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Eröffnungsrede von Reiner Eckert
Reiner_EckertMeine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Gestalter des Mosaiks, sehr geehrter Herr Emmerilch und sehr geehrter Herr Hütter,

ich möchte mit einem Dank beginnen. Dieser Dank gilt Johannes Hegenbarth für die großzügige, ja überwältigende Schenkung seines Vorlasses, das heißt seines Lebenswerkes. Mit diesem Dank verbinde ich Grüße nach Berlin und beste Genesungswünsche. Wir wissen, dass Hannes Hegen heute nur zu gern bei uns gewesen wäre - jetzt sind unsere Gedanken bei ihm.

Zu danken ist auch allen Kollegen in Leipzig und Bonn, die an der Gestaltung der Wechselausstellung "Dig, Dag, Digedag" mitgewirkt haben. Es ist ihnen gelungen, eine Ausstellung zu erarbeiten und zu präsentieren, die glücklich macht. Zumindest gilt das für die Generation der Zeitzeugen in Ostdeutschland, wie ich hoffe auch für die, die nicht mit dem Mosaik aufgewachsen sind.

Besonderer Dank gilt jedoch der Gestalterin der Ausstellung  Frau Görner und der Projektleiterin aus unserem Haus, Frau Dr. Lobmeier. Ohne ihr weit überdurchschnittliches Engagement, ihre Intelligenz, ihren Witz und ihre Sensibilität hätten wir uns heute nicht zur Ausstellungseröffnung treffen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Rumpelmännchen
wie wohl fast alle Kinder in der DDR sammelten auch meine Tochter und mein Sohn alte Flaschen, Papier und Lumpen als sogenannte Sekundärrohstoffe. dabei treib sie weniger ein Bewusstsein als Junger Pionier, sondern stärker die konkreten Vermarktungsaussichten des Gesammelten, also profan gesagt, ihr persönlicher finanzieller Profit. Das Ganze hatte allerdings einen beträchtlichen Haken: Hannah und Simon sammelten zwar das Altmetall, zeigten jedoch wenig Lust, es auch zur Sero-Annahmestelle zu bringen. Letztlich musste ich dann verschiedentlich diese Arbeit übernehmen. Dies brachte mit sich, dass ich beim ersten Besuch der Annahmestelle fragte, ob dies hier das "Rumpelmännchen" sei. Der Mitarbeiter der Erfassungsstelle reagierte empört: er sei nicht das "Rumpelmännchen", sondern Mitarbeiter einer volkswirtschaftlich bedeutsamen Einrichtung. Was ich damals nicht wusste war, dass das "Rumpelmännchen" auf Hannes Hegen zurückging und ein bzw. das Vorbild für die Digedags gewesen war.

Meine Damen und Herren,

Dig, Dag und Digedag waren mir natürlich bekannt. Das erste Heft des Mosaiks hatte ich nämlich mit fünf Jahren in der Hand gehalten. Schwach kann ich mich an den Anfang Dezember 1955 erinnern, als meine Mutter und ich an einem kalten Tag die erste Nummer des neuen Comics (ohne diese Bezeichnung zu kennen) an einem Potsdamer Zeitungskiosk erwarben. Seitdem blieb ich dem Mosaik treu und unsere lange Beziehung drückt sich heute darin aus, dass die jetzt teilweise schon über fünfzig Jahre alten Hefte vollkommen zerlesen sind und deutliche Spuren höchste laienhafter Restaurierungsversuche tragen.

Ich gehöre also zu den Ostdeutschen, deren Lebensweg das Mosaik begleitete. Das lässt mich auch heute noch fragen, was die Faszination der Hefte von Hannes Hegen ausmachte. Es waren die Figuren der Digedags, mehr noch jedoch das Gegeneinander von Gut und Böse, wobei meine Sympathien manchmal eher den Spionen des Großneonischen Reiches galten. Dazu kommen die Interaktionen von Menschen, Geister und Tieren, ich möchte die Kenner des Mosaiks nur an den Löwen Nero oder das Krokodil Mutawakel in Konstantinopel erinnern, das mit dem "Chor der Schmeichler" um die Gunst des Kaisers buhlte, letztlich jedoch in Ungnade fiel. Und in Erinnerung geblieben sind die Erlebnisse von Piraten, Raumfahrern und Abenteuern, von denen einige ein schlimmes Ende nahmen.

Die Geschichten hatten immer etwas Geheimnisvolles, sie hatten Witz und sprühten von Ideen. Viele werden sich an die Sprüche des Ritters Runkel von Rübenstein erinnern oder an Verse der Digedags wie diesen: "Badewannen, wilde Tiere, Aktenstaub, Geheimpapiere, Kisten und Kanonenschlag, transportieren Dig und Dag".

Meine Damen und Herren,

ich selbst empfand das Mosaik nicht als politisch, obwohl sich sicher der Kalte Krieg und Entwicklungen in der DDR in ihm widerspiegelten (dazu kam dann zeitweilig die Beilage "Klaus und Hein" mit Geschichten aus dem Pionierleben und solch legendären Gestalten wie dem "Wattfraß"). Insgesamt gefiel mir jedoch die Römerserie am besten, aber auch die Südseeserie, die Amerikaserie, die Reihe mit den Erfindern oder mit Ritter Runkel waren nicht ohne.

Aus heutiger Sicht denke ich, dass an all diesen Heften und Serien das Entscheidende war, dass sie Sehnsuchtsorte beschrieben. dazu zählte Rom wie die USA, der vordere Orient und das Weltall. Wenn auch Geschichten aus dem Silbertal im Erzgebirge oder aus dem Magdeburg Otto von Guerickes spannend waren, so erreichten sie doch nicht die Faszination gänzlich fremder Welten. Diese ist letztlich nur aus der Perspektive einer eingemauerten Welt zu verstehen, einer Welt hinter Mauer und Stacheldraht. Hier war das Mosaik ein Lichtblick. Ob es für heutige Generationen genauso attraktiv ist, wird auch die Aufnahme unserer neuen Wechselausstellung zeigen. Ich jedenfalls bin optimistisch, und das allein schon deshalb, weil mein siebenjähriger Enkel angekündigt hat, das erste Mal in seinem Leben nach Leipzig ins Zeitgeschichtliche Forum zu kommen.
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Special vom: 27.02.2012
Autor dieses Specials: Reiner Eckert
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Kommentar zur Ausstellung
Video: Pressekonferenz Rede Prof. Eckert, Leiter ZGF Leipzig
Video: Buchvorstellung Mosaik-Handbuch
Video: Vernissage, Rede Gunther Emmerlich
Zeichenkurs mit Schwarwel
Bildergalerie
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