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PECOS BILL Teil 2 - Wie der Mythos die Comicreihe beeinflusst hat
Der kleine Pecos Bill fällt bei der holprigen Überquerung des Pecos River unbemerkt aus dem Prärieschoner seiner Familie. Da neben seinen Eltern sich noch 17 Brüder und Schwestern mit im Wagen tummelten, fällt sein Verschwinden vorerst nicht weiter auf. Als es am späten Abend bemerkt wird, ist die Suche vergeblich und die Familie macht sich schweren Herzens weiter auf ihrem Weg zu neuen Siedlungsgründen. Das kleine, vierjährige Balg gerät an ein Coyotenrudel, dessen freundliches Leittier ihn aufnimmt und als Mitglied betrachtet. Pecos Bill (so wird er natürlich erst Jahre später genannt) wächst bei dem Rudel fernab der Menschen auf und gerät erst ein gutes Jahrzehnt später wieder unter seinesgleichen.
Soweit eine kurze Zusammenfassung der Ursprungsgeschichte des „größten aller Cowboys“, nach den Texten von James C. Bowman (auf Deutsch 1948 im Alexa Verlag, Wien erschienen), der die mit Abstand bekannteste Version der Tall Tale schrieb. Sie lag vermutlich auch Guido Martina, dem Schöpfer der italienischen Comicserie vor. In der Nr. 1 wird darüber in einer der Vorlage entsprechenden Weise in Form einer einseitigen Rückblende, die in eine frei erfundene Abenteuerhandlung eingebettet ist, berichtet, wobei anzumerken ist, dass nur in der deutschen Fassung bei Mondial von Wölfen die Rede ist, im Original sind es Coyoten.

Pecos_BillNun zu den Unterschieden zwischen der Legende und der Comicserie. Im Buch von Bowman trifft Pecos Bill viele Jahre später wieder auf seine Geschwister, im Comic spielen diese keine Rolle. Da der Comic trotz einer gewissen Ungewöhnlichkeit letztlich als konventionelle Abenteuerserie angelegt ist, sind Elemente, die im Buch das Heranwachsen des Protagonisten zeigen, hier nicht von Belang, ebensowenig gibt es eine Ranch als fixen Standort – der Held muss beweglich bleiben. Auch passen in das Abenteuergenre einige für den Mythos sehr wichtige Eckpunkte nicht hinein, wie jener, dass Pecos Bill als phantasiereicher Begründer der modernen Viehzucht dargestellt wird, oder die berühmte, aber irreale Szene, in der Bill einen Tornado mit dem Lasso einfängt und zureitet. Ähnliches kommt im Comic höchstens in Form von Lagerfeuergeschichten vor, die meistens Davy Crockett erzählt. Im Roman schießt der Held mit Revolver und Gewehr, wie jeder „normale“ Cowboy, im Comic kann man einen Feuerwaffengebrauch, sowie die Verwendung von Pfeil und Bogen, an einer Hand abzählen. Bills einzige Waffe ist sein Lasso. In der Urversion der Tall Tale von Edward O´ Reilly ist sein Lasso übrigens eine lebende Klapperschlange.

Die Indianer in Texas werden im Buch weitgehend ignoriert, sie erscheinen dort nur als Zuschauer am Rande eines gewaltigen Geschehens. Der Comic zeigt die Indianer hingegen als kulturell hochstehendes Volk mit unterschiedlichen Stämmen und Charakteren. Einer von ihnen, Weiße Feder, wird sogar zum besten Freund Pecos Bills.

Obwohl auch Pecos Bills große Liebesbeziehung in der Legende mit Irrealitäten ausgestattet ist, spielt sie im Comic eine Rolle – und auch hier sind fantastische Elemente mit eingeschlossen, wie der feste Glaube des Cowboys am Vorhandensein seiner große Liebe auf dem Mond. Bei Bowman taucht die „leichtfüßige“ Slue-foot Sue als vornehme Dame im Gefolge eines englischen Lords auf Bills Ranch auf. Mit ihrer forschen Art sowie ihren Liedern und Tänzen hat sie das Herz der rauen Männer im Sturm erobert – besonders das von Pecos Bill, der sich ihr als ihr Reitlehrer ungewohnt schüchtern nähert. Da im ersten Teil dieser Artikelserie schon ausführlich über die folgenden Geschehnisse berichtet wurde und der PECOS BILL-Comic in unserer Beilage auch davon erzählt, sei hier nur kurz erwähnt: Slue-foot Sue will am Hochzeitstag unbedingt auf Bills Pferd Widowmaker reiten, wird von dem eifersüchtigen Gaul aber abgeworfen. Durch die Sprungfeder in ihrem Reifrock wird sie allerdings wieder hochgeschleudert. Nicht ganz konform mit den Naturgesetzen wippt Sue nun immer stärker hin und her, bis sie ihre Beschleunigung fast zum Mond führt. Erst nach Tagen gelingt es Bill, sie mit dem Lasso einzufangen. Sue ist gerettet, hat nun jedoch die Lust zum Heiraten fürs Erste verloren. In der Urfassung von Edward O´Reilly (Magazinabdruck 1916, Buchveröffentlichung 1923), die die Basis der Story in unserer Comicbeilage bildet, endet die Episode allerdings auf fürchterliche Weise: Bill erschießt Slue-foot Sue aufgrund ihres eigenen Wunsches, da sie sonst bei ihrem endlosen Gewippe verhungert wäre. In der Fassung des renommierten Schriftstellers Frederik Hetmann (Herder Verlag, 1975), der einzigen, die es außer jener im Alexa Verlag noch auf Deutsch gibt, entschwindet sie in Folge des Sprung-Debakels in den Weltraum und ward nie mehr gesehen.
In der Comicversion von Mondial wird Slue-foot Sue nun in einer Art „reinkarnierten“ Form, als Mary Morgan (im ital. Original: Sue Morgan) sogar noch vor Pecos Bill in Heft 1 eingeführt, als Mitglied einen Wagentrecks. Sie stammt aus New York und ist mit ihrem Vater unterwegs, der bald darauf von Banditen erschossen wird. Schließlich lernt sie Pecos Bill kennen, indem er ihr – wie könnte es anders sein – das Leben rettet und ihr in der Folge hilft, die Verbrecher zu besiegen. In Heft 2 erzählt Marys Gefährte Korkzieher ihr die Sage von Meg Leichtfuß (im ital. Original: Sue Sluefoot). Sie erzählt vom zärtlichen Kennenlernen der Liebenden und von ihrer Trennung. Wie in der Tall Tale wird Bills Wunderpferd Meg zum Verhängnis, allerdings galoppiert es hier mit ihr „durch die Wolken geradewegs auf den Mond zu, und dort sehnt sich Meg nun bis heute nach ihrem Geliebten.“. In Ausgabe 3 sagt Bill zu Mary: „Vor langer Zeit kannte ich ein Mädchen, das dir glich. Sie hieß Mary wie du, Mary Leichtfuß.“ Mary antwortet, dass sie bereits von der Dame (die der Übersetzer an dieser Stelle umtaufte), und ihrem Verschwinden gehört hätte. Hier und auch später, wenn die beiden längst ein Paar sind, akzeptiert Mary die Sehnsucht des Helden anstandslos. Vielleicht zeigt dies allerdings nicht nur Marys selbstlose Liebe, sondern auch eine gut verborgene praktische Seite, denn eine Konkurrentin die zum Mond ausgewandert ist, wird ja wohl keine Gefahr für sie werden, da kann Pecos Bill noch so oft den Vollmond anstarren.. In Nr. 4 folgt ein erstes, zartes Näherkommen und Mary erzählt Bill, dass sie von einem Häuschen mit Rosensträuchern träumt. Bill will ihr helfen, es aufzubauen. Fortan wird am Ende der ausgedehnten Abenteuer, wenn mal wieder Zeit für eine romantische Szene ist, gern der Traum vom trauten Heim geträumt, das jedoch nie zustande kommt.

(Den ganzen Artikel findet Ihr in SPRECHBLASE 225)
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Special vom: 18.09.2012
Autor dieses Specials: Gerhard Förster, Detlef Lorenz
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