Erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Veröffentlichung der ersten Ausgabe von Das UPgrade. Wie kam der Comic in Erlangen an bzw. wie sehen die bisherigen Reaktionen seitens der Leser aus?
Ulf: Danke! Durchweg positiv! Soweit wir mitbekommen haben,
teilweise sogar euphorisch! Aber wenn einen Leute anrufen und sagen,
dass sie das letzte Mal vor 20 Jahren allein zu Hause derartig gelacht
haben - und zwar über Monsieur Hulot - bekommt man schon eine Gänsehaut.
In Erlangen sind wir die mitgebrachten 200 Exemplare komplett
losgeworden, vor allem an Zeichnerkollegen, was wir als hohe
Wertschätzung ansehen. Wir sind jetzt gespannt, ob auch die breite
Leserschaft einen Zugang findet. Sascha: Naja - der ein oder andere hat schon auch
bemerkt/bemängelt, dass Band 1 eher eine Art "Vorwort" zur eigentlichen
Story ist. Klar, wir brauchen schon erst mal einige Seiten, um die
Charaktere einzuführen und die Story anzuschieben. Vor allem, wollen wir
den Leser langsam aber sicher mit unserem Konzept des achronologischen
Erzählens vertraut machen. Ja - und eh wir’s uns versahen, waren die
Seiten des ersten Bandes aufgebraucht. Wir hoffen zumindest, dass es ein
überaus unterhaltsames "Vorwort" geworden ist. Und die Reaktionen, auf
Facebook zum Beispiel, machen uns zurzeit sehr viel Mut! Wie man im Editorial lesen kann, ist die Serie auf mehr als 10
Ausgaben konzipiert. In welchen Rhythmus werden diese erscheinen und
inwieweit steht bereits der grobe Handlungsrahmen für die einzelnen
Ausgaben? Ist bei anhaltendem Erfolg auch eine Fortsetzung über die
bereits geplanten Ausgaben hinaus möglich?
Sascha: Ja - möglich wäre das das schon. Aber ganz ehrlich -
damit rechnen wir jetzt eigentlich erst mal (noch) nicht. Immerhin
werden es nach 10 Bänden gute 400 UPgrade-Seiten sein, und wenn die
Leute danach natürlich trotzdem noch Lust auf mehr haben - okay. Warum
nicht. Wir haben auch mal an Spin-Offs gedacht - zum Beispiel an ein
Special, das sich nur mit dem kleinen Pionier-Ronny befasst. Der kommt
als Figur bis jetzt offenbar am meisten an. Ulf: Da wir beide beruflich eingespannt sind mit Werbe- und
Illustrationsaufträgen und uns daraus unser täglich Brot verdienen,
müssen wir unsere gesamte Freizeit in Das UPgrade stecken. Die
reine Produktionszeit des ersten Bandes hat ca. 4 Monate verschlungen.
Wir stecken aber so voller Enthusiasmus, dass wir uns vorgenommen haben,
zweimal im Jahr einen neuen Band abzuliefern. Der Song von Cosmo Shleym "Palms in Sorrow" durchzieht die gesamte
erste Ausgabe und lässt bereits einen Zusammenhang mit der eigentlichen
Handlung erkennen. Wer von Euch hat den Liedtext verfasst und inwieweit
geht Cosmo Shleym mit diesem Song wirklich auf die Suche nach den
geheimnisvollen vier Teilen? Was hat es allgemein mit dem rosa Zeichen
auf sich bzw. wie viel wollt/könnt ihr bereits darüber verraten?
Sascha: Naja - das meiste darüber sollte schon noch "geheim" bleiben. Ulf - erzähl Du doch mal. Ulf: Der Inhalt des Textes hat natürlich was mit der künftigen
Handlung zu tun. Cosmo Shleym sucht tatsächlich mithilfe seines Songs
diese geheimnisvollen Teilchen, die "Initiali". Er sendet den Song mit
seinem Privatsender rund um die Welt und hofft, dass sich wenigstens ein
Teilchen, ein Initialum, angesprochen findet. Das pinkfarbene Zeichen
zieht sich durch die gesamte Handlung: es ist die Form der Initiali,
taucht auch bei Cosmos Plektrum und Monitor auf, ist in einem
Vorhangstoff als Muster zu sehen, ist die Form der Teleportationsblase
usw. Diese Blase bildet sich immer um Ronny, wenn er den Song hört und
er kann sich damit teleportieren - oder besser: "translokieren", wie wir
das in unserem speziellen Fall nennen. Mehr dazu wird erst im 2. Band
verraten! Der Songtext stammt von Sascha, weil er der Anglophilere von
uns beiden ist. Sascha: Ja, ich war auch mal in einer Band, in der ich auch immer
die Texte schrieb. Und so habe ich das hier auch wieder übernommen. Der
Text sollte etwas leicht Irres, Verschrobenes ausstrahlen und doch alle
Elemente enthalten, die wir für unsere Story brauchen. Eine Art Code,
der, wenn man ihn entschlüsselt, eigentlich die ganze Story erzählt.
Cosmo ist als Figur übrigens grob an Brian Wilson, dem verstörten Genie
der Beach Boys angelehnt, der sich ja auch jahre-, wenn nicht jahrzehntelang in seinem Haus vergraben hatte. Natürlich aus anderen
Gründen. "Palms in Sorrow" klingt in meinem Kopf deswegen auch immer wie
ein Beach-Boys-Song aus den späten Sechzigern. Im Comic werden viele Anekdoten aus der DDR bzw. Wendezeit
thematisiert. Waren Euch die einzelnen Fakten, wie beispielsweise die
Umstellung der Zeitschrift Neues Leben auf die Coupé, selbst noch bewusst, oder musstet Ihr dafür extra Recherche betreiben?
Sascha: Haha! Das ist natürlich wirklich eine richtige Schlüsselszene geworden. Die Sache mit der Coupé.
Dabei ist Ulf da bei seinen Recherchen eher zufällig drauf gestoßen.
Aber wir fanden das Bild, die Metapher so stark, dass wir die Handlung
kurzerhand von den 2000er Jahren in die Zeit nach der Wende verlagert
haben - um eben genau das zu zeigen: Dieses Überstülpen einer Kultur auf
eine andere. Ein Upgrade, wenn Du so willst. Gleichzeitig passt die Neues Leben/Coupé-Sache gut zu Ronnys ganz persönlicher Lage. Diese Sinnlosigkeit, die von seinem Leben Besitz ergriffen hat. Und wenn man das Neue Leben
kennt, dann weiß man, dass es tatsächlich ein absoluter Affront für
dessen Abonnenten gewesen sein muss, plötzlich so mir-nichts-dir-nichts
ausgerechnet die Coupé zu erhalten. Ausgehend von diesem
Recherche-Fund, sind wir dann auf den Trichter gekommen, dass die
Nachwende-Zeit für unsere Story weitaus interessanter ist. Also -
Recherche war schon sehr wichtig für uns! Ulf: Vieles ist uns ja noch selbst im Gedächtnis, bzw. hat man
mal von etwas gehört und recherchiert dazu, wie denn die Fakten nun
wirklich liegen. Gegen Ende der Grobkonstruktion der Story fügten sich
manche Tatsachen wie von selbst, Puzzleteilen gleich, in die Handlung
ein. Ronnys Geburt und die X. Weltfestspiele standen z.B. als Handlungseckpunkte von vornherein fest. Der Auslieferungszeitpunkt der
Pille und der Tag des Chemiearbeiters passten dann aber zufällig perfekt
dazu. Bei unseren umfangreichen Recherchen stießen wir dann auf diese
absurde Neues Leben/Coupé-Geschichte und sie wurde sofort zu einem tragenden Teil des ersten Bandes. Die Umstellung des Abonnements von Neues Leben auf Coupé ist ein so schönes Gleichnis für die Umstellung der DDR-Kultur auf BRD-Kultur, dass wir nicht daran vorbei konnten. Sascha: Apropos eigene Erinnerungen: Ronnys Kinderzimmer ist zum
Beispiel mein eigenes Kinderzimmer von damals. Inklusive Pressspan-Möbel
und orangenes Papierrollo. Auch der Blick aus seiner Zimmertür zur
Küche hin ist wie bei uns zu Hause. Das war dann sozusagen eine Art
Gehirn-Recherche. Und beim Zeichnen sind mir dann kaskadenartig immer
mehr Details eingefallen, an die ich mich sonst nie mehr erinnert hätte.
Im Heft finden sich auch einige Wimmelbilder, die sehr detailreich
gestaltet wurden. Äußert sich darin Eure Vorliebe für diese Art von
Zeichnungen und wie viel Zeit nimmt eine derartige Massenszene, wie
beispielsweise bei den X. Weltfestspielen, in Anspruch?
Ulf: Als Sascha und ich in den 90ern noch gemeinsam bei MOSAIK
arbeiteten, war ich im Laufe der Jahre in den Ruf geraten, diese
Wimmelbilder besonders gut hinzubekommen. Ich war dazu verdonnert,
immerzu diese Massen zu zeichnen, auch, weil wohl kein anderer die
Geduld dafür aufbrachte. Mein persönlicher Rekord war damals eine
altägyptische Armee mit ca. 1000 Männchen. Das war Sascha natürlich noch
in Erinnerung. Und als dann der Drucktermin immer näher rückte, sprang
ich ein und zeichnete die Wimmelszenen. Die beiden großen Bilder haben
je ca. 2-3 Tage gedauert, zusätzlich noch die Farbe von Sascha. Sowas
macht man nur, wenn man so verrückt ist wie wir, entgegen aller
ökonomischen Vernunft. Sascha: Ja - ich habe diese Wimmelbilder von Ulf im Mosaik
immer bewundert. Leider ist heutzutage dafür kaum noch Zeit. Wir sind
dann auch mehr oder weniger von der Story gezwungen wurden, das so
"wimmelig" umzusetzen. Wenn Du die Weltfestpiele zeigst, muss es eben
auch richtig schön voll aussehen. Später haben wir dann allerdings
erfahren, dass ca. 30 Prozent der Menschenmassen, die man auf dem
Bildmaterial der X. Weltfestpiele sieht, Stasi-Agenten waren. Die haben
sich - ohne Quatsch - untereinander am gleichen Schuhwerk erkannt! Das Layout und die Zeichnungen wirken sehr dynamisch, wobei auffällt,
dass Ihr sehr viel mit den Perspektiven spielt und jedes Panel vom
Rahmen oder von der Ausrichtung einzigartig ist. Wie schwierig gestaltet
sich bei der unregelmäßigen Seitenaufteilung die Umsetzung der
laufenden Handlung? Und wie sah der Entstehungsprozess des Heftes
allgemein aus?
Sascha: Ja - das ist manchmal schon ein irrer Kampf. Beim Lesen
der Story sehe ich alles als Film in meinem Kopf ablaufen, allerdings
von drei, vier "Kamerapositionen" gleichzeitig gefilmt. Das macht mich
manchmal regelrecht irre, weil ich mich dann letzten Endes ja immer für
eine Ansicht entscheiden muss. Viele der Sequenzen hätte ich gern in
noch mehr Einzelbilder unterteilt, bzw. länger gestaltet - leider hat
uns da die Seitenzahl einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir
hatten im ersten Band so viel zu erzählen. Und wir hatten, bevor ich mit
den Zeichnungen begonnen habe, schon gut ein Drittel heraus gekürzt. Es
war wirklich nicht leicht. Bei den nächsten Bänden wissen wir jetzt
aber schon ein bisschen besser, was wir machen können und was nicht. Das
heißt, da werden wir weniger Sprünge drin haben, dafür aber längere und
ausgiebigere Szenen. Die Figuren sind ja dann bekannt und das Setting
auch. Ulf: Wir hatten mehrere Anläufe, bei denen sich nach und nach
herausstellte, wie unsere spezielle Zusammenarbeit funktioniert. Im
Moment sieht es so aus, dass wir in gemeinsamen Spinnstunden die
Handlung eines Bandes ausknobeln und ich dann detailliert aufschreibe,
was auf einer Doppelseite passiert, für die komplette Nummer. Manchmal
sind da auch schon Dialoge dabei. Sascha teilt sich die Doppelseiten
dann nach seinen Vorstellungen skizzenhaft auf und baut schon teilweise
Blasentexte ein, die wir dann noch mal gemeinsam unter die Lupe nehmen
und bis zum letzten Buchstaben zurechtfeilen. Währenddessen macht er
auch schon die Reinzeichnung. Mit Das UPgrade habt Ihr den Sprung in den Bahnhofsbuchhandel
gewagt. Kam der Vorschlag vom Zitty Verlag, oder habt Ihr bereits bei
den Planungen zur ersten Ausgaben diesen großen Verkaufsrahmen ins Auge
gefasst?
Ulf: Ursprünglich wollten wir ja eine Heftreihe à 24 Seiten
machen. Im Alleingang. Nach der aus eigener Tasche finanzierten
Flyeraktion 2011 in München sprachen uns verschiedene Verlage an, die
uns allesamt von der Heftform abrieten. Zitty klang dann am meisten
überzeugend und kam mit ISB-Nummer und Bahnhofsbuchhandel UND Buchhandel
unseren Vorstellungen am nächsten. Wir müssen zwar nun doppelt soviel
Seiten pro Ausgabe stemmen, aber das kommt unserer fülligen Erzählweise
auch sehr entgegen. Sascha: Ja - das war ein guter Kompromiss und dank der Zitty und
der Begeisterung unseres Redakteurs Marco Schiffner ging das auch alles
sehr reibungslos. Das schöne ist bei der Zitty, dass es sich um einen
Zeitschriftenverlag handelt, der eben ein ganz anderes Vertriebsnetz als
ein Buchverlag hat. Und so ist das mit dem Bahnhofsbuchhandel ganz von
selber entstanden. Wir sind darüber natürlich wahnsinnig froh! In den
Bahnhofsbuchhandel gehen eben nicht nur die Leute, die sich eh für
Comics interessieren. Auf welchen Inhalt können sich die Leser in der zweiten Ausgabe
freuen und was steht als Nächstes an im Hause Graupner und Wüstefeld?
Ulf: In Band 2 beleuchten wir noch etwas Ronny Knäusels Kindheit
und die Machenschaften von Heidrun Bellmann. Diese führen uns tief in
die Historie und zwar mitten ins 16. Jahrhundert. Natürlich wird auch
der für den Leser ein halbes Jahr währende Sturz Ronnys vom Hochhausdach
zu einem jähen Ende führen - wie, wird natürlich jetzt noch nicht
verraten. Wir planen, das Mammutwerk von ca. 400 Seiten nach etwa fünf
Jahren abzuschließen. Bei Erfolg gibt’s dann sicher wieder was Neues von
uns - Ideen sind ausreichend vorhanden - was wir nicht haben, ist Zeit.
Ich zeichne zwischendurch weiter für KNAX, und Sascha illustriert für GEOlino und Hahn Film. Sascha: Wobei sich der Inhalt des zweiten Bandes auch noch mal
komplett ändern kann. Hihi :) Wir hinterfragen unsere Planung auch
ständig und dank der achronologischen Erzählstruktur lassen sich die
Einzelteile eigentlich beliebig verschieben. So kann es auch gut sein,
dass Band 2 sich mit Cosmo und dessen Vergangenheit beschäftigt.
Allerdings haben wir das Gefühl, dass momentan die DDR-Thematik und der
kleine Ronny die Themen sind, die die Leser am meisten interessieren.
Naja - mal sehen. :)
Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Weitere Informationen zu Das UPgrade und zu den beiden Künstlern gibt es hier: Blog - Das UPgrade Homepage von Sascha Wüstefeld Homepage von Ulf S. Graupner
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