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Ralf König: Das Interview
Foto_Ralf_Koenig.jpgBereits im letzten Jahr veröffentlichte die COMIXENE ein ausführliches Interview mit Ralf König, aus dem wir im Folgenden Auszüge veröffentlichen. Das gesamte Interview kann in Ausgabe 90 nachgelesen werden kann.

Wie stark siehst du die Gefahr, dass du mit deinen Arbeiten Schwulen-Klischee mitzementiert hast?
König: Ich sehe da gar keine Gefahr, weil ich weiß, wovon ich zeichne. Weil ich das lebe. Und ich bin nicht in den 70ern stehen geblieben. Wenn du in meine ganz alten Comics guckst, dann ist das mit den Tunten noch häufiger der Fall. Ich bin ja selber so eine Kampfschwester gewesen. Das war ja auch mal ein Politikum damals, so als Mann eine „weibliche“ Seite rauszulassen. Das sieht man heute nur noch bei den CSD-Demos. Es geht ja auch gar nicht darum, das Tuntige zu verneinen, denn klar ist das 'ne Realität, und das ist auch ok so! Aber wenn du in meine letzten Comics siehst, dann wirst du merken, dass das seltener geworden ist mit den Tunten, genau wie auch in der schwulen Szene. Aber das haben die Medien irgendwie noch nicht verstanden oder sie wollen es nicht verstehen, weil es halt ‘ne sichere Nummer ist, tuntige Schwule vorzuführen. Ich hab zum Beispiel, als ich den Auftrag für das Drehbuch von "Wie die Karnickel" bekam, gleich gesagt, dass keine einzige Tunte drin vorkommt. Da war dann erst mal ratloses Kopfkratzen. Aber ich hab nicht eingesehen, warum ich das Klischee bedienen soll. Ich hab halt geschaut, dass ich den Humor woanders her hole, der übertrieben männliche Lederhomo ist doch genau so komisch.

Hat die Darstellung von Schwulen in den Medien Auswirkungen auf dich oder deine Comics?
König: Für mich sehe ich da keine Auswirkungen. In den Großstädten ist das alles kein Problem, da gibt es eine selbstbewusst schwule Szene, da glauben die Leute den Quatsch nicht. Aber wenn jemand in den Kleinstädten und Dörfern mit 14, 15 Jahren schwul ist, dann hat er immer noch die gleichen Probleme wie in den Siebzigern. Und ich hab das damals immer schlimm gefunden, wenn Schwule vorgeführt wurden wie alberne Exoten und Supertransen. Ich nehme an, die Tunte ist nicht so bedrohlich wie ein gestandener Kerl, dem man erst mal gar nicht anmerkt, dass er schwul ist. Hast du "Alexander" gesehen? Dass Alexander der Große einen männlichen Liebhaber hatte, konnte Oliver Stone historisch gesehen nicht leugnen. Aber im Film setzte er Collin Farrel eben eine geschminkte Schwuchtel zur Seite und schon war die Klischeewelt wieder in Ordnung.

Du wirst in deinen Comics mitunter auch recht gallig, wenn es um die Schwulenszene geht. Hast du zu dieser Szene ein gespaltenes Verhältnis?
König: Kann man so sagen! Aber das ist ja auch erlaubt, ich bin jetzt Mitte 40 und hab hinter mir, alles toll zu finden, nur weil's „gay“ ist. Dieses „Wir sind alle eine Familie“-Getue. Vieles in der Schwulenszene langweilt mich nach 25 Jahren. Da sind so viele Sachen, die sich einfach nicht verändern. Sie sind oft mega-eitel und hören Scheißmusik, aber das ist sicher nicht nur bei Schwulen so, heutzutage. Auch diese ganzen Events, wo alle gleich aussehen. Da steh ich nur am Rande und denke mir, es gibt doch nichts langweiligeres, als wenn alle  gleich aussehen! Ich reagiere dann grade auf den, der unscheinbar in der Ecke steht und  in der Nase popelt und’n bisschen zottelige Haare hat. Den find ich dann interessant, aber nicht diese ganzen tätowierten Muskelklöpse und immer gleichen Glatzen ...

Du hast sogar einen schwulenfeindlichen Hund kreiert ...
König: Genau! Letztlich ist das ein kleiner, unangenehmer, heterosexueller Kläffer. Aber auch dem leg ich hin und wieder mal eine Sprechblase in den Mund, die sehr aus meinem Innersten kommt. (lacht)

Wie war die Arbeit an dieser Serie für dich? Roy & Al fällt ja ganz schön aus dem Rahmen.
König: Die Arbeit an "Roy & Al" war keine Arbeit. Das ging von allein, ich hab gar nicht so schnell zeichnen können, wie mir die Pointen kamen. Wunderbar, wenn es so läuft. Dann ist das kein hartes Brot wie bei "Dschinn Dschinn", dann ist das das schönste Hobby.
Dass es zu "Roy & Al" kam, war im Grunde ein Zufall, mein Kölner Freund Bernd betreibt die schwule Kontakt-Website GayRoyal.de . Die Seite war anfangs noch ziemlich öde aufgemacht und deshalb bat er mich,  für die Seite eine Art Maskottchen zu zeichnen. Ich überlegte also, was ich da machen kann. Beim Stichwort Maskottchen fällt mir eigentlich immer ein Tier ein. Also dachte ich mir, ein Hund wäre passend – oder vielleicht auch gleich zwei Hunde! Und bei „Royal“ kamen mir gleich diese zwei Namen in den Sinn – Roy und Al. Und plötzlich war es so, als wenn jemand eine Tür aufgemacht hätte und die Köter schlüpfen rein. Ich dachte nur: Wow, zwei Hunde, die aus ihrer Perspektive auf ihre zwei schwulen Herrchen schauen – und einer der Hunde ist auch noch hetero und homophob, und dazu verdammt, in einem schwulen Haushalt zu leben!

"Roy & Al" entstanden also als Maskottchen für eine Website. Wurden dort auch die Comics veröffentlicht?
König: Ja, ein paar Comics waren dort online – und das sogar in der ursprünglichen Fassung, denn ein paar Panels hab ich für die Album-Ausgabe ausgetauscht. Ich fühlte mich auf einer schwulen Kontakt-Website absolut hemmungslos, alles zeichnen zu können. "Roy & Al" war hier noch deutlich schweinischer und es gab Szenen, die echt derb und zu heftig für das Album gewesen wären. Aber auf  'ne unnötige Weise, der Porno machte die Storys nicht komischer.

War es für dich schwierig, plötzlich einen Comic mit Tieren zu zeichnen?
König: Überhaupt nicht. Ich bin mit Tieren aufgewachsen. Meine Familie war immer sehr tiervernarrt und wir hatten auch immer Hunde. Ich wundere mich eher, dass ich nicht früher darauf kam. Die ganze Verhaltensweise von Hunden, was für einen Stress man mit ihnen haben kann, Stubenrein, Gassi gehen, „Mach sitz“ – an jedem Stichwort hängt sofort ‘ne ganze Geschichte. Das macht total Spaß.  

Du kannst hier also viele persönliche Erlebnisse einbringen. Wie stark sind deine Comics überhaupt autobiographisch gefärbt?
König: Sicher ein Stück weit. Aber nicht eins zu eins. Jeder Autor, der irgendwas nicht allzu Abwegiges schreibt, hat auch Autobiographisches in seinen Sachen. Du kannst bei mir etwa Konrad nehmen, oder auch Paul – sicher ist in beiden Figuren ganz viel von mir drin. Aber ich bin deswegen nicht Paul, und ich bin auch nicht Konrad.

Es gab in den letzten Jahren verstärkt autobiographische Comics aus Deutschland. Liest du so was?
König: Ich mag z.B. Mawils "Wir können ja Freunde bleiben". Aber letztlich interessiere ich mich nicht so sehr für Comics. Irgendwann verlor ich das Interesse, als es überall tolle Zeichner gab, aber zu wenig Erzähler. Aber ich war auch als Kind nicht so der Comic-Leser. Das war für mich eine schöne Art, selber Geschichten zu erzählen – mehr nicht. Manchmal bin ich aber verblüfft darüber, was es inzwischen gibt. "Blankets" etwa find ich sehr schön, oder "Der alltägliche Kampf" von Manu Larcenet. Ich glaube auch, dass es mehr dicke Comic-Bücher geben wird, in denen man mal drei Stunden versinken kann. Dieses 48 Seiten-Alben-Format hat sich für gute Erzähler, glaub ich, ein bisschen erledigt.

Du warst in Deutschland einer der ersten, der sich an längere Formate getraut hat.
König: Wobei ich das damals gar nicht wahrgenommen habe. Ich hatte mich bei Rowohlt mit meinen Kurzgeschichten beworben, und die baten mich, mal was Langes zu machen. Das war dann "Der bewegte Mann". Manche sagen dazu „Comic-Roman“. Das lass ich mir gern gefallen. Man braucht eine ganz andere Puste dafür. Da muss man schließlich über mehrere Monate den Begeisterungspegel hochhalten können, und den Spannungsbogen über 150 Seiten.

Was reizt dich als Künstler an dem Medium Comic?
König: Dass ich schnell erzählen kann. Noch schneller kann ich nur erzählen, wenn ich ein Drehbuch schreibe, dann sitze ich am Computer und hack einfach die Dialoge rein. Ich mag es, Geschichten zu erzählen, ohne so viel beschreiben zu müssen. Ich beschreibe ja mit der Zeichnung. Und das fällt mir im Lauf der Jahre ziemlich leicht – außer bei Autos und Fahrrädern. Und Bussen. Motorräder! Alles was Räder hat kann ich nicht. Wer genau hinguckt, sieht bei mir immer das gleiche Auto, mal dunkel, mal hell, mal von links mal von rechts, aber es ist immer die gleiche Zeichnung von so ‘nem R4 oder was das ist.  

Du veröffentlichst seit 25 Jahren Comics. Fühlst du dich manchmal als Comic-Veteran?
König: Mach mich nicht fertig! Du erwischst mich grad in der Midlife-Krise! Ich bin damals zusammen mit Walter Moers gestartet. Walter hat inzwischen das Pferd gewechselt und schreibt Fantasy-Romane. Auch bei mir, nehme ich an, wird in nächster Zeit so ein Dreh kommen. Ich werde vielleicht keine Romane schreiben, aber die Inhalte könnten sich ändern. Ich weiß nicht, ob ich in fünfzehn Jahren immer noch Geschichten zeichne über geile Männchen, die übers Ficken philosophieren. Das ist ja dann in meinem Leben auch nicht mehr so. Bedauerlicherweise. Hoffentlich. Scheiße! (lacht) Ich will ficken!


Special vom: 15.10.2006
Autor dieses Specials: Martin Jurgeit & Stefan Pannor
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Ralf König: Die Anfänge
Ralf König: Die Comic-Interviews
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