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Im Gespräch mit Jean Van Hamme
Zu den erfolgreichsten frankobelgischen Comics gehören praktisch alle Serien von Jean Van Hamme: Thorgal, XIII, Largo Winch, die neuen Blake und Mortimer und nun Lady S. Der talentierte Szenarist erzählt uns von der Entstehung dieser Serie und seinen neuen Projekten ...

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Nachdem Sie ihren Ausstieg als Autor aus XIII und Thorgal verkündeten, starten Sie nun mit Philippe Aymond Lady S. Was motiviert Sie zu dieser neuen Serie?

Im Zuge der Produktion der Fernsehserie Largo Winch fragte Dupuis mich, ob ich noch weitere Geschichten auf Lager hätte, die sich für eine weitere Fernsehserie eignen könnten. Ich hatte in meinen Schubladen ein Projekt, welches sich Lady S. nennt. Natürlich musste ich ein paar Alben für den Verlag starten, bevor eventuell ein Versuch für eine TV Produktion gewagt werden würde. Diese wird vielleicht nie realisiert... Ich wurde ein wenig überredet
von meinem Verleger im Anschluss an ein Mittagessen in der Nähe von Marcinelle. Das heißt, ich bedauere es nicht. Die Serie ist sowohl ein Highlight für den Comic-Verlag als auch bei Erfolg ein gutes Einkommen für den Autor. Hinzu kommt die Zufriedenheit der Leser, die gerne mehr von lieb gewonnenen Personen lesen wollen. Kurzum, es ist für jedermann ein Gewinn. Man muss nur jedes Jahr aufs Neue aufpassen, dass sich die Geschichten nicht wiederholen.

Das Projekt wurde also als eine TV-Serie konzipiert?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe viele Seiten in einer Schublade mit einigen Ideen. Die meisten zerreiße ich, wenn ich sie nach einigen Jahren lese, weil sie schlecht sind. Bei dieser hingegen sah ich Potenzial für Erfolg. Ich musste die Idee nur unserer Zeit anpassen. Die wenigen Zeilen, die ich hatte, sagten noch nicht viel aus, außer dass es sich um eine Heldin handelt.

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Ein Novum in der Welt der maskulinen Helden ihrer anderen Serien ...

Wir sind die Erben des Systems aus den Jahren 1945-50, wo die Personen zwingend männliche Helden waren. Es war praktisch verboten in der Zeit "Mädchen", wie man damals sagte, in der Geschichte zur Hauptperson zu machen. Es gab keine weiblichen Helden. Für mich ist das ein Anlass das Geschlecht der Person im Mittelpunkt zwei Monate pro Jahr zu än dern, wenn ich die Geschichte schreibe.

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Und wie versetzen Sie sich in die Haut einer Heldin? Denken Sie dann anders?

Nein, nicht in den ersten beiden Bänden, wo sie auf die Probleme reagiert, die nicht speziell für Frauen oder Männer sind. Sie reagiert mit ihrem Charakter. Ich fand nie, dass es so viele Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt. Im Hinblick auf den Charakter und das Verhalten reagieren die Frauen mit Mut, Energie ... schließlich alles so genannte "männliche" Qualitäten. In der Regel reagieren die Frauen auch besser. Sie haben mehr Mut, mehr Widerstand, manchmal mehr als Intuition. Die meisten Männer sind Feiglinge. Der männliche Held ist ein Mythos, gefördert durch den Comic und Film, aber ich bin nicht sicher, dass es der Wirklichkeit entspricht. Es gibt eine Vielzahl von Charakteren und die Tatsache, ob Mann oder Frau, ändert nicht viel. Aber wir sehen in der Folge, wie sich diese junge Person entwickelt in der Liebe und solchen Dingen... Ich lasse dann meine Frau hinter meiner Schulter soufflieren und wenn sie sagt "so würde eine gute Frau nie reagieren“, dann korrigiere ich...

Wie erfolgte die Auswahl des Zeichners?

Der Verlag hatte einige Namen. Er ist eine Art Partnervermittlung. Ich hatte ein oder zwei Zeichner im Kopf, aber sie waren nicht verfügbar. Die Schwierigkeit besteht darin, einen Zeichner zu finden, der nicht nur ausreichend Talent und Erfahrung hat, sondern auch verfügbar ist. Die Wahl fiel schließlich auf Philippe Aymond. Ein charmanter Mann, klein und zurückhaltend. Die Figur von Lady S. ist wieder eine Figur, die von der Vergangenheit gequält ist. Es ist ein bisschen ein gemeinsamer Nenner ihrer Helden.

Sie ziehen eine schwierige Vergangenheit hinter sich her...

Nicht jeder ist wie Rick Master... (lacht). Wir sind alle das Ergebnis unserer Erfahrungen. Mit einer Vergangenheit ist es psychologisch interessanter. Vor allem lebt sie mit einer falschen Identität. Meine anderen Helden leben nicht mit einer falschen Identität. XIII entdeckt seine Vergangenheit zur gleichen Zeit wie der Leser, er ist also ein Egozentriker, die sich fragt, wer er ist. Largo Winch ist eindeutig: Er mag Geld nicht, ist aber an der Spitze eines Imperiums im Finanzsektor. Er ist recht interessant zu handhaben. Lady S. ruht sich in ihrer falschen Identität aus, bis eine Erpressung die diplomatische Laufbahn ihres Adoptivvaters beendet. Das ist recht interessant zu handhaben.

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Ist eine derart komplexe Persönlichkeit nötig?

Ich glaube ja. Ich bin nicht der Einzige, der darauf setzt. Ich glaube, es gibt keinen Bedarf an Personen, die immer Recht haben oder steif und ohne Fehler sind. Das Interessante einer Person sind seine Schat ten, Risse und Schwächen. Dies macht auch den Charme aus. Der perfekte Mann, die gute perfekte Frau, ist sehr langweilig. Auch die neutralen Figuren des Comics, die sehr schnell mehr werden als Kompar sen: Tim wäre nichts ohne den Kapitän Haddock, ohne Bienlein, die Schulzes u.s.w. Man umgibt sich immer mit einer Galerie von Figuren, die man in den Schatten stellt, der sie in dem Maße interessant macht, dass man sie entdeckt.

Das macht sie ein wenig wertvoller ...

Ja. Der Wert kann eine andere Rolle sein, die sich im ständigen Schatten zeigt, der vor allem für einen Dialog mit dem Helden dienen kann. Im Falle von Lady S. oder Largo Winch ist der "supporting actor" derjenige, der sie wieder in eine gewisse Realität zurückbringt.

Die Basis für Lady S. war, wie Sie sagten, dass diese Idee in einer TV-Serie münden sollte. Wie beurteilen Sie die Erfahrung mit Largo Winch?

Ich hatte ein Recht, sie mir anzuschauen. Deshalb habe ich sie mir angesehen.

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Und? Was denken Sie?

Dass ich sie nicht so geschrieben hätte. Die Akteure waren sehr gut ausgewählt. Es war ein gutes Casting. Das sind nur 52 Minuten und es gibt nichts Schlimmeres, als gute Szenarien für 52 Minuten zuschreiben. Es ist zu kurz für eine reale Handlung. Daher sind diese Geschichten sehr einfach. Ich nehme
immer das Beispiel von Starsky & Hutch. Jeder kennt Starsky & Hutch, aber niemand wäre in der Lage, auch nur eine der Episoden nachzuerzählen. Largo Winch war ein bisschen so. Es war ein wenig von allem aus der Welt von Largo Winch. Es gab eine Frau zwischen den beiden, in die sie sich abwechselnd verliebten. Das war nicht schlecht, das war gut gefilmt, aber die Geschichten für sich genommen sind nicht sehr interessant. Es lief gut in Frankreich, ganz nett in Belgien. Ich bin nicht einmal sicher, dass der Verleger-Produzent viel Geld bei der Sache verdient hat, denn in der zweiten Staffel machte der deutsche Co-Produzent pleite. Dupuis sprang als Ersatz ein. Sie befanden sich daher zunächst in einem gewissen Defizit, das sich nach und nach mit der Wiederholung der Serie in anderen Län dern füllt. Es war eine nette Erfahrung.

Glauben Sie, dass dies einen Einfluss auf die Verkäufe der Alben hat?

Zum Start der Serie ja. Es gab einen Schub, als der Start der TV-Serie bekannt gegeben wurde, der zu einem Hype um die Alben wurde. Dies führte zu einer schönen Steigerung der Verkäufe der Alben auf rund 100.000 Exemplare. Aber die Ausstrahlung der TV-Serie selbst hatte keine Auswirkungen.

Welche Pläne haben Sie derzeit?

Ich arbeite an einer TV-Serie. Es gibt bisher nur eine Synopsis. Es ist noch nichts definitiv. Ich habe Ideen für Film und Theater. Ich mache demnächst Recherchen in China, wo der nächste Largo Winch spielt. Der wirtschaftliche Aspekt ist nur der Hintergrund. Auch wenn die Machenschaften, denen er zum Opfer fällt, ein weiteres Mal die Armut mit sich bringen, ist der finanzielle Beweggrund nicht die wichtigste Handlung. Man kann sich nicht jeden Tag nur mit wirtschaftlichen Intrigen beschäftigen. Das wäre es so für eineinhalb Jahre, danach weiß ich noch nicht. Es bleiben mir bald nicht mehr als zwei Serien, bei dem gleichen Verlag. Zufall ... Man wird sehen, wie lange die beiden sich halten.

Das Gespräch führte Marc Carlota im September 2005. © Copyright Marc Carlota / Auracan.com 2005
Foto von Jean Van Hamme © Marc Carlota
Abbildungen Lady S. © Aymond, Van Hamme, Dupuis
Abbildungen Largo Winch © Francq, Van Hamme, Dupuis
Übersetzung: Mark O. Fischer


Special vom: 22.03.2009
Autor dieses Specials: Mosaik Steinchen für Steinchen
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
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