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Busch und die Bigotterie
Heiliger_Antonius.jpgKönig: Also, ich hab mich für die Gewalt bei Busch gar nicht so interessiert. Das hab ich gar nicht so gesehen. Ich zwar das mit dem Neger erwähnt, dem die Nase lang gezogen wurde, aber das war nicht der erste Impuls, den ich zu "Max und Moritz" hatte. Im Gegenteil! Als ich hörte, ich soll was zu "Max und Moritz" machen, hatte ich abends eine Party bei einem Freund, der Geburtstag feierte. Und ich hab dann da so etwas ratlos da gesessen und in die Runde geschmissen: "Was könnten denn Max und Moritz heutzutage so ausfressen?" Das war so der erste Gedanke, dass die irgendwelche Streiche machen müssen. Was würden die machen? Damals haben sie Brücken angesägt ... Und dann kam dann so: "Ja, die könnten ja irgendwelche Pflastersteine von Autobahnbrücken schmeißen."
Es wurde dann sofort so unangenehm. Das ist gut, aber nicht das, was ich zeichnen möchte. Außerdem interessiert mich bei "Max und Moritz" und bei Busch sowieso viel mehr dieses Spießbürgerliche und diese Bigotterie.
Ich find es auch interessant, dass Wilhelm Busch mit der Kirche Ärger hatte wegen seines Heiligen Antonius' von Padua. Ich dachte immer, es ginge um die Darstellung der Madonna. Er hatte die Heilige Mutter gezeichnet und das war immer meine Info gewesen, dass das der Stein des Anstoßes war, wobei ich die immer sehr brav gezeichnet habe. Also ich hab sie auch in meine Zeichnungen integriert. Aber jetzt als ich in Hannover zur Ausstellungseröffnung war, da bekam ich mit den anderen Zeichnern eine Führung in dem Museum mit dem Museumsdirektor. Und da sah ich dann Drucke und alte Originale mit dem Heiligen Antonius an der Wand.
Ich hab eigentlich als Kind schon gedacht, dass dieser Antonius doch keinen Bart hat ... der hat zwei dicke Eier unterm Kinn. Kein Bart, sondern zwei dicke Kugeln. Und ich dachte immer nur ich mit meiner komischen, versauten Fantasie sehe das. Aber es wurde mir dann, ohne dass ich gefragt hätte, bestätigt. Das war nämlich auch Teil des Anstoßes. Für die
Kirche war es nicht zu ertragen, dass der heilige Antonius von Padua unterm Kinn zwei dicke Eier hat. Das fand ich auch total klasse - diese Auflösung, dass nicht nur ich das so sah.
Aber ich interessierte mich eben mehr für das Spießbürgerliche, das Verlogene und Geheuchelte im damaligen Gesellschaftsbild, das Wilhelm Busch mit seiner humoristischen Aufarbeitung entlarvt - und nicht so sehr für die Gewalt. Darum sind für mich Max und Moritz auch eher die Helden. Mmh..., vielleicht nicht die Helden, aber der Tunichtgut ist bei mir eher der Pfarrer.

Reiche: Deine "Max und Moritz"-Geschichte ist wie viele deiner Geschichten auch einigermaßen stark sexuell gefärbt. Siehst du denn in "Max und Moritz" von Wilhelm Busch irgendwelche sexuellen Aspekte? Oder ist das für dich rein auf das Böse zurückgeführt?

König: Bei "Max und Moritz"? Nö, da sehe ich keine sexuellen Aspekte. Wo soll ich da sexuelle Aspekte sehen?

Reiche: Man könnte es ja als Kommentar von Dir zu Busch verstehen.

König: Aber ich bin, wer ich bin. Dass meine Fantasien ein bisschen in meine Richtung gehen, wenn ich "Wilhelm Busch" als Auftrag kriege, das finde ich aber auch okay.

Reiche: Sind dir denn dann nicht die originalen Max und Moritz, diese beiden Knaben, nicht irgendwie unheimlich, das sind doch ganz bösartige Roboter ohne Gefühle. Ganz im Gegensatz zu Deinen, die sind so 'ne Art coole Helden. Die andere Leute entlarven, die selbst anarchisch sind und sich gegen die Scheinheiligkeit stemmen.

König: Also Roboter ... das find ich jetzt zu hart. Die machen grausame Dinge, aber das hat auch mit Schadenfreude zu tun. So funktionieren doch auch die "Stan & Ollie"-Filme. Sie sägen eine Brücke an, jemand fällt rein und ein Polizist verfolgt sie.
Ich glaub, ich hab ein etwas positiveres Bild von der Grausamkeit bei Wilhelm Busch. Ich stufe das mehr als Zeichen der Zeit ein, übertrage das aber nicht in die Gegenwart. Ich hab das als Gelegenheit genommen, diese beiden Typen zu nehmen und ihnen meine Ideen und meine Weltsicht reinzuzeichnen.

Reiche: Weil wir jetzt soviel über Gewalt geredet haben, will ich nur noch mal eins sagen. Ich persönlich hab für meine Comics eine andere Haltung. Gerade bei "Strizz", den ich für die FAZ für etwa eine halbe Million Leser mache, kommt es überhaupt nicht in Frage, meine Figuren gewalttätig auftreten zu lassen. Denn ich bin wirklich der Meinung, dass wir genug Gewalt haben. "Strizz" beschäftigt sich ja auch mit Kabul, Bagdad, zerrissenen Soldaten und diesen ganzen elenden Selbstmordattentätern. Aber ich sehe das ganz anders als Busch oder auch Frank Miller mit "Sin City". Für mich gibt es überhaupt keinen Anlass, meine Comic-Figuren in irgendeiner Weise gewalttätig werden zu lassen. Ganz bewusst sage ich, dass ich meine Sache dagegen setze. Meine Form von Kultur, die sagt, wir wollen diesen elenden Grausamkeitskram nicht.
Ich will noch nicht mal das Busch-Prinzip - nämlich, dass das komisch ist. Das gibt es ja nicht nur bei Busch, sondern das durchzieht ganz breit unsere Medien - nicht nur im Kino, auch in Computerspielen etwa. Es ist komisch, Leute zu quälen. Es ist komisch, Leute zu umzubringen. Das ist heute ganz selbstverständliche Kultur bei uns. Das unterstütze ich überhaupt nicht. Mach ich nie und gar nicht.


Special vom: 06.02.2008
Autor dieses Specials: Daniela Graf & Martin Jurgeit
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Das Faszinierende an Buschs Zeichnungen
Busch und die Gewalt
Der gemalte Willi und der Prototyp
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