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Eine kurze und wahre Geschichte des Phänomens „Gesamtausgaben“ im deutschsprachigen Comicmarkt

Sind sie nun die einzige Lösung für einen gesunden, vielfältigen und vor allem kompletten, funktionierenden Markt, auf dem der Leser die Wahl hat zwischen allen verfügbaren Genres, Autoren und Serien europäischer Herkunft? Oder steuern die umfangreichen bibliophilen Gesamtausgaben auf eine erneute "Krise" zu, in der zuviel altes, überholtes und möglicherweise uninteressantes Material das zur Verfügung stehende Kapital der Leser bindet?


LuckyLuke_GesamtausgabeBegonnen hat alles in den 1970er Jahren in Frankreich, als der Rombaldi-Verlag die Klassiker – und hier ist die Rede von wirklichen Klassikern – der frankobelgischen Comic-Literatur in „hochwertig“ produzierten Sammelbänden nachdruckte und einem neuen Publikum, das bis dahin vorwiegend zur Kundschaft von Buchclubs gehörte, zugänglich machte. Mit den in braunes (oder auch mal verspielt blaues) Kunstleder gebundenen Büchern wollte man Leute von der gesellschaftlichen und kulturellen Qualität der Comics überzeugen, die sich "ihren" kompletten Hemingway ebenfalls nur in dieser Ausstattung in die Regalwand stellten.
Womit Rombaldi nicht gerechnet hatte: Das Konzept ging auf und begeisterte nicht nur das angepeilte Publikum, sondern veranlasste auch Comic-Leser und -Sammler dazu, sich die beliebten Serien ein zweites Mal in den Schrank zu stellen. Möglicherweise wurden die bis dato gelesenen und gesammelten Alben den Kindern überlassen.

Schnell wurde von Seiten dieser zahlreichen und zahlungskräftigen Klientel der Wunsch laut, dass in die „wertvollen Komplettsammlungen“ (Werbespruch zur Asterix-Ausgabe) doch auch Extras mit aufgenommen werden sollten, die es bislang in Buchform nicht gab. So erhielten eine Reihe von Ausgaben der Serien Astérix, Tintin oder Lucky Luke mehr oder weniger umfangreiche Vorworte als Bonbon und Möglichkeit, Fotos und Skizzen aus der Entstehung der Werke zu zeigen. Im Falle von Hergés Serie ging die Begeisterung sogar so weit, dass Rombaldi noch während der Publikation der Sammelbände von Tintin eine weitere, eigenständig produzierte und mit völlig neuem Material ausgestattete Serie mit dem Titel L’Univers d’Hergé herausbrachte, die in enger Zusammenarbeit mit Casterman, dem belgischen Herausgeber von Hergé, und dem damals noch aktiven Studios Hergé um Bob de Moor zusammengestellt wurde.

Herge_Gesamtausgabe
Der Erfolg der französisch-sprachigen Sammelbände kam auch den deutschen Lizenznehmern zu Ohren. Vor allem der Stuttgarter Ehapa Verlag hatte großes Interesse daran, auf den Zug mit den „exklusiven“ Buchausgaben aufzuspringen. Damals existierte der Geschäftsbereich der Ehapa Comic Collection noch nicht und damit auch kein umfassendes Vertriebsmodell der deutschsprachigen Ausgaben von Serien wie Asterix oder Lucky Luke für den Buchhandel. Anders als der Hamburger Carlsen Verlag hatte Ehapa seine Aktivitäten bis dahin vor allem auf das Presse-Grosso konzentriert, und gebundene Ausgaben seiner Comic-Alben waren nur in vergleichsweise kleinen Auflagen vertrieben worden. Um jedoch keine allzu offensichtliche Verbindung in der Vermarktung derselben Inhalte zu zeigen, gründete Ehapa den Horizont Verlag in Filderstadt, einem Nachbarort von Leinfelden-Echterdingen, damals Stammsitz des Verlags. 1984 begann die Veröffentlichung der ersten Sammelbandreihe mit Asterix, ein Jahr später folgte mit Lucky Luke der zweite Erfolgstitel von Dargaud, die wie auch die Einzelalben von Adolf Kabatek herausgegeben wurden. Der Vertrieb erfolgte ausschließlich im Direktbezug als Abonnement, was einen maximalen Gewinn für den Verlag zur Folge hatte, da keine Zwischen- und Einzelhändler beteiligt waren.

Die in braunes Kunstleder eingebundenen Bücher der Ausgabe, von der zu beiden Serien zunächst sieben verschiedene Bände angekündigt worden waren, enthalten die bekannten Geschichten und jeweils einen oder mehrere zusätzliche Texte über Hintergründe zur Serie zum Subskriptionspreis von damals 39,50 DM. Sie waren zunächst auch in einer nummerierten Edition mit Subskriptionsurkunde erschienen, die sich nur durch einen Stempel auf der ersten Innenseite auszeichnet. Zahlreiche Prämien (Puzzles, Asterix-Lexikon, Schmuckgoldbarren etc.) wurden im Laufe der Zeit zum Bezug der Serie angeboten und produziert.

Offensichtlich waren für die Ausgabe remittierte Exemplare der Softcoveralben aus dem Presse-Grosso neu aufgebunden worden, was die unterschiedliche Papierqualität der Comics im Vergleich zum neu gedruckten Extrateil erklärt. Beide Reihen liefen bis in die späten 1990er Jahre mit großem Erfolg und wurden mehrmals nachgedruckt sowie um weitere Bände (Asterix kam auf 9 Ausgaben, Lucky Luke auf 15) ergänzt.

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Special vom: 18.11.2011
Autor dieses Specials: Volker Hamann
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Editorial von Georg F.W. Tempel
RIA: Fantasy-Story mit Disney-Flair von Stenarts
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