Dieser Comic, diese Comic-Fabel ist ein atheistisches
Manifest. Von Nietzsche, dem großen Gottlosen unter den Philosophen, hat
Jean-Paul Krassinsky sich nicht ohne Grund den Titel geborgt. Dessen
„Götzendämmerung“ von 1889 wird hier, vielleicht auch als Anspielung auf
Dostojewskis Roman „Der Idiot“, zur „Idiotendämmerung“ umgemodelt - so die
wörtliche Übersetzung des französischen Originaltitels. Der deutsche Verlag hat
daraus, wohl aus Tierliebe, eine „Affendämmerung“ gemacht. In jedem Fall hat
das Werk weniger einen erzählerischen als einen essayistischen Anspruch. Das
zeigt sich leider auch daran, dass es auf den rund 300 Seiten, die das Buch
umfasst, allerhand zähe Momente zu überstehen gibt, Momente, wo man deutlich
spürt, hier soll nicht erzählt und unterhalten, sondern ein Bekenntnis abgelegt,
gar ein Bekenntnis aufgedrängt werden.
Das Fabelkonzept, dem sich Krassinsky verschrieben hat,
sieht vor, dass der Comic in einer Affenwelt spielt, wo Affen sprechen können
und sich im Grunde dann auch gar nicht äffisch verhalten. In der kurzen
Rahmenerzählung, die den Comic eröffnet, gelegentlich unterbricht und auf
wenigen Seiten beschließt, dient der militante, prügelnde Altaffe und Aufklärer
Fukuto dazu, die Geschichte seines Volkes, die im Wesentlichen die Geschichte von
dessen religiöser Verirrung ist, vor seinen drei (!) Zuhörern auszubreiten.
Einst, so besagt diese Geschichte, wurde ein Schneemakake von
der NASA ins All geschossen. Seine Raumkapsel steuert allerdings zur Erde
zurück und landet irgendwo in jener schneebedeckten, zerklüfteten Einöde, die
die Optik des gesamten Comic prägt. Die Erlebnisse, die er von seiner
Weltraumfahrt zu berichten hat, imponieren den Untertanen des brutalen
Clanchefs Taro, vor allem seine Reden über den Gott Diou, ein höchstes Wesen,
das, wie schnell klar wird, aus allen möglichen monotheistischen Gottesbildern und
biblischen Versatzstücken zusammengenbastelt ist. Natürlich betrachtet der
muskelstarrende Taro den Eindringling, der sich derart schwadronierend zum
Anführer erhebt und von vielen schon Prophet genannt wird, mit Argwohn, Neid
und Hass, und es kommt, wie es bei solchen heillos dystopischen Parabeln wohl
immer kommen muss: Es wird intrigiert, gedroht, gemordet und gelogen, dass es nur
so eine Art hat. Die Religion, das theologische Narrativ ist dabei nur die
Funktion eines radikalen, offensichtlich alternativlosen Egoismus, hinter dem schließlich,
als eine Art anthropologische Konstante, eine grenzenlose, nicht ausrottbare
Dummheit sichtbar wird.
Religionskritik also nach der Religionskritik? Aber, so muss
man fragen, was soll denn da überhaupt noch kritisiert, was angeprangert, wer
überhaupt durch die Angriffe noch getroffen werden? Sind nicht alle Argumente,
die da im Gewand eines Comic vorgetragen werden, längst zur Genüge
ausgebreitet, hin- und hergewendet und über Jahrzehnte wiedergekäut worden?
Müsste man heute nicht vielmehr jenen dumpfbackigen Salon-Atheismus
attackieren, der inzwischen zum intellektuellen Zierrat einer Mittelschicht
geworden ist, die das eigene Denken gerne anderen überlässt und allen, die in
die Schwanengesänge auf das Ende Gottes einstimmen, vorbehaltlos Applaus
spendet?
Als Gewährsmänner für den ideologischen Unterbau der Story hat
Krassinsky denn auch einige Funktionäre dieser Art Konsens-Atheismus benannt,
etwa den ehemals hochdekorierten Evolutionsbiologen Richard Dawkins, der heute seine
intellektuelle Erfüllung darin findet, Religionsvertreter unterschiedlichster
Provenienz bloßzustellen, oder den, nun ja, Religionsphilosophen Pascal Boyer.
Was diese Herren allerdings in ihrem antireligiösen Eifer falsch gemacht haben,
macht leider auch der Comic falsch: Er bleibt bei der Annahme stehen, dass
Religion – und überhaupt das Wesen des Menschen – nur aus Dummheit, Gewalt,
sexueller Ausbeutung und dem alles durchdringenden Willen zur Macht besteht. Nietzsche
aber, auf den sich Krassinsky beruft, hat, ganz im Gegenteil, das Mitleid als
eigentliche Quelle des Christentums betrachtet und den christlichen Glauben
gerade deswegen als Sklavenreligion, als Religion der Schwachen diffamiert. Von
der „misericordia“, der Barmherzigkeit, vom altruistischen Potenzial der
Religionen, von allem Guten auch, was sie hervorgebracht haben, ist bei Krassinsky
nur in der äußersten Verzerrung etwas zu sehen. Nur einmal, als die Affenmutter
zu Beginn reklamiert, dass Beten eine im Grunde friedliche Sache sei, tut sich
eine andere Perspektive auf. Sonst blühen Egoismus und Selbstsucht, wohin man
blickt, und im letzten Satz „Ihr armen Idioten“ klingt denn auch weniger eine positive
Moral an als eine verächtliche Resignation. Das mag Menschen gefallen, die von
Religion eine ebenso verächtliche Meinung haben, aber keinen Sachverstand.
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