Optionen und weiterführende Links



In der Datenbank befinden sich derzeit 477 Specials. Alle Specials anzeigen...

Ein Interview mit Gerhard Förster

Gerhard Förster: „Ich habe eindeutig eine journalistische Ader“

Gerhard_FoersterSeit Ausgabe Nr. 211 ist Gerhard Förster der neue Sprechblase-Macher. Zusammen mit Hans Stojetz führt er das Magazin weiter, das 210 Hefte lang im Norbert Hethke-Verlag erschienen ist.
Von vornherein war für Förster klar, dass der Kurs weiterhin auf Nostalgie ausgerichtet sein soll, dass das Themenspektrum allerdings kräftig erweitert gehört, um neben den Fans der Lehning-Ära auch neue Leser für das Magazin zu interessieren.
Dies führte zur Erhöhung der Seitenzahl und einer deutlichen inhaltlichen Verbesserung. Doch der Anfang war schwer. Im folgenden Interview gibt Gerhard Förster spannende Einblicke in seine Arbeit rund um die Sprechblase und zeigt unbekannte Abbildungen.

Zur Einleitung erstmal eine allgemeine Frage. Was hast Du denn in Deinem Comicleben schon so alles getrieben?  
Das ist soviel... manchmal werde ich auf Dinge angesprochen, an die ich mich gar nicht mehr erinnern kann. Fangen wir mit dem Einzigen an, das mir nie Spaß gemacht hat, dem Lettering. Seit ich damals beim Volksverlag mit Komantschenmond (1980) diesen „vorübergehenden Job“ begann, habe ich sicher etliche tausend Comicseiten mit meiner Handschrift versehen, von John Difool bis Blueberry, von Little Nemo bis Jeremiah, von Dragon Ball bis zum Mundart-Asterix (bei Letzterem habe ich übrigens nicht immer den Inhalt verstanden, es hat aber trotzdem funktioniert). Da es nicht sehr viele Leute gibt, die sauber Lettern können, war ich stets so gut mit Aufträgen versorgt, dass ich dadurch nur wenig Zeit für kreativere Comicaktivitäten hatte. Es war ein relativ sicherer Job, aber ich habe ihn verflucht. Durch die Umstellung auf den Computer, die mir sehr schwer gefallen ist, hat sich die Situation schließlich geändert. Nun war ich nur mehr ein Letterer von vielen. Doch das stimmte mich nicht traurig, ich weine den alten Zeiten sicher keine Träne nach.
Was das Zeichnen betrifft, habe ich zeitweise auch professionell gearbeitet (für Storyboards, Werbung, Buchcover, private Aufträge etc.) und tue es immer noch, wenn etwas anfällt.
Auch gab ich immer wieder Zeichenworkshops an Schulen. sherwood
Doch mein Herz gehört natürlich den Comics. Mein größter Fehler war, dass ich Sherwood, meine Robin Hood-Version aus den 80ern, nicht fortgeführt habe, da sie sehr beliebt war. Es kam halt immer was dazwischen (meistens Letteringaufträge). Zu Beginn des neuen Jahrtausends zeichnete ich  dann für mehrere Magazine die Serie Dr. Sammler (erschien 2002  als Album bei Polland) und für den Verlag Schwarzer Turm eine  vier Hefte umfassende Reihe namens Von Mir!, die primär autobiografische Comics enthält (u.a. über meine Erlebnisse in einer Sekte in allen Details). Ich wurde dazu durch Robert Crumb inspiriert. Vielleicht glauben die Leute, ich wollte damit etwas aufarbeiten oder mich habe der Exhibitionismus getrieben, doch der einzige Grund war die Erkenntnis, dass nichts aufregender ist als das wirkliche Leben.
Die ungewohnte Offenheit kostete mich Überwindung, aber ich befürchtete, dass es, wenn ich zuviel beschönige, langweilig werden würde. Meine wahre Leidenschaft gehört allerdings nicht dem Zeichnen sondern dem Schreiben. Es freut mich, dass zur Zeit Comics von mir mit anderen Zeichnern entstehen, da brauche ich mich nicht mit der Anatomie abzuquälen. Mehr kann ich dazu aber noch nicht sagen.
Und dann habe ich eindeutig eine journalistische Ader. Ich schnüffle gern rum und bin stolz darauf, wenn ich Unbekanntes zu Tage fördere.
Mein Debüt war ein Artikel über meinen ersten Besuch bei Hansrudi Wäscher – das war 1977 für Com-Mix Nr. 8. Das Erlebnis empfand ich damals als den schönsten Tag meines bisherigen Lebens. Ich hatte es so inhaliert, dass ich in dem Beitrag jedes kleinste Detail und Zitate von Wäscher auswendig wiedergeben konnte. Später wurde ich dann Gründungsmitglied des österreichischen Magazins Comic Forum und habe auch für das ebenfalls österreichische Comicland geschrieben.
sprechblaseMein erster Artikel für die Hethke-Sprechblase erschien in Nr.12 (1978) und war ein verrückter Psychotest mit schrägen Fragen über Wäscher-Comics. Viele weitere Beiträge folgten, wie z.B. das Helmut Nickel-Interview in Nr.99, die Bessy-Sprechblase (Nr.163) oder die Serie Die italienischen Wurzeln, die in Nr.191 begann. Für Hethke schrieb und gestaltete ich auch Das große Hansrudi Wäscher Buch (1987), für das ich u.a. den Altmeister ausführlich interviewte.  
Ich glaube, es ist in einer ansehnlichen Auflage erschienen. Ach ja, viele Jahre später schrieb ich dann noch mit großem Spaß für die Jurgeit-Comixene. Ich finde, dass Martin Jurgeit ein selten kompetenter und tüchtiger Zeitungsmensch ist, und ein Freund obendrein.
Ich schaue übrigens nur ungern in meine alten Ergüsse hinein, da ich  in meinem Perfektionismus befürchte, dass mir Fehler auffallen. Sprechblase-Autoren, die ich kritisiere, brauchen sich also nicht her-abgesetzt zu fühlen, ich ziehe mit mir selbst am härtesten ins Gericht!

Nun aber zu Deiner Sprechblase, die mit Nr.211 startete. Wie kam es dazu?

Ich hatte mich bitter bei Hethkes Sohn darüber beklagt, dass er nach dem Tod seines Vaters (2007) das Magazin einstellen  wollte, und war echt verblüfft, als er mich daraufhin fragte, ob ich es haben wolle. Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Da es viele Abonnenten gab, musste ich in kurzer Zeit einen Finanzier finden. Es hätte Freunde gegeben, aber das waren alles so Typen wie ich, ich brauchte einen Geschäftsmann. Dank dem Wiener Comicbörsenveranstalter Martin Erasmus habe ich den idealen Partner gefunden: Hans Stojetz. Er ist ein großer Fan alter Comics und ein erfolgreicher Unternehmer. nickel
Für die ersten beiden Ausgaben brauchte ich je 6 Monate, für die nächsten beiden je 4 Monate, dann 4,5 Monate, die weiteren zwei schaffte ich pünktlich in 3 Monaten – ohne Qualitätseinbußen! Routine macht schon was aus.
Inzwischen hat es leider wieder größere Intervalle gegeben. Vertrieblich war´s anfangs ein Horror, denn wir beschickten die Abonnenten über einen völlig unfähigen Privatversand.
Doch ab der Nr. 2  bekamen wir das in den Griff, auch dank der tatkräftigen Hilfe von Oliver Manstein. Für mich war das Magazinmachen Neuland, ich musste in das Projekt erstmal reinkommen. Sicher hatte ich zu Beginn so manche un- realistische Vorstellung, nicht jedoch über den grundsätzlichen Themenmix. Der hat von Anfang an gepasst und wurde von den Lesern begeistert aufgenommen. Nur wenn ich mich mal nicht an mein Konzept halte, gibt´s Schimpfe.
Bei aller Leidenschaft, was ich zeitweise verfluche, ist, dass bei so einem Magazin nie Schluss ist. Da gibt´s immer was zu tun. Und man möchte doch auch mal Feierabend machen. Was ich aber toll finde, ist, dass man sich bei so einem Projekt persönlich und charakterlich weiterentwickeln kann. Nicht alle Erfahrungen waren angenehm – es gab z.B. eine menschliche Enttäuschung, die mich ziemlich getroffen hatte –, aber es waren dennoch Erfahrungen, die mich weiterbrachten. Als Wald und Wiesen-Psychologe sage ich heute: Leute, spart Euch das Geld für irgendwelche Lebensverbesserungskurse oder gescheite Bücher und stellt Euch lieber Herausforderungen, an denen Ihr wachsen könnt!

Weiter geht es in ZACK # 157 ...

«  ZurückIndexWeiter  »


Special vom: 23.06.2012
Autor dieses Specials: Michael Hüster
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Editorial von Georg F.W. Tempel
Ein Nachruf auf Jean Giraud
Zuletzt gefragt: Thierry Capezzone
Zurück zur Hauptseite des Specials


?>