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Von der ehemaligen DDR zum Nordpol - Interview mit Simon Schwartz

Von der ehemaligen DDR zum Nordpol.
Interview mit Simon Schwartz, dem Künstler von drüben! und Packeis


Simon_SchwartzSimon Schwartz debütierte 2009 mit drüben! und legte damit vom Start weg die Messlatte hoch. Mit dieser Graphic Novel, die zum 20. Jahrestag der Berliner Maueröffnung erschien, gelang ihm ein überraschender Kunstgriff. Anders als viele Bücher und Filme, die seit Jahren deutsch-deutsche Geschichte relativ unspannend behandelten, verknüpfte der junge Künstler ein wichtiges Kapitel deutscher Vergangenheit mit seiner höchst persönlichen Lebensgeschichte und verpackte diese in eine non-lineare, aber sehr filmische Erzählweise. Das brachte ihm eine Nominierung für den begehrten "Deutschen Jugendliteraturpreis" ein.
Simon Schwartz wurde 1982 in Erfurt, DDR geboren. Eineinhalb Jahre später verließen seine Eltern mit ihm das Land, und die Familie zog nach West-Berlin. Über sein Schülerpraktikum kam er dort in Kontakt mit dem Mosaik Verlag, bei dem er nach dem Abitur zwei Jahre lang als geschätzter Mitarbeiter der Redaktion tätig war. Auch während seines Studiums arbeitete Simon weiter für MOSAIK und selbst in seiner ersten Comicveröffentlichung drüben! kann man einige MOSAIK-Hefte in den Panels finden. Seit 2004 lebt er in Hamburg, wo er an der HAW "Illustration" studierte und mit drüben!, dem ersten eigenen Comic, diplomierte. Seitdem arbeitet er hauptberuflich als Illustrator für verschiedene Zeitschriften und Magazine, darunter die FAZ, Die ZEIT, GEOlino oder der Tagesspiegel. Sein nächster Comic heißt Packeis und wird im März 2012 im avant Verlag erscheinen.
Dies nahm ZACK zum Anlass, sich mit dem Wahl-Hamburger über seine Arbeit als Illustrator und als Comiczeichner zu unterhalten. Das Gespräch führte Matthias Hofmann am 4. März 2011 in der Hansestadt.
Als sich die Veröffentlichung von Packeis von Herbst 2011 auf Frühjahr 2012 verschob, wurde das Interview am 29. November 2011 mit aktuellen Fragen ergänzt.

Simon, gehen wir gleich mal in die Vollen … Siehst du dich als Comiczeichner oder als "Graphic Novelist"?
Ich sehe mich als keins von beiden sondern als Illustrator. Comics sind das, was ich am dr_benliebsten mache und wo ich auch keine Kompromisse eingehe, aber zum Glück auch nicht muss. Aber hauptberuflich bin ich Illustrator und schaffe angewandte Kunst.

Wahrscheinlich ist das potenziellen Kunden auch leichter zu vermitteln als "Comiczeichner"?
Auf meiner Visitenkarte steht "Illustrator" [schaut zur Sicherheit auf einer seiner Karten nach]. Und ich bin es gern. Es gibt viele Comic-Zeichner, die das nur machen, um sich ihre Comics finanzieren zu können.

Was ist dir bei deinen Comics wichtiger, die Geschichte oder die grafische Umsetzung?
Die Geschichte. Ich habe vor kurzem einem Vortrag von Martin tom Dieck gesehen. Der hat etwas gesagt, das war ganz spannend. Ich habe ja hier in Hamburg bei Anke Feuchtenberger "Illustration" studiert. Die ganzen Avantgarde-Comicleute der 1990er Jahre, die heute an den Unis unterrichten, die waren alle aufs Bild fixiert. Da ist die Story nebensächlich. Und bei ihren ganzen Schülern, bei mir, Arne Bellstorf oder Sascha Hommer, ist es genau andersrum. Für mich ist die Zeichnung nur das Trägermedium für die Geschichte.

Gerade bei drüben! ist das sehr spürbar. Die Story ist so stark, die würde auch eine Kurzgeschichte oder einen Roman tragen. 
Es würde sicher auch in einem anderen Medium funktionieren. Aber als Comiczeichner hat mich die Umsetzung als Comic interessiert. Gerade bei drüben! war mir die Geschichte sehr wichtig, und ich wollte sie einfach loswerden, so dass auch Zeichnungen dabei sind, die nicht so stark sind.
Die hätten besser sein können, aber ich wollte so sehr die Geschichte erzählen, dass ich bei den Zeichnungen Abstriche gemacht habe. Bei Packeis ist es dagegen anders. Hier ist mir die Geschichte weniger extrem wichtig, und da sie mir nicht persönlich so nahe geht, kann ich mich hier stärker auf die Zeichnungen konzentrieren.

packeisdrüben! ist ein stark autobiografischer Comic. Den Hauptteil der Geschichte hast du aber nicht selber erlebt. Es sind vor allem die Erlebnisse deiner Eltern.
Zum Teil. Ein paar Erinnerungen aus meiner Kindheit sind schon darin zu finden, aus dem Kindergarten und als Grundschüler.

Eine ganz wichtige Szene wird am Schluss geschildert, als ihr im Westen angekommen seid. Du warst nur eineinhalb Jahre alt, kannst dich aber noch an die Situation erinnern, wie ihr bei Freunden im Wohnzimmer saßt. Vieles wirst du aber recherchiert haben. Wie ist das, wenn man Informationen aus der Historie der eigenen Familie erforscht?
Ich habe mich nicht hingesetzt und angefangen, etwas aufzudecken.
Ich wusste das zum größten Teil schon. Die Recherche lief damals schon seit 27 Jahren irgendwo im Hintergrund. Einzelne Episoden haben mir meine Eltern immer mal erzählt gehabt.

Wie die Geschichte mit der vergessenen Jacke im Zug?
Genau. Aber manche Dinge wusste ich natürlich nicht. Ich habe z.B. nie gewusst, warum mein Vater schließlich gesagt hat: "Jetzt reicht‘s!".
Ich habe meine Eltern zwar wirklich noch einmal interviewt, aber das war mehr so ein Nachfragen bei bestimmten Dingen, um Fakten zu checken. Wen ich richtig interviewt habe, das waren meine Großeltern, wobei das bei den Eltern meines Vaters nur bis zu einem bestimmten Punkt gegangen ist. Sie erzählen dir alles von 1949 und dem Mauerfall – und dann nur noch, was ihnen aktuell in den letzten zwei Wochen passiert ist.

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Special vom: 22.01.2012
Autor dieses Specials: Matthias Hofmann
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