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Interview mit Texter Jörg Krismann
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Vom Rollenspiel zum Roman zum Comic

Interview mit Jörg Krismann, dem Texter von Justifiers - Collector

von Matthias Hofmann


Jörg, der erste Band der Adaption von "Justifiers" ist dein erster Comic, richtig?

Na ja, mit meinem Freund Sascha Krämer habe ich zuvor schon die One-Pager-Superheldenparodie „Silberfisch“ in „Hit Comics“ gemacht und den Comicstrip „Deutsche Helden“, der vorwiegend in „Comixene“ veröffentlicht und in zwei farbigen Piccolo-Ausgaben gesammelt und ergänzt wurde.

Du bist bislang als Comic-Journalist unterwegs gewesen. Kannst Du für die Leser von Splashcomics, die dich vielleicht noch nicht kennen, zusammenfassen, was Du in der Comic-Branche bislang so gemacht hast?

Oha, das ist eine ganze Menge! Nach mehreren Fanveröffentlichungen in den 80er Jahren habe ich in den 90er Jahren für ein lokales Kulturmagazin und für das Indie-Musikmagazin „Visions“ Comics rezensiert und Interviews geführt und habe dann auf der Frankfurter Buchmesse Martin Jurgeit kennen gelernt. Zusammen haben wir mit einigem Erfolg „Hit Comics“ gemacht, das Magazin zum damaligen Heftchenboom. Als der alte Verleger ausgestiegen ist, haben wir mit einer weiteren Partnerin den JNK Verlag gegründet, für den ich als Redakteur, Autor und Übersetzer tätig bin. Derzeit machen wir drei Comic-Magazine, „Comixene“, „Wieselflink“ und „COMIX“, wobei ich oft den US-Comicbereich betreue. Im Laufe der Zeit habe ich für viele Magazine geschrieben, aktuell arbeite ich auch an „Die Sprechblase“ und am COMIC REPORT mit. Ich habe den Relaunch von „Hit Comics“ als Comicanthologie mit den US-Reihen „Savage Dragon“, „Powers“ und „Die Schlampe“ (welches inzwischen als „Die Super-Schlampe“ bei Panini vorliegt) redaktionell betreut und war auch für die Übersetzungen zuständig, dabei habe ich erste Erfahrungen mit der Redaktionsarbeit eines Comic-Projekts gemacht. Ich habe auch ein wenig an den „Blueberry Chroniken“, die JNK für Ehapa betreut, mitgewirkt und sowohl Will Eisners letzten Comicband „Das Komplott“ ins Deutsche übersetzt.
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In dem Zusammenhang wäre ein Abriss deines bisherigen Lebenslaufs ganz gut. Dinge wie: Wann und wo bist Du geboren? Was machst Du, um den Kühlschrank voll zu bekommen?

Ich wurde 1968 in Werl in Nordrhein-Westfalen geboren und bin dort auch aufgewachsen. Nach dem Abitur und dem Wehrdienst habe ich Anglistik und Germanistik an der Universität-Gesamthochschule Paderborn studiert. Dabei habe ich fast ein Jahr in England gelebt und dort an einer Schule unterrichtet. Seit 1999 arbeite ich als Studienrat am Berufskolleg und unterrichte Deutsch und Englisch, zunächst in Rheine im Münsterland und nun in der historischen Hansestadt Soest. Seit 2004 bin ich verheiratet.

Wahrscheinlich hast Du schon als Kind Comics gelesen. Welche Comics haben Dich beeindruckt?

Als Kind habe ich die üblichen Sachen gelesen: „Micky Maus“, „Donald Duck“, „Clever & Smart“, „Tim und Struppi“, „Asterix“ und „Superman/Batman“, aber richtig gepackt haben mich Comics als Teenager, als die alten Williams-Hefte bei uns in einem Kaufhaus verramscht wurden und meine Leidenschaft für Superhelden entflammten. Bei einem Urlaub auf Mallorca stieß ich erstmals auf US-Ausgaben („Swamp Thing“ von Moore und Bissette, „New Teen Titans“ von Wolfman und Perez, „All Star Squadron“ von Thomas und Ordway, „Legion of Super-Heroes“ von Levitz und Giffen) und ich begann Mitte der 80er Jahre US-Comics zu sammeln, als bei DC Comics gerade „Watchmen“ und „The Return of the Dark Knight“ erschienen. Ich habe mich aber stets auch für die Alben von Carlsen und Ehapa interessiert, etwa „Valerian & Veronique“ oder „John Difool“, da ich ein großer Science-Fiction-Fan bin.

Wie kam es dazu, dass Du den Text für "Justifiers" schreibst?

Ich hörte von dem Projekt, da JNK an der Zusammenstellung des Teams beteiligt war, und fand es sehr interessant, da es sich um Science Fiction handelt und auf einem Rollenspiel basiert (ich spiele selbst auch Rollenspiel). Daraufhin habe ich mich für den Job als Szenarist mit einem Probeskript beworben, welches auf den ersten 50 Romanseiten basierte, und wurde unter mehreren Bewerbern ausgewählt. Im Laufe des Arbeitsprozesses hat es sich dann so entwickelt, dass ich für „Justifiers: Collector“ nicht nur die Szenarien schreibe, sondern auch die Bildredaktion mache, d.h. ich bearbeite die Storyboards, die Zeichnungen, die Kolorierung und das Lettering.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Markus Heitz, dem Autor der Vorlage?

Der Comic geht auf den Wunsch von Markus Heitz zurück, Justifiers als multimediales Projekt anzugehen. Änderungen gegenüber der Romanvorlage werden mit ihm abgesprochen und er veranlasst seinerseits gegebenenfalls Änderungen oder bringt Ideen ein, durchaus auch auf künstlerischer Seite. Eine wichtige Änderung gegenüber dem Roman ist die Tatsache, der Comic nicht zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her springt, sondern chronologisch erzählt wird. Die Zeitsprünge zusätzlich zu vielen Ortswechseln quer durch die Galaxie wären zu verwirrend gewesen.

Erzähl mal, um was es in der Story geht und für wen sie besonders geeignet ist?

Justifiers basiert ja auf einem kurzlebigen amerikanischen Rollenspiel der 90erjahre, in dem die Spieler Mitglieder von Justifier-Teams spielen, die in der fernen Zukunft im Auftrag von Kons fremde Welten erkunden. Markus Heitz hat das Spiel gern gespielt und später die Rechte daran erworben, um es neu zu beleben. Die drei Comic-Bände „Justifiers: Collector“ sind seine Adaption des Romans „Collector“ von Markus Heitz, mit welchem der Neustart seinen Anfang nahm.

Er spielt im Jahr 3042, in einer Galaxie, die von den menschlichen Konzernen beherrscht wird. Allerdings nutzen die Menschen für die Raumfahrt uralte Triebwerke eines verschwundenen Alienvolkes, die sie selbst nicht begreifen. Das große Rätsel der Geschichte sind die Collectors, ein geheimnisvolles Volk, das stets Rüstungen trägt, sodass man nicht einmal weiß, ob es sich dabei um Außerirdische, Roboter oder gar getarnte Truppen eines Kons handelt. Aufgrund eines Vorfalls, den wir am Anfang des Comics erzählen, haben sie die Menschheit entdeckt und damit begonnen, einzelne von Menschen besiedelte Planeten unter ihre Obhut zu stellen. Sie halten die Menschen für bedroht und genetisch verdorben und wollen ihr Überleben durch die Obhut sichern. Dumm nur, dass niemand weiß, was genau auf diesen Welten geschieht.

Im ersten Comicband schildern wir, wie mehrere Personen in die Geschichte involviert werden, deren Bahnen sich dann im zweiten Band kreuzen werden: Kris Schmidt-Kneen, ein ehemaliger Raumpilot, Faye Durrick, eine schöne Drogendealerin, die zum Tode verurteilt wird, und Bishopness Theresa, eine fanatische Anhängerin der Church of Stars. Dazu kommt noch der Mediator Anatol Lyssander, der als ehemaliger Raumpilot unter dem Interim-Syndrom leidet, welches ihm aber auch telepathische Fähigkeiten verleiht. Da er kein guter Mensch ist, missbraucht er diese, um andere zu manipulieren. „Justifiers: Collector“ ist kein netter Comic, da er in einer düsteren Zukunft spielt, andererseits sind die Figuren sympathisch. Ein visuelles Highlight sind die Auftritte der sogenannten Beta-Humanoiden, gezüchtete Tiermenschen, die Hannes immer toll in Szene setzt. Außerdem gibt es einiges an Action und auch eine Prise Humor.

Wer war zuerst da: Hannes Radke, der Zeichner, oder Du?

Hannes Radke. Er wurde auf der Basis seines Beitrags zu einem Zeichenwettbewerb von comicstars.de ausgewählt und war das erste Mitglied unseres Teams. Ich bin jedenfalls sehr zufrieden mit dieser Wahl. Von ihm können wir sicher noch großes erwarten.

Welche Vorgaben gibst Du dem Zeichner, um den Plot umzusetzen?

Ich schreibe ein "Full Script" mit ausführlichen Bildbeschreibungen und den Textanteilen wie Erzähltext, Dialoge, Soundeffekte, zusätzlich mit Vorgaben für das Design der futuristischen Figuren und Objekte. Auf dieser Basis macht Hannes dann die Designs, gefolgt von Storyboards und schließlich den Reinzeichnungen. Beim Skript mache ich auch Vorschläge für die Bildaufteilungen, aber da hat Hannes große Freiheiten, weil das eher sein Metier ist. Auf der Basis des Storyboards legen wir dann das endgültige Storytelling fest. Wenn die Zeichnungen fertig sind, bekommt der Kolorist von Hannes und mir Vorschläge für die Kolorierung, während ich ein abschließendes Dialogskript fürs Lettering anfertige.

Die Originale sind Bleistiftzeichnungen, die von Christian Turk direktkoloriert werden. Wie kam diese Methode zustande?

Christian Turk ist zu dem Projekt eigentlich als Tuscher gekommen und auf meine Initiative hin, da ich seine Arbeit seit „Die Vergessenen“ und „Shayazur“ sehr schätze und schon lange gern mit ihm zusammenarbeiten wollte. Da Hannes sehr detaillierte Bleistiftzeichnungen anfertigt, ergab sich diese Möglichkeit der Direktkolorierung bei den verschiedenen Vorgehensweise, die wir ausprobiert haben. Sie hat uns am besten gefallen und bietet einen unverfälschten Blick auf Hannes‘ Arbeitsweise.

Die Geschichte wurde in Fortsetzungen im monatlichen Billigprodukt COMIX vorabgedruckt. Wie sehr leiden sowohl Zeichnungen, als auch Lesefluss der durchaus komplexen Geschichte unter dem Zeitungspapier und der stückhaften Veröffentlichung?

Zunächst einmal: COMIX ist (sehr) preiswert, aber nicht billig. Dass die Zeichnungen auf dem hochwertigen Albenpapier besser rüberkommen als beim Zeitungsdruck, ist ja klar, und COMIX will da auch überhaupt nicht konkurrieren. Die Aufteilung hat aber keinen negativen Effekt da wir „Justifiers“ von vornherein so konzipiert haben. Wir haben das 44seitige Album in vier Kapitel aufgeteilt, das geschah allerdings nicht nur für COMIX, sondern auch für die digitale Veröffentlichung auf comicstars.de. Dafür sind die Seiten sogar in Halbseiten aufgeteilt, die ausgezeichnet auf einen Monitor (oder so etwas wie das IPad) passen. Jede halbe Seite ist somit schon als kleine Einheit konzipiert und jedes Kapitel hat sowieso einen Cliffhanger. Ich bin ein großer Fan von Henk Kuijpers Serie „Franka“ und ich habe mir seine Art jede Seite, die ja in Holland in einem Magazin vorveröffentlicht wird, mit einem Cliffhanger zu beenden als Vorbild genommen und versucht sie mit den halben Seiten auf die Spitze zu treiben. In COMIX sind bislang die ersten drei Kapitel erschienen, bevor wir eine Pause eingelegt haben, um erst einmal vorzuarbeiten. Die drei Kapitel wurden letztes Jahr direkt für COMIX produziert und das hat mir gehörigen Respekt für die monatlichen Hefte in den Staaten eingeflößt.

Wie war die Resonanz der Leserschaft und wie wurde diese gemessen?

Die Rückmeldungen sind über das Comic-Forum erfolgt, wobei es sich dabei um eine recht kleine Anzahl von Personen handelt, und über das Publikum auf den Messen, wo wir COMIX verkaufen. Sie waren sehr positiv. Einige kleinere Sachen, die bemängelt wurden, konnten wir für die Albenveröffentlichung ausbessern. Darüber hinaus gibt es aber auch einige stilistische Verbesserungen. Ich bin froh, dass wir diese Gelegenheit durch die Vorveröffentlichung haben. Wer zum Beispiel die Textmenge in COMIX und die im fertigen Album vergleicht, wird feststellen, dass diese sich erheblich reduziert hat und dass dafür mehr Platz für manche Bildelemente bleibt. Wir konnten daher sogar noch welche hinzufügen, z.B. das gestrandete Schiff in der ausgetrockneten Adria auf Seite 18.

Der erste Band ist nur ein Auftakt. Wie weit sind die Arbeiten an der Fortsetzung fortgeschritten?

Aktuell schreibe ich das Skript für das dritte Album, welches die Adaption des Romans „Collector“ abschließt. Das Storyboard für das zweite Album ist bereits fast fertig, das erste Kapitel ist gezeichnet und die ersten Seiten sind koloriert.

Wirst du weitere Comics schreiben? Was kann man in naher Zukunft erwarten?

Die Arbeit an „Justifiers: Collector“ ist für mich eine spannende und manchmal anstrengende Erfahrung, immerhin gehe ich ja „nebenbei“ einem Vollzeitjob nach. Es ist aber auch sehr befriedigend, wenn die Bilder, die ich vor meinem inneren Augen entworfen habe, dann von einem großartigen Künstlerteam umgesetzt werden und man sie schließlich in den Händen halten kann. Diese Erfahrung möchte ich in Zukunft ungern missen. Mit „Deutsche Helden“ soll es auch deshalb jetzt endlich weitergehen und das macht immer sehr viel Spaß, weil das eine Superhelden-Parodie ist und Sascha und ich da einfach eine tolle Gruppe von Figuren versammelt haben. Ich sage immer, dass Nachtkrabbler, E-Blitz und der rote Schädel unser Kirk, Spock und Pille sind, sie sind bloß viel verrückter. Das neue Projekt soll eine durchgehende  Geschichte werden, die in Form von One-Pagern in COMIX erscheint und später als dritter Piccolo gesammelt wird. „Justifiers: Collector“ wird mich durch die redaktionelle Arbeit sicher bis Ende des Jahres beschäftigen, sodass ich darüber hinaus noch keine anderen konkreten Pläne habe. Die Serie „Justifiers“ ist darauf angelegt nach der Adaption von „Collector“ mit neuen Geschichten fortgesetzt zu werden und ich hätte Interesse daran, diese zu schreiben, aber ob es dazu kommt, hängt natürlich von vielen Bedingungen ab.

Vielen Dank für das Gespräch, Jörg, und viel Erfolg mit dem spannenden Projekt!



Special vom: 10.03.2011
Autor dieses Specials: Matthias Hofmann
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