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Auszug aus dem Interview mit Hansrudi Wäscher
freitag5807Herbert Heinzelmann sprach in Erlangen auf einem Podium mit dem Künstler.

Heinzelmann: Woran ich gedacht habe, als ich mich nun wieder vehementer mit Wäscher beschäftigte – von der Erzählstruktur her – ist Karl May. Haben Sie selbst eigentlich Karl May gelesen? Sind Sie von ihm beeinflusst?

Wäscher: Das möchte ich nicht so sehen. Ich habe früher Emilio Salgari gelesen. Der war mir etwas „kräftiger“.

H.: Den kennen wir hier gar nicht. Wer ist das?

Wäscher: Ein italienischer Karl May. Aber auch von Karl May habe ich fast alles gelesen. Das was mir dabei nicht so gefallen hat, war, dass wenn er den Bösewicht erwischt hatte, er ihn wieder laufen ließ, nachdem er ihm gepredigt hatte, er soll brav sein. Dann war er wieder  böse und er ritt ihm schon wieder hinterher, usw..

H.: Hat das Hansrudi Wäscher später nicht auch ein wenig so praktiziert?

Wäscher: Ja, aber ich hab ein bisschen mehr Action reingegeben. (Gelächter)

(...)

H.: Mich würde noch mehr Ihr literarischer Fundus interessieren, aber auch Ihre Comicerfahrungen, bevor Sie anfingen Comics zu zeichnen.

Wäscher: Meine Kindheit verbrachte ich ja in Lugano. Als ich zehn, zwölf Jahre alt war hab ich all die schönen, großen Comicfiguren kennengelernt... MANDRAKE, FLASH GORDON... das ist ja alles ins Italienische übersetzt worden. Die italienische Regierung war zwar faschistisch, aber in dieser Beziehung war sie nicht so engstirnig.

H.: Sie haben uns ein schönes Dokument gezeigt, das wir auch in die Ausstellung aufgenommen haben – einen Artikel aus dem Völkischen Beobachter, dem Parteiorgan der NSDAP. Da war eine große Anticomic-Attacke drin. Es wurde behauptet, diese amerikanische Presseform würde in Europa nie einen Niederschlag finden, weil – sinngemäß – so primitiv sind die Europäer gar nicht. Dieser Artikel hat Sie offensichtlich in einer Weise sehr angesprochen, da sie ihn solange aufgehoben haben.

Wäscher: Ich hatte ihn wie einen Talisman rumgeschleppt... während der Luftangriffe und so... denn da waren ja meine Helden drin. Diese Anwürfe haben mich eigentlich wenig berührt, zumal auf der Rückseite die Reportage einer Gerichtsverhandlung der Attentäter vom 20. Juli 1944 (Anm.: Stauffenberg-Attentat auf Hitler) war. Da sah man gleich, wo die Schwerpunkte lagen... Ich war damals 14 oder 15. Mich hatte die Hitlerjugend irgendwie beeindruckt, aber dieser Artikel... Dieses Zusammenspiel der beiden völlig ungleichen Sachen bewirkte, dass ich mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun haben wollte.

H.: Einmal die Ablehnung Ihrer Helden...

Wäscher: Dass auf der einen Seite die Realität so erschreckend sein konnte, und auf der anderen Seite die geradezu harmlose Comicwelt gegeißelt wurde. – Der Ming bei FLASH GORDON war ja ein blasser Abklatsch von Adolf Hitler! ... Wie komme ich jetzt da drauf? ... Ach ja, entschuldigen Sie, dass ich davon ein bisschen abgeschrieben habe...

H.: Darum geht´s mir ja... auf welchem literarischen Humus hat Hansrudi Wäscher aufgebaut? Was waren Ihre Lieblingsbücher und Comics? (...)

Wäscher: Karl May, FLASH GORDON, Emilio Salgari... Man hat versucht, den nach dem Krieg zu übersetzen. Das ist aber nicht angekommen. Irgendwo gab es allerdings Die Geheimnisse des Schwarzen Dschungels und Sandokan. (...)

H.: Welche Comics haben Sie denn nach 1945 als erste an den Kiosken wiederentdeckt?

Wäscher: Weiß ich gar nicht...

H.: MICKY MAUS?

Wäscher: Ja, MICKY MAUS war klar... aber die mochte ich nicht. Ich mochte die deutsche Übersetzung nicht.

H.: Sie mochten Erika Fuchs nicht? Eine Legende mag eine Legende nicht?

Wäscher: Das ist richtig. Aber die Italiener hatten das so fantastisch übersetzt, dass man dachte, das ist das Original. Ich hab das mal verglichen mit dem amerikanischen Original... Für mich hat sie die Sache verharmlost. Sie hat Taler aus Dollar gemacht, aus dem Scrooge den... äh...

H.: Onkel Dagobert.

Wäscher: Ich fand das nicht so gut, denn da waren ein paar soziale Stiche eingebaut. Die hat sie völlig glatt gebügelt. (Anm.: laut dem Interview von 1977 hält Wäscher Barks für genial.)

Mehr zu Hansrudi Wäscher in der Sprechblase 212 und in unserer Messeberichterstattung vom Comic-Salon Erlangen 2008.


Special vom: 18.08.2008
Autor dieses Specials: Herbert Heinzelmann
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Auszug aus dem Interview mit Hermann
Auszug aus dem Interview mit Mark O. Fischer
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