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Die Flügel des Herrn Plomb

Ende der 1950er Jahre entstand im französischen Kino eine Bewegung junger Regisseure, die sich gegen die eingefahrene Bildsprache und den vorhersagbaren Erzählfluss des etablierten kommerziellen Kinos wandte. Außerdem sollte sich der Regisseur mehr in den Gesamtprozess des Filmemachens einbringen, anstatt sich auf das Inszenieren zu beschränken. Als Vorbilder galten Regisseure wie Alfred Hitchcock, Howard Hawks oder Roberto Rossellini. „Nouvelle Vague“ wurde das neue Kino genannt, das Namen wie Francois Truffaut, Claude Chabrol, Eric Rohmer oder Jean Luc-Godard hervorbrachte.
Beim Betrachten der Seiten von Die Flügel des Herrn Plomb fühlt man sich unwillkürlich an diese Zeit erinnert.


Christophe_GibelinNicht dass Christophe Gibelin (Szenario, Farben und ab Band #4 auch Zeichnungen) und Nicolas Barral (Zeichnungen Bd. #1 - #3) den Comic neu erfunden, geschweige denn revolutioniert hätten! Aber das Setting – Frankreich im Jahr 1958 –, die Darstellung der Charaktere, die Bildsprache – Perspektiven und Bildausschnitte – lassen sofort an Filme wie Schrei, wenn du kannst, Außer Atem oder Sie küssten und sie schlugen ihn denken. Die unverblümte Realität, das Fehlen jeden Glamours und die oftmals ausbrechende Gewalt tun ihr übriges, um den Eindruck, einen Film der „Nouvelle Vague“ zu genießen, zu bestärken.
Patrick Plombs Leben in der Pension seiner Mutter in einem kleinen Ort in den Pyrenäen ist ziemlich langweilig. Es spielt sich ab zwischen der Verführung weiblicher Gäste, dem regelmäßigen Sex mit dem Stubenmädchen, seinen Tagträumen vom Fliegen und den alltäglichen Kabbeleien mit seiner Mutter. Erst als ein früheres Playmate in der Pension Unterkunft bezieht und Patrick in einen Strudel aus Gewalt, Industriespionage und dem Attentat auf einen Minister gezogen wird, merkt er, dass nicht alles im Leben nur Zuckerschlecken ist.
Der 1967 geborene Christophe Gibelin zeichnet in seinem Szenario eine Welt, wie wir sie aus den alten Schwarzweißfilmen der 1950er und 1960er Nicolas_BarralJahre kennen. Frauen sind schön und gerissen oder Mütter.
Gangster sind kantig und brutal. Und Ausländer sind böse. Die Story ist spannend und nimmt sich die Zeit, die Figuren einzuführen und sie zu beschreiben – eben wie in alten Filmen, die einem anderen Rhythmus folgten, als die hektischen Werke des heutigen Popcorn-Kinos. Schade, dass seine Bibliografie in Deutschland unter keinem guten Stern steht. Die meisten seiner Serien wie Die Lichter des Amalu, Das Leuchtboot oder Land der Schatten sind entweder nicht komplett, über mehrere Verlage verteilt oder über einen sehr langen Zeitraum hinweg erschienen. Dabei sind die Geschichten des Allrounders – Szenarist, Zeichner und Kolorist in einer Person – so spannend wie Romane zu lesen.
Der 1966 in Paris geborene Zeichner Nicolas Barral kann sich dagegen einer gewissen Beliebtheit in Deutschland erfreuen. Wird David Bowie das „Chameleon des Rock“ genannt, da er immer wieder die Persönlichkeit gewechselt hat, so müsste Barral das „Chameleon der Comics“ sein. Mit jeder Serie wechselt er den Stil und den Strich.
Ist er in Die Flügel des Hern Plomb realistisch, gibt er der Serie Baker Street wunderbar funny-angehauchte Bilder, und Die Abenteuer von Philip und Francis sind eine geistreiche Parodie auf E.P. Jacobs Blake und Mortimer. Und auch als Texter ist der 44-jährige den hiesigen Lesern ein Begriff, verantwortet er doch die skurrilen Abenteuer von Napoleon Tran und seines geisterhaften Großvaters.
Schade nur, dass die Zweideutigkeit des Originaltitels – Les ailes de Plomb – nicht ins Deutsche übertragen werden konnten. Man könnte ihn als Die Flügel des Plomb, aber auch als Die Flügel aus Blei lesen.

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Szenario, Farben und Flugzeuge: Christophe Gibeli
Zeichnungen: Nicolas Barral
Historische Beratung: Eric Ascenci
Übersetzung: Bernd Leibowitz

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Special vom: 16.08.2011
Autor dieses Specials: Christian Recklies
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