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Das Ende des Comic-Zentrums in Frankfurt - Interview

fialadeayerbeDas Comic-Zentrum auf der Buchmesse in Frankfurt ist Geschichte (hier zur Meldung von vor wenigen Tagen). Wir haben mit Andrea Fiala, Leiterin DACH und internationales Kinderbuch bei der Frankfurter Buchmesse ein Interview über die Hintergründe geführt und versucht zu ergründen, wie es weiter gehen könnte.

Das Comiczentrum wird nach 15 Jahren die Pforten schließen. Was sind die primären Ursachen?

Das Medium Comic hat sich in den vergangenen 15 Jahren, in denen das Comic Zentrum existierte, stark gewandelt. Die Akzeptanz im Publikum ist enorm gewachsen, die Graphic Novel gewinnt – gerade auch im Buchhandel  – stark an Boden. Es gibt Comic-Romane, Comic-Biographien, Comic-Krimis usw. und auch große Literaturverlage wie z.B. Suhrkamp, publizieren jetzt Comics. Das Medium ist in der Literatur angekommen, da wo es auch hingehört. Das hat dazu geführt, dass das Thema sich langsam in alle Bereiche der Frankfurter Buchmesse ausgedehnt hat: so finden sich die wichtigen Graphic Novel Verlage Reprodukt und Avant in der Halle 4.1 bei der Kunst und Independent-Literatur – und das zu Recht, denn hier finden sie genau ihre Zielgruppe. Egmont, Carlsen und Panini haben ihre Messestände zum teil schon vor Jahren in den Kinderbuchbereich verlegt. Insofern mussten wir uns natürlich fragen, ob das Comiczentrum als solches noch einen Sinn ergibt oder ob wir das Thema nicht eher diversifizieren und in den verschiedenen Bereichen der Buchmesse gleichberechtigt zu anderer Literatur spielen sollen. Die Dezentralisierung des Comic-Themas auf verschiedene Hallen und Bühnen  bedeutet also eigentlich eher eine Spiegelung dessen, was auf dem Markt passiert.

Vor kurzem wurde bekannt, dass Panini keinen eigenen Stand mehr betreiben und in einem Hotel abseits der Buchmesse in Frankfurt seinen Geschäften nachgehen wird. Hatte diese Entscheidung auch einen Einfluss auf das Ende des Comiczentrums?

Die Entscheidung, das Comic Zentrum aufzugeben, fiel bereits, bevor wir von Paninis Absicht erfahren haben. Das war dann nur noch eine weitere Bestätigung unserer Sicht.

Ist das Ende des Comiczentrums auch das Ende für alle Veranstaltungen über Comics auf der Frankfurter Buchmesse?

Nein, keinesfalls. Wir wollen ja das Thema gleichberechtigt zu anderen Literaturveranstaltungen spielen. Und das klappt auch sehr gut, wie wir wissen. Schon in den letzten beiden Jahren fanden zum Beispiel im renommierten Paschen Literatursalon sehr erfolgreich Graphic-Novel-Vorstellungen statt. Wir haben in Frankfurt mehrere Bühnen und auch das Lesezelt, wo Comic-Veranstaltungen stattfinden können. Wenn von Seiten der Verlage genug Interesse da ist, könnten wir vielleicht auch einen ganzen Comic-Tag auf einer der Bühnen veranstalten. Dazu werden wir jetzt mit den Verlagen weiter sprechen. Wir planen auch Signiertische an einer der Bühnen, weil Comic-Fans natürlich ihre Lieblingszeichner sehen und von Ihnen eine Zeichnung haben wollen – das gehört für sie einfach dazu, eine Besonderheit dieses Mediums, der wir weiterhin Rechnung tragen wollen. Für die kleineren Verlage, die ja zum Teil nur Ein-Mann-Verlage sind und weder über die die finanzielle Kraft noch die personellen Ressourcen verfügen um auf der Messe einen Stand mieten zu können, wird es übrigens auch weiter einen Comic-Gemeinschaftsstand geben, damit sie auf der Messe präsent sein können. Das ist uns sehr wichtig, die Vielfalt der Verlagsszene macht ja überhaupt erst die Frankfurter Buchmesse aus.

Das Comiczentrum war ursprünglich nur für 2 oder 3 Jahre geplant, wurde aber letztendlich viel älter. Wieso hat man es damals weitergeführt und warum gelten die damaligen Argumente für das Comiczentrum nun nicht mehr?

Das Comic Zentrum hat in seiner ersten Zeit sofort sehr viel Zuspruch erfahren. Die Idee, dem Thema so viel Platz auf der Messe einzuräumen, hatte sich als goldrichtig erwiesen. Damals haben ja viele den Comic ja noch als Kinderliteratur gesehen und es war notwendig, die ganze Vielfalt und die Möglichkeiten dieses Mediums zu zeigen und den Comic als ernsthafte Literaturform auf der Buchmesse zu etablieren. Ich denke, das ist uns auch gelungen – und jetzt geht es eben darum, die Integration in die „normale“ Literatur zu vollziehen, das ist der nächste logische Schritt.

Das Thema Comic ist im Buchhandel in der Zwischenzeit sehr viel stärker vertreten. Die Leipziger Buchmesse hat das Thema sogar in eine eigene Messe ausgelagert. Geht hier die Frankfurter Buchmesse hier eher visionär voran oder ist es aufgrund dieser Entwicklungen nicht im Gegenteil die falsche Entscheidung das Comiczentrum zu schließen?

Im Buchhandel ist derzeit eher das Thema Graphic Novel vertreten und das liegt ja auch nahe. Das ist meist qualitativ gute Literatur in grafischer Form, aber eben für Erwachsene. Literaturinteressierte Erwachsene gehen tendenziell aber eher nicht ins Comic Zentrum, also präsentieren wir sie dort, wo dieses Publikum hingeht. Wir sehen die Entscheidung, die Graphic Novel und andere Comics als Literatur zu behandeln entsprechend als visionär, da sind wir Vorreiter. In Leipzig wurde dieses Jahr eine sehr schöne Convention auf der Buchmesse veranstaltet, aber das war vom Inhalt her eher eine Veranstaltung für Manga-Leser und Cosplayer, das läuft ähnlich wie bei uns in Frankfurt die Deutsche Cosplay Meisterschaft, der wir ja auch im Kongresszentrum breiten Raum geben. Da war eher Frankfurt der Vorreiter.

In wie weit hat sich das Comiczentrum der Frankfurter Buchmesse von zum Beispiel dem Comic-Salon in Erlangen unterschieden?

Die Frankfurter Buchmesse ist als Geschäftsmesse während der ersten drei Tage ausschließlich für das Fachpublikum geöffnet, und das soll sich auch nicht ändern. Verlagsmitarbeiter haben hier im Halbstundentakt Termine, kaufen und verkaufen Lizenzen, kurbeln neue Projekte an und suchen nach neuen Kontakten. Erst am Wochenende kommt dann das Lesepublikum auf die Messe, treffen Autoren und Fans aufeinander, gibt es Trubel in den und außerhalb der Hallen. Verkauft wird ebenfalls nur am Sonntag. Insofern ist die Frankfurter Buchmesse schon vom Charakter her komplett anders als die Veranstaltungen in Erlangen oder München.

Die Deutsche Cosplay Meisterschaft wird weiterhin auf der Buchmesse stattfinden. Was läuft hier anders und eventuell besser als im Comiczentrum?

Die DCM ist eine Veranstaltung für eine ganz bestimmte Zielgruppe die sich sehr klar definiert. Die Cosplay-Vereine, die das organisieren, stecken unheimlich viel Arbeit in die DCM, damit das klappt und machen das auch ganz großartig. Die haben den direkten Draht zu den Fans, weil ihre Mitglieder sich direkt aus der Szene rekrutieren. Das ist alles sehr authentisch und hat deswegen einen Riesenerfolg. Wir wollen die DCM unbedingt weiterhin unterstützen, weil wir diese engagierten jungen Manga-Leser an die Messe binden wollen. Hier sehen wir auch die Chance für Manga-Verlage, ihr Zielpublikum direkt zu erreichen.

Die DCM finanziert sich selbst, indem vor allem am Wochenende spezielle Merchandise-Stände rund um den Eingang zur Veranstaltungshalle aufgebaut wurden. Hätte man dieses Konzept auch auf das Comic-Zentrum ausweiten können? Oder wäre eine Zusammenlegung Comic-Zentrum und DCM denkbar gewesen?

Nein, die DCM finanziert sich nicht wirklich selbst. Wir bieten den Händlern die Tische sehr günstig an, weil sie zur Cosplay-Community einfach dazu gehören. Eine Zusammenlegung ist auch nicht im Interesse der Comicverlage gewesen (warum hier die Vergangenheitsform?): die DCM findet ja etwas abseits des eigentlichen Messegeschehens statt. Da ist auch nicht wirklich Platz für ein Zentrum. Und andererseits hat die DCM über 2.000 Besucher jährlich, so ein großes Zentrum können wir gar nicht in eine Messehalle bauen.

Gibt es eine Chance, dass nach einer Pause das Comiczentrum wiederkehren könnte? Welche Voraussetzungen müssten dafür geschaffen werden?

Für die Frankfurter Buchmesse stellt sich diese Frage ganz anders: wie präsentieren wir jetzt in den verschiedenen Hallen und Themenbereichen das Thema Comic? Wie gehen wir mit den Lizenzhändlern um, die in diesem Bereich eine große Rolle spielen? Wäre vielleicht auch ein internationaler Gemeinschaftsstand für Graphic Novel und Comics interessant, auf dem nicht nur deutsche Verlage präsentieren? Die Frankfurter Buchmesse ist eine Fachmesse und wir wollen das Thema Comic zunächst für Verlage und Händler interessant machen  – und erst dann für das breite Publikum. Da spielen auch die Märkte in Lateinamerika und Asien zukünftig eine große Rolle. Wie bringen wir hier den deutschen Content hinein? Wie lassen sich Kontakte knüpfen und Synergien schaffen? Das ist ein unheimlich spannendes Thema, das wir weiter verfolgen müssen und werden. Den deutschen Verlagen ist damit zukünftig vielleicht mehr geholfen als nur mit einer Veranstaltung für das Publikum am Wochenende. Aber das eine muss auch das andere nicht ausschließen. Jedenfalls denken wir mit Hochdruck darüber nach, wie wir den Verlagen aus dem In- und Ausland hier eine Plattform schaffen können. Das alte Comic-Zentrum war dafür nicht geeignet.

In der Vergangenheit gab es den Versuch das Zentrum mit einem Hotspot zu verbinden. Warum wurde diese Idee nicht wieder aufgegriffen?

Die Hot Spots der Frankfurter Buchmesse haben in erster Linie das Ziel, Innovationen gerade im Bereich der Digitalisierung zu präsentieren. Der Versuch, das mit dem Comicthema zusammen zu legen, hat sich 2012 als nicht besonders zielführend gezeigt, die Überschneidungen waren gering und es gab eher Verwirrung beim Publikum. Die Comicverlage waren auch nicht begeistert, also haben wir es gelassen.

Splashcomics bedankt sich ganz herzlich für die Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren. Es war eine schöne Zeit.

In eigener Sache: Derzeit ist eine Fortführung der Splashcomics-Berichterstattung sehr unklar. Das Budget für unser Büro war an das Comic-Zentrum gebunden und existiert daher nicht mehr. Wir müssen zum derzeitigen Stand davon ausgehen, dass wir zumindest in diesem Jahr nicht von der Buchmesse in Frankfurt berichten werden.



Special vom: 20.03.2014
Autor dieses Specials: Bernd Glasstetter
Kategorie: Allgemein
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Unser Leser peter schaaff schreibt dazu:Note: 1
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Sorry, da habe ich falsch geklickt: Eigentlich sollten es FÜNF Sterne für das gelungene Interviewe werden!
Schade um die Entscheidung der Frankfurter. Gerade die kleinen Verlage und Selfpublisher im Comics- Bereich werden darunter leiden - wie immer ...
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