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Das neue Comic-Album
3770400321_rdax_310x407_80.jpgBei der Betrachtung des neuen Asterix-Bandes muss dem Leser klar sein, dass sich das Asterix-Oeuvre in zwei Phasen teilen lässt: dem Goscinny-Asterix (Band 1–24) und dem Post-Goscinny-Asterix (Band 25 und aufwärts). Obwohl es auch einige lesbare Bände von Uderzo in Alleinregie gegeben hat, wird dieser niemals die Meisterschaft von Goscinny erreichen. Wohl in diesem Bewusstsein griff Uderzo deshalb auch schon das eine oder andere Mal in die Trickkiste und weichte das hermetische Konzept der antiken Wirklichkeit auf, indem er auch Fabelwesen wie Greulix (im Band "Der große Graben") einführte oder die Protagonisten nach Atlantis versetzte. Gerade Traditionalisten haben demnach mit den späteren Bänden ihre Schwierigkeit.

Nichtsdestotrotz war die Spannung vor dem Erscheinen des 33. Bandes riesig. Es wurde wild spekuliert, wohin die Reise diesmal gehen könnte – Chinesen und Eskimos standen hoch im Kurs. Als aber am 14. Oktober das Geheimnis gelüftet wurde, war das Erstaunen und die Empörung groß: Außerirdische!

Die Geschichte des neuen Bandes ist wie folgt: Alle Gallier, die nicht zufällig kurz vorher Zaubertrank zu sich genommen haben, sind aufgrund des Erscheinens eines Raumschiffes paralysiert. Asterix und Obelix begegnen so der Figur Tuun vom Planeten Tadsylweni und seinen Superklonen, die das Dorf vor der Gefahr der ebenfalls extraterrestrischen Nagmas warnen, die es auf die Geheimwaffe der Gallier abgesehen haben: dem Zaubertrank. Kurz darauf landen die Nagmas vom Planeten Gnama und die Gallier finden sich mitten im Konflikt zwischen den beiden Völkern.

Uderzo greift auf ein bekanntes Schema in den Asterix-Bänden zurück, indem er die Gallier einen bestehenden Konflikt zwischen zwei Völkern lösen lässt. Waren es allerdings bislang immer die Okkupationspläne der Römer, denen sich die Korsen, Schweizer, Briten u. v. m. entgegensetzten, so ist im neuen Band die Galaxis als solche bedroht. Und nicht nur im Hinblick auf die Dimension des Konfliktes ist im neuen Asterix-Band etwas anders. Auch die Lesarten des Bandes sind neu. Denn leicht lassen sich die Figuren dechiffrieren: Tuun (von Cartoon) ist Micky Maus nachempfunden, die Superklone stehen für Superhelden und die Nagma sind ein Anagram von Manga.

Demnach könnte eine Lesart des Bandes der Kampf der heiligen Comicdreifaltigkeit (Frankobelgien-USA-Japan) um die Vorherrschaft im Kulturbereich der Bildgeschichte sein. Dass dabei die Nagmas als Insekten und ihre Waffen, die Magnuds, als mechanische Kampfroboter dargestellt sind, zeigt natürlich die Verteilung der Sympathien von Uderzo. Interessant ist auch, dass der amerikanische Comic durch eine Disney-Figur symbolisiert wird, wobei die Superhelden nur als dumpfe, servile Handlanger fungieren. Der Planet Tadsylweni ist demnach auch ein Anagram von Walt Disney. Die Lösung des Konfliktes ist allerdings geradezu simpel: Im Schulterschluss zwischen der europäischen und der amerikanischen Comic-Kultur gelingt es, die japanische Comic-Kultur zu vertreiben.

Doch der Band hält auch noch eine weitere Lesart parat. In einer weit darunter liegenden Ebene kann man den Kampf der Kulturen auch auf das politische Zeitgeschehen umsetzen. Der Ost-West-Konflikt, wie ihn Uderzo versteht. Die Amerikaner und die Japaner kämpfen um die Vorherrschaft im alten Europa. Und bei Uderzo haben die "Kräfte gleiches Gewicht". Allerdings bleibt die Aussage dann recht diffus. Denn was haben die Europäer dem entgegenzusetzen? Nur ihre Geheimwaffe, die zwar recht freizügig verteilt wird, aber bei ihren Gegnern nicht die gewünschte Wirkung zeigt. Aber mit ein wenig Gewalt lassen sich die Feinde trotzdem vertreiben. Denn das gute alte europäische Produkt Hinkelstein löst den Schlamassel. Kauft mehr Hinkelsteine!

Asterix ist im Jahre 2005 angekommen. Auf den Seiten gibt es nun Raumschiffe, Roboter und Computer. Filmzitate sind zu finden ("Men in Black") und die Superklone tragen die Gesichtszüge von Arnold Schwarzenegger. Auch sonst wartet der Band zeichnerisch mit einigen Neuerungen auf: Zwar sind die Gallier gewohnt souverän gezeichnet, aber eine neue grelle Kolorierung hält Einzug. Auch einige Soundwörter sind scheinbar am Computer entstanden. Zudem sind die Layouts doch recht großzügig gestaltet. Vermutlich erhofft Uderzo so den Nerv der Jugend zu treffen. Dass diese allerdings schon längst ins Lager der Mangas übergelaufen ist, scheint irrelevant. Der neue Band könnte genauso heißen: Uderzo und wie er die Welt sieht. Und das ist (manchmal unfreiwillig) komisch und lustig.

Wie zu erwarten war, bringt der neue Asterix-Band das Medium nicht in neue Dimensionen. Er kann allerdings, wenn man sich darauf einlässt und nicht ständig den Vergleich zur Goscinny-Phase sucht, durchaus sehr unterhaltsam sein. Die Übersetzung von Klaus Jöken ist als sehr gelungen zu bezeichnen, es sind sogar weitaus mehr Wortspielereien vorhanden als im Original. Die Übersetzungs-Findungs-Kommission von Ehapa hat eine hervorragende Arbeit geleistet.

Auch wenn es manchmal den Anschein hat, als würden die Figuren der Gallier unter der Vielfalt der verschiedenen Lesarten erdrückt, so bleiben sich die Charaktere weiterhin treu und am Ende bleibt (fast) alles beim alten. Ob die Hommage an Walt Disney nun als gelungen zu bezeichnen ist, sollte jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist aber das Vorhandensein und damit der Einzug der (Comic-)Welt im gallischen Dorf.

Das schönste Gerücht auf der Buchmesse war, dass Uderzo soviel Spaß an diesem Band hatte, dass er nun drei Geschichten auf einmal niederschreiben möchte. Asterix lebt und wird in den Herzen der Leser weiterleben, daran werden auch amerikanische und japanische Comics und selbst Uderzo nichts mehr ändern.


Special vom: 28.10.2005
Autor dieses Specials: Klaus Schikowski
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Der Synergie-Effekt
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