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Dr. Erika Fuchs - Übersetzerin aus Leidenschaft
erika_fuchs.jpg”Man kann gar nicht gebildet genug sein, um Comics zu übersetzen.“

Die erste Chefredakteurin des „Micky Maus“-Magazins und langjährige Barks-Übersetzerin stammt aus Mecklenburg, wo sie am 7. Dezember 1906 als Erika Petri zur Welt kam. Schon als junges Mädchen zeichnete sie sich durch Beharrlichkeit und Durchsetzungsvermögen aus. Nur so schaffte sie es, als einziges Mädchen ins städtische Knabengymnasium von Belgard an der Passante (Hinterpommern) aufgenommen zu werden. Das Privileg hatte die rebellische junge Dame der Schulbehörde mit Hilfe der Sozialdemokraten abgerungen, die in einer stürmisch verlaufenden Stadtratssitzung für ihre Aufnahme stimmten.

Eigentlich wollte sie Kunsthändlerin werden. Deshalb studierte sie von 1926 bis 1931 Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte an den Universitäten von Lausanne, London und München. Ihren Abschluss machte sie magna cum laude mit ihrer Dissertation ”Johann Michael Feichtmeyr - Ein Beitrag zur Geschichte des Rokoko“. 1932 heiratete sie Günter Fuchs, einen Diplomingenieur und Erfinder. Ihn neckte sie gerne mit dem Satz ”Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“, den sie, als Übersetzerin Dr. Erika Fuchs, später berühmt machen sollte.

Sie zog mit Ihrem Mann in dessen Heimatort Schwarzenbach an der Saale, von wo aus sie nach dem 2. Weltkrieg begann, als freie Mitarbeiterin für die deutsche Ausgabe von ”Reader’s Digest“ zu arbeiten. Eine dreiköpfige Abteilung beschäftigte sich dort gerade mit den Vorbereitungen zur ersten deutschen Ausgabe der ”Micky Maus“. (Diese Abteilung sollte später das Gründungsteam des Ehapa-Verlags werden.) Man bot Dr. Erika Fuchs die Übersetzung an. ”Ich hatte noch nie zuvor ein Comic-Heft in der Hand gehabt“, erzählt Dr. Erika Fuchs, ”und bot mir Bedenkzeit aus. Es war mein Mann, der mich letztendlich ermutigte, das Projekt zu übernehmen. Er war der Meinung, dass in kürzester Zeit sehr viele Kinder diese Comics lesen würden und dass daher eine sorgfältige Übersetzung und eine gute Sprache besonders wichtig seien.“ So wurde Dr. Erika Fuchs die erste Chefredakteurin der ”Micky Maus“.

Es ist nicht zuletzt der gelungenen Sprachartistik von Frau Dr. Fuchs zu verdanken, dass die ”Micky Maus“ so rasch in Deutschland heimisch wurde. Mit witzigen, geistreichen Dialogen deutschte sie die Geschichten nicht nur ein, sondern gab Ihnen eine zugleich intelligente und gehobene Sprachebene mit auf den Weg.

So schwelgte sie beim Texten - bei passender Gelegenheit - in korrekten Konjunktiven, Genitiven und Dativen. Die profunde Kennerin der deutschen Klassiker ist der Überzeugung: ”Man kann gar nicht gebildet genug sein, um Comics zu übersetzen.“

Bei aller Sprachbildung wirken die Texte von Dr. Erika Fuchs nie steif. Klassiker sind für sie keine toten Sprachfossilien, sondern immer lebendiger Bestandteil ihrer Welt. Doch nicht nur klassisches Sprachgut arbeitete Dr. Fuchs in ihre Texte ein, sie dichtete die Klassiker um und sorgte für so manchen Reim, der als geflügeltes Wort in die Alltagssprache einging. Umgekehrt integrierte sie auch immer wieder die Umgangssprache der Jugend in ihre Texte. Sie war immer eine aufmerksame Zuhörerin und Beobachterin und griff passende Neologismen der Jugendsprache auf um ihnen die höheren Weihen der Duckschen Sprachebene zu verleihen. So mancher Name von Nebenfiguren oder skurrile Aufschriften auf Geschäften und Straßenschildern im Bildhintergrund sind ihrer Beobachtungsgabe und ihrer Sammlertätigkeit zu verdanken, die allerorten Wortwitz aufspürte.

Dr. Erika Fuchs hat die Sprache um viele Sprüche und Begriffe erweitert. Wenn die Popgruppe ”Erste Allgemeine Verunsicherung” singt ”Grübel, grübel und studier!“, dann verdanken wir dieses heftige Nachdenken dem Fuchs’schen Geistesblitz, gezeichnete Geräusche mit lautmalerischem Charakter durch die Reduktion von Verben auf die Wortstämme zu kennzeichnen. Krach-Bumm-Peng-Sprache? Dieser Vorwurf der früheren Comic-Kritikaster konnte Dr. Erika Fuchs nie treffen. Selbst während der in den 50er Jahren erbittert geführten Schmutz- und Schundkampagne gegen Comics, in der diese sogar gesetzlich verboten werden sollten, war das Micky Maus-Magazin in der damals - im übrigen erfolglos - eingebrachten Gesetzesvorlage ausdrücklich ausgenommen.

Dr. Erika Fuchs, die den in den letzten Jahren um ihre Person entstandenen ”Rummel“ in aller Bescheidenheit eher übertrieben findet, dachte immer, sie ”tue etwas Anonymes“. Sie drängte nie ins Licht der Öffentlichkeit und war immer wieder überrascht, wenn ihr - bei einem ihrer seltenen öffentlichen Auftritte - jung und alt minutenlang applaudieren, sich mit den Ellbogen anrempeln und ihre Texte deklamieren. (Z. B. den Werbespruch: ”Wer keine weiche Birne hat, kauft harte Äpfel aus Halberstadt!“) Aber es ist verdienter Applaus, den ”ihre“ Leser ihr spenden, denn sie hat über fünfunddreißig Jahre lang den Stil der Kinder- und Jugendlektüre geprägt und beeinflusst. Die Generationen, die mit ihr aufwuchsen sind heute diejenigen, die ins Internet gehen und sich ”Online“ im Sprachstil von Dr. Fuchs unterhalten.

1994 hat Dr. Erika Fuchs erstmals Carl Barks getroffen, dessen Werk sie so kongenial ins Deutsche übertragen und durch ihren sprühenden Wortwitz ergänzt hat. Die beiden sind, das zeigte sich bei dieser Gelegenheit, verwandte Seelen in humoris causa. Im gleichen Jahr wurde ihr der Kulturpreis ”Morenhovener Lupe” verliehen. Im Jahr 1998 erhält sie den Deutschen Fantasy Preis, 2001 den Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim und den Sonderpreis des Heimito von Doderer – Literaturpreises.

Dr. Erika Fuchs, die grande dame der deutschen Comics, die sprachliche Wegbegleiterin ganzer Generationen, die in Entenhausen gleichermaßen beheimatet ist wie in internationaler Literatur und im deutschen Kulturgut , hat noch bis vor kurzem an der Komplettierung der Deutschen Barks-Ausgaben mitgewirkt.

Dezember 2004


Special vom: 11.01.2005
Autor dieses Specials: Egmont
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Die Collection
Carl Barks - Der Mann, der Entenhausen schuf
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