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Lona Rietschel - Die Mutter der Abrafaxe im Interview
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Lona_RietschelDie am 21. September 1933 in Reppen (heute Rzepin in Polen) geborene Lona Rietschel zeichnete von 1960 bis 1999 für das monatlich erscheinende Comicheft MOSAIK. Mit ihrem Talent entwickelte sie sich schnell zur stilprägenden Zeichnerin, und als nach dem Abschied von Johannes Hegenbarth, des ersten künstlerischen Leiters des Heftes, neue Hauptfiguren entwickelt werden mussten, setzten sich ihre Entwürfe durch – die Abrafaxe waren geboren. Doch zu DDR-Zeiten arbeitete sie praktisch im Anonymen. Dennoch erkannten die Fans ihren herausragenden Zeichenstil und nannten sie „Der gute Zeichner“. Erst nach der Wende wurde sie einem größeren Publikum bekannt. Kurz vor ihrem achtzigsten Geburtstag erhält sie beim diesjährigen Comicfestival in München den PENG!-Preis für ihr Lebenswerk.

Lona, lass uns auf Dein Leben als Comiczeichnerin zurückblicken.
Comiczeichnerin war ich ja nicht von Anfang an. Zuerst hatte ich ganz andere Pläne, eigentlich wollte ich Modezeichnerin werden.
Früher, muss ich dazu sagen, wurden Modehefte gezeichnet und nicht wie heute fotografiert. Und diese Zeichnerinnen waren natürlich ganz speziell ausgebildete Leute, man konnte so etwas in Fachschulen lernen – „Modegrafik“ hieß das.
Also ein bisschen Lokalkolorit: Berlin war ein Trümmerhaufen.
Ich war 15 Jahre alt, bin zur Berufsberatung gegangen und habe gesagt „Ich möchte Modezeichnerin werden.“ In einer Zeit, in der ich ungefähr zwei Kleider auf Punktkarten besaß, und das war’s schon.

Aber als Kind hast Du auch schon gern gezeichnet, oder?
Ja, als Kind habe ich immer gerne gezeichnet. Kleine Bildergeschichten mit meinem Teddybären, der war die Hauptperson, und natürlich Puppen drumherum. Kleine Bildchen, also Bild an Bild.

Wie war die Ausbildung zur Modezeichnerin?Panel_247
Am Anfang stand eine Textil- und Bekleidungsfachschule am Warschauer Platz, an der Warschauer Straße. Zu Beginn war sie in Pankow, aber da die Schule halb weggebombt worden war und alles fehlte, musste diese erst wieder aufgebaut werden, und ich ging dann in die am Warschauer Platz, und zwar in die Modegrafik. Es gab verschiedene Modeklassen, die mehr auf die Schneiderei bezogen waren, und wir genossen eine sehr gute Ausbildung zu dieser Zeit.
Wir lernten schneidern, Schnitte zeichnen und nach Maß arbeiten, nähen und alles, was dazugehörte. Das konnte ich auch später sehr gut gebrauchen.

Wann bist Du fertig geworden mit der Ausbildung?
Die Schule war zwar gut, aber mir gefielen die steifen Modepuppen nicht. Ich wollte gerne etwas Bewegtes zeichnen. Zu dieser Zeit liefen in den Kinos in Westberlin – die Grenzen waren ja alle noch offen und man konnte rübergehen – die ganzen Disneyfilme, die Zeichentrickfilme, und da habe ich gesagt: „Das wäre das Richtige für mich!“. Und dann wollte ich gerne Zeichentrick lernen. Es gab an der Meisterschule für Kunsthandwerk in Westberlin eine Klasse für Zeichentrick. Deswegen habe ich das letzte Jahr an der Modeschule nicht mehr gemacht, sondern bin nach Westberlin und habe dann Zeichentrick gelernt. Und den Unterschied. Wir hatten dort zwar auch einen Klassenlehrer, aber der kümmerte sich so gar nicht um uns. Irgendwann kam er dann und guckte, was wir gemacht hatten, ansonsten waren wir uns selbst überlassen.

Von wann bis wann warst Du in Westberlin?
Von 1953 bis 1955, so in etwa.

Hast Du die Ausbildung dann beendet?
Da war überhaupt nichts zu beenden. Da hätte ich 20 Jahre hingehen und sitzen können und immer dasselbe gemacht. Es ging nicht von der Stelle. Aber inzwischen hatte ich mich bei der DEFA bemüht. Die DEFA hatte eine Zeichentrick-Abteilung und zu denen bin ich gegangen. Die zeichneten zu der Zeit technischen Trick, also Erklärungen für irgendwelche Maschinen oder so was und hatten aber vor, irgendwann Werbefilme zu machen, also Figürchentrick zu zeichnen. Ich wartete also erst mal und dachte: „Naja, wann kann ich?“, und dann sagten sie mir: „Es ist immer noch nicht so weit, aber wir übersiedeln nach Dresden.“ Die ganze Abteilung Zeichentrickfilm ist nach Dresden, und ich musste hierbleiben in Berlin, weil ich bei meiner alten Mama wohnte und die ließ ich nicht allein.

Wie ging’s denn dann weiter nach dem Zeichentrick-Abenteuer?
Meine Hoffnung war weg. Nach Dresden konnte ich nicht. Und dann hab ich erst mal was anderes gemacht. Ich habe eine Freundin getroffen, die arbeitete in Weißensee in der Hochschule in der Modeabteilung als Modellschneiderin, und die sagte mir: „Bei uns wird ‘ne Stelle frei. Willste nich hinkommen?“. Und das hab ich gemacht. Dann hab ich von 1955 an 3 ½ Jahre in Weißensee als Modellschneiderin gearbeitet.

FigurenentwurfUnd in der Zeit ist dann ja schon das MOSAIK entstanden. Hast Du das bewusst mitbekommen, oder wann hast Du Kontakt dazu bekommen?
Von MOSAIK hatte ich keine Ahnung. Es wurde auch keine Werbung gemacht. Inzwischen war ich verheiratet, und mein Mann hatte einen Kollegen (– sie arbeiteten auch bei der DEFA –), der einen kannte, der bei MOSAIK arbeitete. Das war Jochen Arfert [1955-1994 Farbgrafiker bei MOSAIK]. Und der sagte: „Ich frag den mal nach ‘ner Telefonnummer.” Jochen hat ihm die Telefonnummer gegeben, und er hat sie uns weitergegeben, und dann hab ich da mal angerufen.

Wusstest Du zu dem Zeitpunkt überhaupt schon, was MOSAIK ist und was da auf Dich zukommen würde?
Ungefähr. Ich wusste aber nicht, dass es dieses Heft an den Zeitungskiosken gab. Gesehen hatte ich es schon, aber nicht für mich direkt wahrgenommen. Ich dachte bloß: „Das müsste das richtige sein.“ Dann hab ich angerufen und durfte hinkommen, wurde rumgeführt und habe gesehen, dass mir das sehr gut gefallen würde.
Da wollte ich gerne einsteigen, aber das Kollektiv war voll. Herr Hegenbarth wollte mich zwar als Zeichnerin gleich haben, sagte aber auch: „Im Moment geht es nicht. Wir müssen warten, bis sich mal eine Gelegenheit bietet.“ Und die bot sich dann. Ein Kollege ist damals nach dem Westen abgehauen, sagte man. Also… ein Kollege hat das Kollektiv verlassen, und da hat sich Herr Hegenbarth an mich erinnert. Meine Adresse hatte er noch.

Da musst Du ja schon ziemlichen Eindruck hinterlassen haben bei Hegen, wenn er Dich dann direkt kontaktiert hat.
Ich bin damals natürlich mit einer Mappe mit Zeichnungen hingegangen, und er sagte gleich: „Ach, Sie können ja zeichnen. Ja, ja. Gut. Also, sobald sich die Gelegenheit bietet ...“.
Eingestiegen bei Hegenbarth bin ich am 2. Mai 1960.

War Dir von Anfang an schon klar, wie man einen Comic zeichnet oder hast Du das einfach so gelernt?
Na ja, das sieht man ja. Die anderen Kollegen saßen da ja auch und vor allen Dingen: Herr Hegenbarth ging rum und arbeitete mit jedem und mit mir als Neuling sowieso. Er hat mich eingewiesen in die Zeichnungen, und das war sehr gut. Es ist sehr, sehr wichtig, dass man zu Anfang Korrekturen bekommt. Manchmal sind es Kleinigkeiten, und schon sieht es besser aus. Herr Hegenbarth machte sich sehr viel Mühe mit dem Einarbeiten. Irgendwann brauchte ich das dann nicht mehr und konnte die Figuren alleine zeichnen.  
Wir bekamen die Figuren ja vorgesetzt, wir haben sie nicht selber entwerfen müssen. Das hat Frau Hegenbarth gemacht.

Was waren Deine Aufgaben beim MOSAIK in den ersten Jahren?
Figuren zu zeichnen, und zwar die großen Figuren, möglichst mit Mimik und Gestik.
Darauf hab ich mich spezialisiert.

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Special vom: 27.05.2013
Autor dieses Specials: Robert Löffler
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Editorial von Georg F.W.Tempel
STEAM NOIR - Das Kupferherz
Kolumne Das Allerletzte
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