Hallo Jamiri, vielen Dank, dass wir dieses Interview führen können.
Du bist nun seit einiger Zeit von Deiner Beate getrennt und hast diese Gesamtausgabe heraus gebracht. Ist diese Veröffentlichung sozusagen die ultimative Aufarbeitung und der ultimative Abschluss dieses Lebensabschnitts für Dich? Also im Prinzip die fünfte Phase nach Elisabeth Kübler-Ross: Die Akzeptanz?
Wenn Du so willst, ja. Das Publikum war ja auch immer verknallt in Beate, und ich hatte sie auch vorher gefragt, ob sie damit einverstanden wäre. War sie. Und so konnte ich diese lückenlose Chronik einer nach 25 Jahren gescheiterten Liebe als Buch machen.
Auf Facebook war ich einer Deiner Follower, die mit erleben konnten, wie Du in ein tiefes Loch gefallen bist. Du warst hier sehr ehrlich über Dein Innenleben. Warum dieser Weg all dies in der Öffentlichkeit zu durchleben?
Das durchlebte Leid gehört ursächlich zu einer authentischen Künstlerpersönlichkeit. Ich bin ja jetzt auch nicht der einzige mit einer gebrochenen Biographie. Außerdem zeige ich ja immer nur die Spitze des Eisbergs.
Ein Foto hat mich besonders beeindruckt: Als Du Dich auf Werkseinstellungen zurück gesetzt hast. Was für ein Moment war das für Dich in Deinem Leben?
Einmal nur gut noch aussehen, bevor das auch Geschichte ist. :-)
Du hast oft Bilder von Deiner neuen Wohnung gezeigt und wie Vieles noch sehr lange in Kisten herum lag. Du hattest lange Zeit keinen Arbeitstisch, der Computer war auf Kisten aufgebaut. Ein eher chaotisches Leben. Ich muss diese Frage stellen: Wie chaotisch war Dein Arbeitsplatz früher?
Fiese Frage, Bernd. Ich richte um mich herum immer Chaos an, ja. Es sieht aus wie Sau. Auch jetzt wieder. Du kannst Dir meine Arbeitsplätze immer ungefähr so vorstellen wie den von Dennis Nedry in Jurassic Park.
Deine Eltern spielen inzwischen eine große Rolle für Dich und sind auch Teil Deiner neuen Arbeiten. Wie wichtig sind sie für Dich?
Ohne meine Eltern müsste ich ja die Bürde meiner ärgerlichen Verfleischlichung gar nicht tragen. Keine Ahnung, was sie sich dabei gedacht haben. Hab sie aber lieb.
Kommen wir zur Gesamtausgabe: Es gibt ein paar Comics, bei denen ich wirklich überzeugt bin, dass sie so geschehen sind. Zum Beispiel „Schach mit Beate“ oder „Titten“. Liege ich da richtig? Und welche sind noch real so oder ungefähr so passiert?
Ich kann im Rückblick kaum selbst noch unterscheiden, was wirklich so passiert ist oder wo ich zugedichtet habe. Verdichtete Wahrheit, würd ich sagen.
Gerade bei Dir selbst hat man immer mal wieder den Eindruck einer Autobiografie. Wenn man sich zum Beispiel anschaut, wie Du kritisch über Dein Verhalten auf Facebook erzählst, dann sieht man Parallelen zu dem, was Du real auf Facebook schreibst. Wie viel vom echten Jamiri steckt in den Büchern drin?
Komplett alles. Mehr hab ich nicht drauf.
Du wälzt gerne theoretische Konstrukte wie Schrödingers Katze in Deinen Comics. Oder die Phasen nach Elisabeth Kübler-Ross oder sogar noch viel kompliziertere Theoreme. Sind das Dinge, mit denen Du Dich wirklich beschäftigt hast? Oder bist Du im Internet darüber gestolpert und hast sie Dir dann zu eigen gemacht?
Das sind Konstrukte und Leute, die mich wirklich umtreiben. Kurt Gödel, Benoit Mandelbrot, Carl Friedrich Gauss, Nassim Nicolas Taleb, Karl Popper usw. usf. Das hat in Comics eigentlich nichts zu suchen, klar. Ich mach es trotzdem.
Ein paar Rückfragen zu einzelnen Seiten: Seite 74: Hast Du bei diesem Comic Ärger mit der Polizei bekommen?
Nein, null.
Seite 75: WAS steht da unter den Balken? Oder anders gefragt: Was steht für Dich darunter?
Ein Balken ist ein Balken.
Seite 86, Space Jamiri Episode XI: Hat die Ausrüstung die Frage zum Schluss eigentlich ausgehalten?
Ich lag ein Jahr in der Klinik.
Dein Zeichenstil hat einiges an Änderungen hinter sich. Früher warst Du cartoonesker, inzwischen sehr realistisch. Beschreibe doch mal, wie Du früher gearbeitet hast und wie sich dies nach und nach durch die Einführung von Computern verändert hat.
Ein Stil entwickelt sich. Analog beherrschte ja damals alle Techniken aus dem FF. Mit dem Einzug des Digitalen aber musste ich vieles neu lernen. Und bis heute lerne ich. Vielleicht hätte ich beim Analogen bleiben sollen. Aber nun ist es so geworden.
Wenn Du zurück blickst: Welcher Zeichenstil von Dir selbst hat Dir am Besten gefallen und welcher am Wenigsten?
Bis heute gilt für mich, jedes meiner Bilderzeugnisse ist schrecklich angreifbar. Besonders von mir selbst. Man lernt, damit zu eben.
Nehmen wir einmal an, Du könntest zurück gehen in der Zeit. Würdest Du etwas ändern?
Ja. Ich hätte meinen Eltern von Geschlechtsverkehr abgeraten.
Ukraine, Covid-19, die Welt ist voller Krisen. Du hast auf Facebook neulich davon geschrieben, wie Deine Mutter den Luftschutzbunker Deines Elternhauses wieder gerichtet hat. Sind das Dinge, die Du zukünftig in Deine Comics einbauen wirst? Oder versuchst Du diesen Aspekt der Realität dort auszublenden?
Aspekte der Realität ein- und auszublenden, das gehört zum Job des Gagschreibers. Ich ziehe aber auch gewisse Grenzen.
Ich danke Dir für Deine Zeit. Und ich würde sehr gerne mal ein Live-Interview mit Dir machen. |