstörten Erde. Wach- und Schlafphasen wechseln sich ab, und Adam versucht weiterhin, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen, und lernt dabei auch mehr über sich selbst.

Meinung:

Weiter geht es in der Konzeptserie von Marc-Antoine Mathieu um die Selbstfindung einer KI, die selbst nicht so recht weiß, wer oder was sie ist, und was ihre Aufgabe sein soll. Doch so langsam sieht sie klarer, und mit ihr auch der Leser. Weiterhin kann man über dieses neue Experiment des Autors geteilter Meinung sein: Ist es nicht ein bisschen einfach, von einer grafischen Sichtweise aus betrachtet, dass eine ganze Reihe von Panels, ja sogar ganze Seiten leer sind? Eben, um uns zu zeigen, dass „Adam” nicht bei Bewusstsein ist, und das Zeit vergeht. Aber ist dieser Trick nicht ein wenig billig? Oder ist er genial? Eines aber ist gewiss: diese Herangehensweise ist zumindest originell, und man bekommt hier eine gute Geschichte, die diesmal halt nicht auf tollen grafischen Exkursen basiert, sondern für sich steht und einfach nur erzählt werden will. Und zwar vor dem Hintergrund eines formeltechnischen Experiments, sozusagen, das aber trotzdem durchaus auch seine grafischen Höhepunkte hat. Das wird, wie gesagt, die Meinungen spalten, doch ich sehe hier mehr den positiven Aspekt: Die Geschichte zündet. Und das ist wichtig. Dass Mathieu zeichnen kann, hat er bereits bewiesen, dass er formal strukturierte Geschichten beherrscht, auch (siehe hierfür „Otto”, „Richtungen” oder „3 Sekunden”, in denen er Zeitlupentechnik und Formalaspekte bis zum Exzess ausgereizt hat). Ein bisschen Schade ist vielleicht, dass trotz eines anderen Eindrucks, den das Cover erwecken kann, die strikte Trennung in ein „schwarzes” (Deep Me) und ein „weißes” Buch (Deep It) nicht wirklich umgesetzt wurde — der Geschichte geschuldet aber auch nicht so leicht umgesetzt werden konnte. Anders gesagt: auch im neuen Teil der Geschichte sind viele Seiten dunkel. Da hatte ich etwas mehr Kreativität erwartet und bin durchaus ein bisschen enttäuscht, doch offensichtlich hat sich Mathieu für eine pragmatische Herangehensweise entschieden: die Story muss erzählt werden. So weit, so gut.

Ohne allzu viel zum Inhalt verraten zu wollen, kann man jedoch verraten, dass auch in diesem Band wieder ein bisschen was zu entdecken ist über die Hintergründe der Geschichte, dass Adam erneut etwas mehr lernt über sich selbst und seine Mission, und es gibt durchaus eine interessante Offenbarung über die KI selbst. Reicht das für einen kompletten Comicband? Auch hier werden sich die Lager teilen; ich denke, man sollte vor allem mit einer positiven Grundeinstellung an dieses Werk gehen, ihm eine Chance geben, dann kann man gut unterhalten werden. Es kann aber auch schief gehen, das muss man ganz offen ansprechen. Ich persönlich würde aber zu diesem Experiment raten. Lesen Sie weiter!

Band eins endete sehr offen, eine Fortsetzung wurde zwar nicht angekündigt, drängte sich aber geradezu auf. Auch dieser zweite Band endet ähnlich, selbst formal, also von den Zeichnungen her, und wieder ist die Geschichte nicht wirklich zu Ende erzählt — oder wenn doch, dann mit einem offenen Ende, das der Fantasie sehr viel Raum lässt. Deshalb denke ich, dass es noch weiter gehen wird, vielleicht diesmal in einer zentralen Farbe? Ich bin gespannt auf diesen möglichen Band drei.

Fazit:

Die Fortsetzung der Konzeptserie, die mit „Deep Me” begann, kann weiterhin überzeugen, wenn man bereit ist, sich auf dieses Experiment einzulassen. Inhaltlich vielleicht ein bisschen schwächer als der Vorgängerband, ist dies trotzdem wieder ein gelungner Band des französischen Avantgardekünstlers Marc-Antoine Mathieu, der es versteht, die Fans immer wieder zu überraschen. Ein Buch für Neugierige und Leser, die mal etwas anderes lesen wollen. Und natürlich für die Mathieu-Fans unter uns.

Deep It

Autor der Besprechung:
Uwe Roth

Verlag:
Reprodukt

Preis:
€ 24,00

ISBN 10:
3956404351

ISBN 13:
978-3956404351

120 Seiten