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Interview mit Szymon Kudranski
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Polnische Kunst und amerikanische Helden - „Zeichnen heißt für mich Atmen“

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Der künstlerisch vielfach begabte Szymon Kudranski tobte sich zunächst als Maler und Skulpteur aus. Erst mit dem Zeichnen von Comics entdeckte der Pole seine wahre Berufung und trat in die Fußstapfen seines Vaters, der einst Comics für eine kleine polnische Zeitung zeichnete.
Neben seinem alten Herrn gehören Todd McFarlane, Ashley Wood, Bill Sienkiewicz, Dave McKean und Kent Williams zu Kudranskis großen Vorbildern. Schließlich debütierte Kudranski mit seinem ungewöhnlichen Stil als Zeichner auf dem US-Markt und arbeitete u. a. an Titeln wie 30 Days of Night oder Tales of the Teenage Mutant Ninja Turtles. Mit der US-Jubiläumsausgabe Spawn 200 wurde er Zeichner seines persönlichen Lieblingscomic-Helden und arbeitet seither mit seinem Idol Todd McFarlane an Spawn zusammen, der 2012 sein 20-jähriges Jubiläum feierte und dessen Look Kudranski mit seinem Stil drastisch veränderte.
Darüber hinaus veröffentlicht Kudranski seit 2010 auch im DC-Universum, wo er u. a. mit Tony S. Daniel und Gregg Hurwitz an diversen Batman-Titeln gearbeitet hat.
Im Interview spricht er über sein Verständnis von Kunst, die Arbeit an Spawn und die Kollaboration mit Todd McFarlane.

Hallo Szymon. Du bist künstlerisch äußerst vielseitig.
Was hat Dich dazu bewogen, auf Comics zu setzen?

Von allen Feldern der Kunst genieße ich Comics am meisten. Ich kann Geschichten erzählen und zu Papier bringen, was sich in meinem Kopf abspielt. Ich kann die Emotionen der Menschen manipulieren, sie für eine Sekunde traurig und auf der nächsten Seite wütend oder glücklich machen. Es ist, als ob man selbst Produzent, Schauspieler und Regisseur in einem ist. Um einen Film zu machen, bräuchte man viel mehr Leute und viel mehr Geld, um dasselbe wie in einem Comic umzusetzen. Ein Beispiel: Die 30 Days of Night-Comics von Steve Niles und Ben Templesmith weckten in mir mehr Emotionen als die Verfilmung. Sie schufen den Comic ohne Budget, während ein Studio Millionen ausgab, um etwas auf den Schirm zu bringen, das für mich nicht denselben Impact hatte wie die Comics. Und das ist einmalig. Außerdem zeichne ich unglaublich gern, und ein einzelner Comic hat hunderte Panels. Wenn ich nicht zeichne, fühle ich mich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Zeichnen heißt für mich Atmen. Comics sind für einen Menschen wie mich die perfekte Lösung.

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Dein Vater war ebenfalls Comiczeichner. Denkst Du, Kreativität ist eine Frage der Gene?
Ich glaube nicht. Meine Großeltern waren keine Künstler und hatten nie etwas mit Kunst zu tun. Ich denke, Menschen werden mit dem Drang und dem Bedürfnis geboren Dinge zu erschaffen, und manche haben mehr davon, andere weniger. Wenn du eine künstlerische Person bist, weißt du das einfach, und kannst dich an nichts anderes erinnern. Ich habe wohl noch nie ein Kind gesehen, das nicht gezeichnet hätte, selbst wenn es nur Gekritzel war. Und Zeichnen ist - in meinen Augen - die primitivste Form, sich auszudrücken. Man kann einen Stock nehmen und anfangen, auf dem Boden, im Sand oder sonst wo zu zeichnen. Ich kenne nur wenige Menschen, die wirklich genial sind, was das Zeichnen anbelangt, und das sind geborene Genies, die aber zu keinem Zeitpunkt in ihrem Leben das Gefühl hatten, sich auszudrücken zu müssen. Meiner Meinung nach verliert man beim Heranwachsen und dem Versuch, in die heutige Welt und Gesellschaft zu passen, das Kostbarste, nämlich die Vorstellungskraft. Bevor man es mitkriegt, verliert man sein künstlerisches Selbstwertgefühl und seine Sensibilität als menschliches Wesen. Man fängt an, auf andere Leute zu hören, an ihren Bullshit und ihre Ordnung zu glauben. Ich sage, scheiß drauf, bleib fokussiert, bleib kreativ, bleib unvoreingenommen, bleib unabhängig und tue, was immer du tun möchtest, und schaffe, was immer du schaffen möchtest. Die einzige Person auf der ganzen Welt, die möchte, dass du glücklich und frei bist, bist du selbst. Ich glaube den Leuten nicht, wenn sie sagen, dass sie etwas nicht tun können - wenn sie sagen, sie können sich nicht vorstellen, etwas aus ihrem Kopf auf Papier zu bannen. Das stimmt einfach nicht. Jeder kann, es ist nur eine Frage der Übung. Man muss bloß viel opfern, um ein Künstler zu werden. Und damit meine ich wirklich viel.

Kannst Du Dich erinnern, wann Du Spawn als Leser entdeckt hast?
Das war 1997, als ich 11 oder 12 Jahre alt gewesen bin. Ich habe diese große Werbeanzeige für Spawn in der polnischen Ausgabe eines Spider-Man-Comics gesehen. Da die Serie von meinem Lieblingskünstler Todd McFarlane stammte, wurde ich sofort süchtig.

McFarlane, Wood, Sienkiewicz, McKean ... Deine Vorbilder haben alle keinen cleanen, klaren Stil. Wolltest Du immer einer dieser Zeichner werden, die man sofort an ihrem düsteren, ungewöhnlichen Look erkennt?
Ich war schon immer eher ein Fan des düsteren Stils. Er reflektiert meine Sicht der Welt, die nicht sauber und nicht schön ist. Du kannst in einen Comicladen gehen, und 95% der Comics sehen gleich aus.
Die von dir aufgezählten Künstler zeigten mir, dass man Comics auch anders machen kann - man muss keineswegs alle Regeln einhalten, sich auf eine Dimension beschränken und immer nur nette, klare Panelgrenzen ziehen. Das Artwork dieser Künstler zu betrachten, ist wie ein Kinnhaken. So viel Gefühl, und ich muss wirklich nicht in eine Kunstgalerie gehen, um ein Kunstwerk zu sehen!

Wie schafft man es als europäischer Künstler eigentlich, Zeichner von US-Titeln mit Spawn und Batman zu werden? spawn_3
Weißt Du, die Sache ist die, dass ich seit 2005 für den US-Markt zeichne, für Verlage wie IDW, Markosia, Boom! und viele andere, ich war also immer in Übersee aktiv. Doch 2009 habe ich drei Seiten für mein Portfolio gezeichnet und versucht, mehr mit schwarz und weiß zu arbeiten, und diese drei Seiten haben mir meine Jobs an Spawn und den Batman-Comics verschafft. Seit 2004 habe ich zahlreiche Comics gezeichnet – aber drei Seiten haben mich zum Zeichner von Spawn gemacht.

Das Internet ist in dem Zusammenhang auch ein wichtiger Faktor für Comic-Künstler aus Europa, oder?
Ohne Internet würde es viel länger dauern, einen Comic zu machen – das Warten auf das Absegnen der Zeichnungen, und so weiter. Die Wahrheit ist, man spart vor allem Zeit. Mit dem Internet ist man gerade aufgestanden und ... fängt an zu zeichnen.

Wie war es, bei Spawn mit US-Ausgabe 200 einzusteigen und direkt mit Todd McFarlane und Robert Kirkman zusammenzuarbeiten?
Ich habe für die 200 nur an Todds Skript gearbeitet. Robert hat fünf Seiten geschrieben und gezeichnet, glaube ich. Es war toll, dass ich Teil dieser Jubiläumsausgabe sein konnte! Selbst wenn es nur eine einzige Seite war. Eigentlich habe ich fünf Seiten gezeichnet, dann wurde das Heft gekürzt, und ich glaube, sie kamen dann in eine der nachfolgenden Ausgaben.

Verspürst Du bei der Arbeit an Spawn viel Druck?
Ich mache mir immer Druck. Es ist ein toller Job, und es macht Spaß, aber es ist und bleibt immer noch ein Job.

Spawn ist nun schon so lange erfolgreich. Was ist das Geheimnis?
Todd McFarlane!

Was hast Du aus der Zusammenarbeit mit ihm gelernt?
Nach 50 Heften … habe ich sehr viel von Todd gelernt. Es gibt vermutlich niemanden sonst in diesem Geschäft, von dem ich mehr lerne.
Ein Teil des Jobs, Spawn zu zeichnen, ist nun mal, dass man kostenlose Ratschläge von Todd McFarlane kriegt, und das ist unbezahlbar.

Weiter geht es in ZACK # 178 ...

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Special vom: 02.04.2014
Autor dieses Specials: Christian Endres
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Editorial von Georg F. W. Tempel
Die Zwerge ist große Unterhaltung - Interview mit Yann Krehl und Che Rossie
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