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Ein Besuch auf der Leipziger Buchmesse 2012
Wer am Samstag auf der Leipziger Buchmesse war, kann den neuen Besucherrekord vollkommen nachvollziehen. 163.500 Menschen wanderten laut Veranstalter in den vergangenen vier Tagen von Stand zu Stand und der Samstag ist traditionell der besucherstärkste Tag der Messe. Nachdem wir im carlsenletzten Jahr am vergleichsweise ruhigen Freitag durch die Messe flanierten haben wir uns in diesem Jahr den Samstag ausgesucht. Beim Leipziger Comicstammtisch einen Tag vorher ernteten wir Gelächter, bei der Äußerung die Buchmesse an diesem Tag besuchen zu wollen. Und rückblickend muss gesagt werden: Nie wieder am Samstag!
Die überfüllten Straßenbahnen am frühen Morgen ließen schon ahnen, was auf der Messe los sein wird. Glücklicherweise kam man durch den Pressebereich völlig stressfrei und ohne langes Anstehen herein, doch dann ging das Schieben und Drängeln schon los. Das erste Ziel bildete natürlich die Halle 2, welche Comics, Cartoons und Kinderbücher enthält.
Natürlich war hier der Andrang der Cosplayer und Manga-Fans am größten. Für erstere findet auf der Messe der Wettbewerb "European Cosplay Gathering" statt. Demzufolge gab es hunderte verkleideter Teenies und Erwachsene, die teilweise atemberaubende Kreationen zur Schau trugen. Kein Wunder, dass die Verantwortlichen der Buchmesse sogar einen Bereich des "Waffenchecks" für die Cosplayer eingerichtet hatten.
In der Comicecke der Halle 2 erwarteten dem Besucher neben unglaublich vielen Händlern, einige Verlage, Künstler und ein paar Ausstellungen.
Letztere beinhalteten Werke zur Preisverleihung "Manga Talente 2012", mit einigen abwechslungsreichen und sehr unterschiedlichen Beiträgen. finnish_comics_annualSchwarwel stellte einige Karikaturen aus seinem neuen Werk "Die Bändigung des Kapitalismus" aus, welches auch am Gemeinschaftsstand der Verlage erworben werden konnte. Des Weiteren gab es eine groß angekündigte Ausstellung namens "Respekt", die zehn Comics von internationalen Künstlern präsentierte.
Darüber hinaus zeigte die finnische Comicszene auf einem großen Stand ihr Können. Hier waren viele verschiedene Comics ausgestellt und es gab "Finnish Comics Annual 2011" und "-2012" zu bewundern.
Doch die Finnen sollten nicht die einzige Nation mit Comics auf der Buchmesse sein. Ziemlich versteckt in einer anderen Halle hatte Chile einen Stand, wo neben Büchern auch ein großes Portfolio der heimischen Comics ausgestellt war. Diese versprühten einen großen Indie-Charme, ähnelten optisch aber sehr den US-Vorbildern.

Leider war dies schon fast alles, was über die Leipziger Buchmesse 2012 in Sachen Comics berichtet werden kann. Die einzelnen Stände der Verlage gingen fast vollständig im Händlergetümmel unter. Panini versteckte sich bei einem Händler, EMA (Egmont Manga & Anime) vermischte sein Programm mit all den anderen Produktionen aus dem Hause Ehapa, Tokyopop blieb gleich komplett fern und der Gemeinschaftsstand der deutschen Verlage, wie Cross Cult, Reprodukt, Splitter usw. glänzte am Samstag und Sonntag durch eine völlige Abwesenheit von Verlagsmitarbeitern. Die crosscultPräsentation der deutschen Comicszene war folglich auf ein absolutes Minimum reduziert. Wenn es nur darum geht, die Comics auszustellen, wie beim Gemeinschaftsstand, kann auf so etwas auch verzichtet werden. Gespräche mit den Herausgebern sind nicht möglich, zusätzliche Infos können nicht eingeholt werden und der Kunde ist sich somit selbst überlassen.
Wie Focus Online angesichts der traurigen Szenerie am Samstag und Sonntag zusammenfassen kann, dass "Comics [...] seit langem ein Schwerpunkt der Leipziger Buchmesse" sind, bleibt fraglich. Der Comic wurde in der Halle 2 zum wiederholten Male an den Rand gedrängt. Im Vordergrund standen Kinderbücher. Hunderte von Cosplayer und Mangafans spiegeln nicht wirklich die deutsche Comicszene wieder. Vorrangig begeisterten sich diese Besucher für den genannten Wettbewerb oder für die Signierstunden.
An den verschiedenen Signiertischen waren am Wochenende viele Künstler des gerade beim Schwarzen Turm Verlag erschienen zweiten "Subway to Sally Storybook" vertreten. Den Rest hatte anscheinend Comic-Culture und EMA gebucht. Große Namen aus dem Comic-Bereich waren am Wochenende auf den Signierstühlen fehl am Platz.

In wie weit die Veranstalter der Leipziger Buchmesse die Schuld für den stark geschrumpften, aber durch viele Händler optisch gleich gebliebenen, Comicbereich in Halle 2 auf den eigenen Schulter tragen, ist diskussionswürdig. Einige Verlage zogen ihre Konsequenzen aus den neu eingeführten Messekassen, wodurch der Direktverkauf der Verlage an den Kunden unterbunden wurde. Die nun anfallenden Gebühren schluckten den ohnehin mageren Gewinn der Comicverlage. Verständlich, dass einige deswegen der Messe fern blieben.

Enttäuscht von der viel zu vollen Messe mit einem absolut ungenügenden Comicangebot ließ man die Eindrücke noch einen Abend sacken. In Erinnerung an das gelungene Vorjahr wurde am Sonntag ein neuer Versuch gewagt. Die Messe zeigte sich hier luftiger und sympathischer. Nur den ritter_runkelComicbereich überzog noch eine Wolke der Langeweile und der Ideenlosigkeit. Händlerstände machen nun mal keine Lust auf Neuerscheinungen.
Lediglich die Diskussionsrunden auf dem schwarzen Sofa konnten den negativen Eindruck etwas aufhellen. Am Samstag nahm hier beispielsweise der finnische Comickünstler Petteri Tikkanen Platz, welcher über seine Arbeiten Bericht erstatte und nebenbei zeichnete, was der Stift hergab.
Am Sonntag präsentierte der Berliner Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag die Lesung zum neuen Ritter Runkel Roman „Im Namen der Rübe“ vom Autor Lothar Dräger. Nach der Buchvorstellung spielte eine Berliner Theatergruppe noch ausgewählte Szenen aus dem Roman.

Diese kurzen Momente auf der Leipziger Buchmesse 2012 mindern etwas die ansonsten negative Kritik. Das zurückliegende Wochenende hat gezeigt, dass niemand wegen Comics nach Leipzig fahren muss. Die Art und Weise der Präsentation ist mehr als enttäuschend, die Bandbreite der ausstellenden Verlage ist sehr übersichtlich und für Gespräche zwischen Herausgeber und Kunden ist anscheinend kein Platz. Schade eigentlich!
Nichtsdestotrotz konnten Veranstaltungen, wie die finnische Ecke und die beiden genannten Diskussionen auf dem Schwarzen Sofa begeistern.

Im nächsten Jahr geht’s dann wieder wegen der Bücher nach Leipzig. Das Thema Comic wird wohl weiter in den Hintergrund gedrängt, auch wenn hunderte Mangafans das anders sehen werden.
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Special vom: 19.03.2012
Autor dieses Specials: Christian Recklies
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Fotos von der Buchmesse
Packeis-Vernissage von Simon Schwartz
Fotos von der Packeis-Vernissage
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