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Die Jerry Spring Gesamtausgabe
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Nachdem Egmont in der Ehapa Comic Collection erfolgreich die in Koproduktion mit der belgischen Originalausgabe von Dupuis produzierte Jeff Jordan-Reihe vollendet hat, startete der Kölner Verlag im Oktober mit Jerry Spring von Jijé eine weitere Gesamtausgabe.

Der am 13. Januar 1914 im belgischen Gedinne geborene Joseph Gillain alias Jijé zählte zu den wichtigsten Neuerern europäischer Comics der Nachkriegszeit. Unter seinem Einfluss wurde das belgische Spirou-Magazin in den 1940er-Jahren nicht nur zu einer der bedeutendsten Publikationen für Kinder, unter Jijés Anleitung begannen hier auch junge Talente, die schon bald zu den besten ihrer Zunft zählten: André Franquin (Spirou, Gaston), Morris (Lucky Luke) oder Will (Harry und Platte).

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Mit 14 Jahren kam Joseph Gillain auf die Schule Saint-Joseph de Maredsous und lernte bei katholischen Mönchen das Kunsthandwerk des Goldschmiedes. „Morgens gab‘s Handwerk, nachmittags Modellieren, abends allgemeinen Unterricht und zwei Stunden Zeichnen.“ Gillain blieb drei Jahre an dieser Schule, danach besuchte er Abendkurse an der Universität in Charleroi.

Nach weiteren zwei Jahren Studium an der Académie des Beaux Arts in Brüssel verkaufte Gillain im Mai 1936 seine erste Comic-Serie Le dévouement de Jojo an die Zeitschrift Le Croisé, für die er bis Mitte 1940 fast ausnahmslos alle Cover zeichnete. Gillain war mit diesem Job in eine persönliche Zwickmühle geraten; einerseits wollte er als bildender Künstler Anerkennung erhalten, andererseits stellte sich schnell heraus, dass die Möglichkeiten, mit Gemälden oder Skulpturen Geld zu verdienen, noch dazu von einem unbekannten Künstler, gleich null waren. Er hatte zwar gelegentlich Aufträge erhalten, so zum Beispiel die Gestaltung eines Wandgemäldes in Corbion 1932, doch langfristig sah er in der Gestaltung von Illustrationen und Bandes Dessinées mehr Erfolg. Allerdings bediente er sich für diese Arbeiten des Pseudonyms Jijé und trennte damit Beruf und Berufung ...

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Das sollte sich auch in seinem weiteren Berufsleben nicht grundlegend ändern; für die schon bald, nämlich ab der Ausgabe 14 im April 1939 beim belgischen Spirou-Magazin gefundene Arbeit war er von Anfang an Jijé, erweiterte das Figurenrepertoire der Titelserie um Spirous Freund Fantasio und zeichnete neben einigen Abenteuern des abenteuerlustigen Hotelpagen die Detektivserie Jean Valhardi, die Biographien Don Bosco (1941–1942), Christophe Colomb (1942–1945), Emmanuel (1947–1949) sowie Baden Powell (1948–50). Und auch die jungen Zeichner, denen er ab Mitte der 1940er Jahre Unterkunft und Zeichenunterricht gewährte, kannten ihn ausschließlich unter seinem Pseudonym. Nur wenn er nach Feierabend und im Kreis seiner Familie malte, setzte der Zeichner bisweilen noch seinen Familiennamen als Signatur darunter.

Durch einen mehrjährigen Aufenthalt in den USA, der ihn und seine Familie und die befreundeten Zeichner Franquin und Morris zwischen 1948 und 1951 von New York über Los Angeles bis nach Mexiko führte, wurde Jijé von seinen Erlebnissen auf diesem Kontinent geprägt. Für die Biographie des Begründers der Pfadfinder-Bewegung Baden Powell zeichnete er mit Vorliebe Szenen in freier Wildbahn und vor allem Pferde. Die für das Magazin Bonnes Soirées entstandene Geschichte El Senserenico (1952) handelt von der Liebe eines mexikanischen Doktors zur Tochter eines Plantagenbesitzers. Und als er seine Helden Blondin et Cirage mit einem neuen Abenteuer in Spirou fortsetzte, schickte er sie zunächst in das Land, das den größten Eindruck auf ihn gemacht hatte: Blondin et Cirage au Mexique (1951) ist eine atmosphärisch dichte Geschichte, in der Jijé sowohl Erfahrungen als auch Inspiration seiner
Zeit in Mexiko verarbeiten konnte.

Auch sein Verleger Jean Dupuis hatte erkannt, dass Jijé besonderes Talent hatte, in seinem realistischen Stil die Abenteuer jener Pioniere, die den amerikanischen Kontinent erobert hatten, in Bilder umzusetzen. Und er hatte eine Idee ... „Dupuis hatte bemerkt, dass die Westerngeschichten um Red Ryder, die damals in Spirou veröffentlicht wurden und deren Originalpublikation in den USA ja schon in den Vierzigerjahren erfolgt war, für das jugendliche Publikum Mitte der Fünfzigerjahre zu altmodisch geworden waren. Also fragten sie mich, ob ich nicht eine Nachfolgeserie zeichnen wollte. Und da ich immer noch sehr unter dem Eindruck meines Aufenthalts in Mexiko stand, habe ich der Hauptfigur einen Mexikaner als Partner gegeben.“

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Für die von Dupuis geplante Westernreihe, der Jijé den Titel Jerry Spring gab, hatte er vollständig freie Hand. Es gab keine Vorgaben seitens des Verlages für einen Handlungsrahmen, und selbst die inzwischen so traumhaft sicher gestalteten Zeichnungen im realistischen Stil erlaubte er sich durch die eine oder andere Karikatur aufzulockern. Dazu bot sich der Sidekick Jerry Springs, der Mexikaner Pancho, geradezu an. Vor allem in späteren Geschichten übernimmt dieser etwas korpulente aber wendige treue Freund die Rolle des Spaßvogels, was von Jijé dann stets mit einer slapstickhafteren Darstellung gezeigt wird.

Der Titelfigur Jerry Spring verpasste Jijé ganz bewusst einige ungewöhnliche Charakterzüge, die ihn von den herkömmlichen Westernhelden à la John Wayne unterscheiden sollten. Vor allem seine Zurückhaltung und Diplomatie in Konfliktsituationen lassen ihn eher zu einem langweiligen Charakter werden, der dem Leser nicht gerade spannende Action verspricht. Allerdings gelingt es dem später sogar zum US-Marschall aufgestiegenen Cowboy damit immer wieder, den Leser durch sein ungewöhnliches Verhalten zu überraschen und ihm positive Charaktereigenschaften wie Mut, Großzügigkeit und Ehrlichkeit zu vermitteln. Vielleicht ist es deswegen kein Zufall, dass Jijé sich als Vorbild für seine Figur eines eher unbekannten Hollywood- Schauspielers bedient hatte, der zwar in zahllosen Westernschinken zu sehen war, den in Europa aber kaum jemand kannte. Das Aussehen von Randolph Scott als smarter, cleverer und mit dem Revolver ungemein schneller Cowboy steht Jijés Titelhelden jeweils überaus gut.

Weoter geht es in Zack 140...


Special vom: 24.01.2011
Autor dieses Specials: Volker Hamann
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Editorial von Georg F.W. Tempel
Horst Gotta: Ich bin ein 100%iges Kind der Zack-Generation
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