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Interview mit Stephan Hagenow
Geführt von Georg F.W. Tempel

Stephan Hagenow gehört zu den Oldies der deutschen Comic-Szene. Seit gut 25 Jahren schreibt und zeichnet er seine eigenen Comics. Mit Kommissar Fröhlich, einem Zyniker par excellence, hat er nun eine Figur geschaffen, die zu größerem Erfolg führen könnte.
Mittlerweile sind vier Alben bei Gringo Comics erschienen. Für ZACK zeichnet er exklusiv ab dieser Ausgabe Kurzgeschichten mit dem dicken Kriminaler.

Stephan_HagenowStephan, du gehörst zu den produktivsten Zeichnern Deutschlands. Allerdings hattest du auch lange den Ruf, DER Trash- und Schmuddelzeichner Deutschlands zu sein. Kannst du damit leben?
Ehrlich gesagt „nein“! Diese explizite Schiene gehört für mich seit zwei Jahren der Vergangenheit an.
Als Künstler kann man nur ernst- und wahrgenommen werden, wenn man Inhalte transportiert. Diese Erkenntnis ist jetzt im Alter von 47 Jahren und leicht angegrauten Schläfen natürlich bitter und sehr deprimierend zugleich. (Immerhin bin ich seit den 1980ern im Comic-Geschäft aktiv.) Dass mir als Autor wirklich dramatische Themen
und Charaktere sehr am Herzen liegen, demonstriert nun aber endlich meine aktuelle Krimi-Dramaserie Kommissar Fröhlich!
Meine zweite und wohl letzte Chance in diesem Leben, den eigenen schlechten Ruf in einen guten zu transformieren. Sozusagen „interne mentale Schadensbegrenzung“.

Aber was Gutes hatte diese Phase doch auch, oder? Immerhin bist du wahnsinnig schnell im Erfinden und Zeichnen von Geschichten. Die 25 Seiten von dir, die ab Juni in ZACK erscheinen werden, sind in knapp 2 Monaten entstanden.
Klar, aber natürlich sehe ich jetzt alles aus nüchterner, distanzierter Sicht. Das eher konservative deutsche Publikum wird meine intellektuelle Wandlung sicher nicht so schnell akzeptieren und honorieren.
Ein Stempel bleibt leider ein Stempel! Die Wandlung kam überhaupt erst wegen der schweren MS-Erkrankung meiner Mutter zustande. Ein Ausweichen war auf einmal unmöglich. Das Leiden überträgt sich leider auf das gesamte Umfeld der betroffenen Personen! Das führt zwangsläufig zu einer charakterlichen Veränderung und einer starken Ernsthaftigkeit. Ich stand quasi mit dem Rücken zur Wand ... und plötzlich war Schluss mit lustig. Letztendlich ist aber jeder Mist noch für was gut ... und somit war Kommissar Fröhlich geboren. Ein schwergewichtiger, 62-jähriger, ironischer  Antiheld, der mit Lastern geradezu behaftet ist ... und mir – von Äußerlichkeiten einmal abgesehen – ähnelt wie keine andere Figur, die ich in den letzten 25 Jahren entworfen habe. Fast schon der perfekte Ego-Trip!

Muss man die Serie dann als eine Art Therapie sehen, um böse Geister auszutreiben?
Psychoanalytisch betrachtet kommt das meinem Realitätsbewusstsein schon sehr nahe. In den Kommissar Fröhlich-Büchern für Gringo Comics (Ich tusche gerade Band 6) hab ich die Möglichkeit, in die zwiespältigen Seelen der Täter einzutauchen, um mir und auch dem Publikum fiktiv zu definieren, warum äußerlich teilweise unscheinbare Menschen in bestimmten Situationen zu so expliziten Gräueltaten fähig sind, die jeder Logik entbehren. Der psychologische Aspekt hatte mich schon immer mehr fasziniert als vordergründige Gewalt, die im Entertainment inzwischen ja auch mehr für konzeptlose Inhaltslosigkeit steht. Das hat schon 1960 ein Regisseur wie Hitchcock erkannt und ein verstöhrendes, zeitloses Meisterwerk wie Psycho geschaffen. Der abgeklärte Fröhlich ist jedenfalls immer zur Stelle, wenn es darum geht, erneut einen menschlichen Scherbenhaufen zu entsorgen. Immerhin macht er seinen Job seit einer Epoche, als die Polizei noch VW-Käfer fuhr. Dieser Cop ist nur noch schwer aus seiner fast schon stoischen Ruhe zu bringen. Wie es allerdings innerlich wirklich in ihm aussieht, weiß niemand, nicht mal ich.

Kommissar_FroehlichUnd wie muss man dann seinen Assistenten Tumba sehen? Ist er der aktionsgeladene Gegenpol? Der Teil von dir, der fortwährend Comics zeichnet?
Kommissar Fröhlich ist natürlich die absolute Autorität (Ähnlich wie damals Erik Ode als Kommissar Keller!). Bei Verfolgungsjagden läuft der Kommissar natürlich nicht selber ... er lässt laufen, und zwar seine jungen Assistenten Peter Tumba und Birgit Stolz ... die in den nächsten 60 Fällen auch nicht selten verletzt werden.
Fröhlich bringt ja mit seinen 62 Jahren gute 160 Kilo auf die Waage und leidet zudem unter erhöhten Bluthochdruck - und 1000 anderen imaginären Krankheiten. Gott sei Dank ist er aber aufgrund seiner starken Persönlichkeit ein total unvernünftiger Mensch, was zwischen all der Tragik für äußerst humorige Momente sorgen wird. Tumba kriegt bei Gringo Comics übrigens eine eigene Buchreihe. Diese Serie wird vom Jürgen „Geier“ Speh getuscht. Der erste Band ist bereits fertig und erscheint zum Münchner Comicfest. Hier hat dann der Kommissar die Nebenrolle, da die Fälle, ähnlich wie die bereits angefertigten fünf Kurzgeschichten für ZACK, eher im Phantastischen angelegt sind. Ach ja, erwähnte ich bereits, dass ich gerade an der sechsten Story für ZACK sitze und mich trotzdem für faul halte? Grins!

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Special vom: 23.05.2011
Autor dieses Specials: Georg F.W. Tempel
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