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Der Erbe von Cthulhu und Kirby - Hellboy
Über den passenden Charakter stolpert Mignola eher zufällig: Auf Conventions zeichnet er "dieses klobige, verrückte Monster", fügt es versuchsweise zu seinen Ideen, verpasst ihm einen Namen, den er zunächst komisch, dann dämlich findet und Hellboy ist geboren.

Hellboy ist ein dankbarer Charakter, der allen Vorlieben Mignolas entgegenkommt: Selbst wenn sein Held allein im Raum steht, gibt es mindestens ein Monster zu zeichnen. Und auch inhaltlich kann Mignola sich mit Hellboy alle Wünsche erfüllen. Einen Superhelden gegen das Übernatürliche kann er ebenso in ein lovecraftianisches Horrorepos werfen, wie in kurze Adaptionen von Legenden, Mythen und Volksmärchen aus aller Welt oder eine viktorianische Geistergeschichte.

Bereits das vorliegende erste große Hellboy-Abenteuer macht die unterschiedlichen Einflüsse deutlich, die Mignola zu einem Mystery-Horror-Fantasy-Krimi-Gemisch vereinigt.

Das gottähnliche Tentakelmonster Sadu-Hem, das seit den Anfängen der Erde im ewigen Eis schlummert und darauf wartet, erweckt zu werden und seine alte Macht wieder auszuüben oder seine außerirdischen Herren, die Ogdru-Jahad, verweisen auf den Cthulhu-Mythos des amerikanischen Autors H. P. Lovecraft. Konkret wohl auf dessen Erzählung At the Mountains of Madness (1931). Auch das dem Untergang geweihten Herrenhaus, in dessen Gewölben Hellboy und seine Kollegen Sadu-Hem schließlich besiegen, weist unverkennbare Züge der Gothic Novel auf und steht E. A. Poes House of Usher wohl in nichts nach.

Neben Schauermärchen sind es in hohem Maße auch die Pulp-Hefte und Horrorfilme der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und Comic-Stories, insbesondere eines Jack Kirby, die sich aus Hellboy herausfiltern lassen.

Der an sarkastischen Sprüchen niemals arme und muskelbepackte Hellboy selbst verweist ebenso auf die Hard-Boiled-Detectives des amerikanischen Krimis wie auf Comic-Superhelden vom Schlage eines Ben (The Thing) Grimm.

In diesem Kontext muss auch Hellboys Geburtsstunde Erwähnung finden, die auf den deutschen Leser befremdlich wirkt. Geheimbündlerische Zirkel wahnsinniger Wissenschaftler, Ragnarök-Maschinen und schließlich okkulte Zeremonien an keltischen Kultstätten mit dem Ziel der Heraufbeschwörung böser Urmächte - und all dies unter der Flagge des untergehenden Nationalsozialismus? Mit der bitteren Realität, den Greueltaten der deutschen Faschisten kurz vor Kriegsende hat dieses Szenario nichts zu tun.

Die grotesk-klischeehaften Nazis dieser und späterer Hellboy-Episoden entspringen vielmehr dem Kanon fortwährend beliebter Schurken der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Nazis gaben in den Jahren des Zweiten Weltkriegs die idealen Gegner für das noch junge Genre der Comic-Superhelden ab: Weltbedrohend forderten sie gleichermaßen Wunderkräfte und patriotische Begeisterung heraus. Als Allegorie für das Streben nach totaler Macht und Antidemokratie hielten sie in der Folge Einzug in die amerikanischen Populärkultur. Die Comic-Nazis sind nicht nur charakterisiert durch Herrenmenschenideologie, Gier nach Weltherrschaft und barbarische Brutalität, sondern auch durch sämtliche archetypischen Klischees eines Trash-Schurken. Nicht nur ihr Äußeres ist oftmals grotesk (bis hin zu irren Nazi-Hirnen im Glas), in der Regel sind es auch die Mittel und Wege, die sie zum Erreichen ihrer finsteren Pläne einsetzen: Wunderwaffen, verbrecherische, irre Wissenschaftler, Raumfahrtprogramme oder finsterer Okkultismus als heimliche "wahre Lehre" des Nationalsozialismus (eine krude Mischung, die jedoch von ähnlich spektakulären Gerüchten über den realen deutschen Faschismus genährt wurden). Reduziert auf einen solchen Fantasy-Level, verkörpern Nazis alle nötigen Eigenschaften, um immer neue grausame und fantastische Comic-, Roman- oder Film-Bösewichte abzugeben: Von Marvels ewigem Erzfeind Red Skull bis hin zu den Nazis in Steven Spielbergs Indiana Jones.

Mignola übernimmt diese bedenklich triviale, auf eine grundböse Zirkustruppe beschränkte Darstellung, wie er bekennt, unrefektiert - aber die Typen mit den Hakenkreuzen am Ärmel bekommen wenigstens, was sie verdienen. Immer! Und zwar so richtig!
Mit freundlicher Genehmigung von Cross Cult
Hellboy © & TM 2002 Mike Mignola. All rights reserved.
Abgebildet sind auch Hellboy-Pin-Ups von Reinhard Kleist, Timo Würz, Uli Oesterle und Frank Miller.


Special vom: 14.04.2002
Autor dieses Specials:
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