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Comic-Gebabbel 1: Sind Comics rassistisch?
Comics sind ein altes Medium, wenn man so will, kann man selbst auf ägyptischen Wandmalereien antike Comics erkennen. Ihr Alter bringt aber durchaus auch so seine Probleme mit sich. Denn was einst ein Comicautor geschrieben hat, muss heutzutage nicht unbedingt mehr politisch opportun sein. Doch muss man dann gleich von Rassismus sprechen? In den vergangenen Wochen sind gleich zwei Beispiele aufgetaucht, bei denen die Meisten erst einmal mit dem Kopf schütteln werden.

Tim und Struppi
Den Anfang machte im Grunde „Tim im Kongo“, ein Band aus der Serie „Tim und Struppi“. Denn dessen Ärger begann schon 2007, wenn auch jetzt neuer Ärger hinzukommen wird. Der Band aus der Comicserie, der hier zur Disposition steht, wurde in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschrieben. Damals wurde in den USA die Rassentrennung offen praktiziert. Fragte man beispielsweise in der Navy nach schwarzen Offizieren, dann waren diese gar nicht zu finden. Ein Grund übrigens, warum die Schwarzen 1941 den Angriff auf Pearl Harbor begrüßten, denn ein verhasstes System wurde gedemütigt. Es war aber vor allem eine Zeit, in der der Kolonialismus immernoch blühte, in der man der festen Überzeugung war, dass einzig und alleine die westliche Kultur die Richtige war. Gut, das ist durchaus auch heute noch der Fall, aber das würde hier zu weit führen. Jedenfalls wurden Schwarze damals noch Neger genannt und so ist es kein Wunder, dass in der ursprünglichen Version der Comicheld Tim eine Unterrichtsstunde bei den „Negerkindern“ hielt und ihnen etwas über die Kolonialmacht Belgien beibrachte. Die Eltern der Kinder konnten nur in Infinitiven sprechen.

Tims Schöpfer Hergé erkannte noch zu Lebzeiten, dass einige Textstellen des ursprünglichen Comics einige Jahre später nicht mehr politisch korrekt waren. Aus Neger wurden Schwarze, aus der Geschichtsstunde eine Mathestunde und die Erwachsenen durften sich auch ganz normal ausdrücken. Eigentlich hätten damit die größten Probleme beseitigt werden sollen. Ob denn nun diese Änderungen überhaupt notwendig gewesen wären, darüber könnte man sicher streiten. Aber wenn sie der Autor selbst vornimmt, sollte man sie vielleicht einfach als gegeben hinnehmen. Vor allen Dingen aber hätte kaum jemand geglaubt, dass dieser Comic als rassistisch dargestellt werden könnte.

Niemand außer Bienvenu Mbutu. Der Buchhalter, der aus dem Kongo stammt und in Belgien lebt, ist nicht gerade von dem Comicband angetan. Er findet den Comic rassistisch, sieht in ihm Vorurteile gegen den Kongo und seine Einwohner geschürt und vor allem die Schwarzen als dumm präsentiert. Bereits 2007 hatte er deswegen eine Klage in Belgien angestrengt, die sich gegen den Verlag Moulinsart wendete. Der sollte den Band aus dem Verkehr ziehen. Noch ist dort keine Entscheidung getroffen worden und dem Vernehmen nach soll es auch noch eine ganze Weile dauern, bis das passieren wird. Mbutu will aber sein Anliegen weiter voran bringen und so will er jetzt, laut einem Bericht der Tageszeitung „Le Parisien“ auch in Frankreich gegen die weitere Veröffentlichung des Comicbandes vorgehen.

Patrick Lozés hingegen ist auch Schwarzer, sieht die Sache differenzierter. Er ist der Präsident der Vereinigung der Schwarzen in Frankreich und denkt, dass das Problem alleine durch einen pädagogischen Begleittext im Band gelöst werden könne. Ein komplettes Verbot des Bandes hält er für unnötig.

Auch an anderer Stelle war man schon auf den Band aufmerksam geworden. In den USA, genauer in Brooklyn, einem Stadtteil von New York wurde in der Stadtbibliothek „Tim im Kongo“ nach Beschwerden durch Leser aus dem Regal genommen.

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Mecki
Zeitlich vor der Ankündigung von „Le Parisien“ lag eine Geschichte, die noch im August Kreise zog. Hauptdarsteller war diesmal Mecki, ein kleiner Igel, der in den 50er Jahren entstanden war. Ein Artikel von Stefan Pannor in der Frankfurter Rundschau schien da der Anlass gewesen zu sein, warum die Neuauflage von Mecki beim Esslinger Verlag für einige Tage nicht weiter ausgeliefert wurde.

Der hatte in seinem Artikel mit dem Titel „Zigeuner aus ‚Lausedonien’“ unter anderem geschrieben: „Als der Igel und seine Frau den Schurken Schofel verfolgen, gelangen sie in einen vor allem von Zigeunern bevölkerten Landstrich, "Lausedonien" genannt. "Hast du das Huhn gestohlen?", fragt Mecki einen zerlumpten Jungen. Das ist zwar nicht der Fall. Aber Ordnung muss schließlich sein.“

In der gedruckten Ausgabe war nun ausgerechnet Stefan Pannors Artikel mit einem Artikel über eine Wallfahrt kombiniert worden, die vor allem für Sinti und Roma wichtig war. Und so wurde von dieser Bevölkerungsgruppe eben auch der Mecki-Artikel gesehen und gelesen und dort vor allem der Begriff „Zigeuner“, der negativ belegt ist und meist eben für Sinti und Roma verwendet wird, im Zusammenhang mit Mecki entdeckt.

Der Zentralrat der deutschen Sinti und Roma schrieb daraufhin den Esslinger Verlag an. Zentrale Aussage in dem Brief: „Es ist nicht nachvollziehbar, daß die Werke der von den Nazis hochdekorierten Autoren heute noch unkommentiert nachgedruckt und als bunte Kinderbücher in Umlauf gebracht werden. Wie sollen wir von den Schulen verlangen, zur Humanität und zum Antirassismus zu erziehen, wenn wir zugleich erlaubten, dass in Büchern herabsetzende und entwürdigende Vorurteile über Sinti und Roma und Juden verbreitet werden.“ Man forderte den Verlag dazu auf die Nachdrucke vom Markt zu nehmen.

Der Esslinger Verlag nahm dieses Anschreiben ernst und nahm für kurze Zeit den ersten Mecki-Band aus dem Vertrieb. Dies wurde uns bei einer telefonischen Nachfrage von der Pressesprecherin des Verlags bestätigt. Zeit genug, um einen Beileger zu produzieren. Darin wird explizit darauf hingewiesen, dass die Mecki-Comics „ein zeithistorisches Reprintdokument“ sind, „das im Kontext der 50er Jahre zu verstehen ist und nicht in die Kategorie des modernen Kinderbuchs eingeordnet werden darf“. Die noch im Lager befindlichen Bände werden mit diesem Beileger ausgestattet und wieder in den Handel gegeben.

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Zeitlicher Kontext
Der Esslinger Verlag hat im Prinzip die richtigen Worte gefunden. Kein Werk sollte außerhalb seines zeithistorischen Kontextes gesehen werden. Wenn man sich heute so manchen Kinofilm von früher ansieht, können einem auch schon einmal die Haare zu Berge stehen, wenn zum Beispiel die Rolle der Frau als Heimchen am Herd gezeigt wird. Aber so waren nun einmal die Zeiten, es gab andere Ansichten, andere Werte. Sind heute Deportationen von ganzen Bevölkerungen geächtet, war die Versklavung von Schwarzen über viele Jahre nicht nur normal, sondern gesellschaftlich angesehen. Die Sklaven wurden unter menschenunwürdigen Bedingungen, zu Hunderten zusammengepfercht auf einer wochenlangen Reise über den Atlantik geschippert. Aus heutiger Sicht ist dies falsch gewesen, verachtenswürdig. Und doch wird man Bücher, die damals darüber berichtet haben und es als richtig dargestellt haben, doch nicht verbieten. Man wird sie immer im geschichtlichen Kontext sehen, als zeitgeschichtliches Dokument wahrnehmen. Warum kann dies also nicht auch bei Tim und Struppi oder Mecki funktionieren?

Ich habe das Gefühl, dass es in letzter Zeit viel zu häufig zu einer Schutzreaktion kommt, die aber insgesamt vollkommen überzogen ist. Etwas, was schwierig zu hinterfragen ist, wird gerne verboten. Dabei muss es doch eigentlich ganz anders erfolgen. Aufklärung und kritische Hinterfragung sind die Stichwörter, die zum richtigen Ergebnis führen, nämlich dem Verständnis für den Kontext. Man sollte meinen, dass die Menschen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, durch die so manches Werkt zerstört wurde.


Special vom: 18.09.2009
Autor dieses Specials: Bernd Glasstetter
Kategorie: Allgemein
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