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Comic-Besprechung - Frontlinien

Geschichten:
„Des lignes du front / FRONTLINIEN“
Autoren und Zeichner: David Möhring und Philip Rieseberg

"Am 03. August 1914 begann der Erste Weltkrieg."
Mit diesem kurzen Satz beginnt der Comic "Frontlinien". Was jedoch auf den nächsten Seiten folgt, hat wenig mit den Anfängen des Krieges zu tun, sondern zieht den Leser bereits mitten in die Kämpfe zwischen deutschen und französischen Truppen. Die beiden Berliner Künstler David Möhring und Philip Rieseberg thematisieren das Grauen des Krieges mittels tiefschwarzen Zeichnungen und Textauszügen aus französischen Frontbriefen. Eine inhaltsvolle Story sucht der Leser hier folglich vergebens. Zwar gibt es einen gewissen Zusammenhang zwischen den Bildern, dieser wird aber erst nach der Hälfte des Bandes erkennbar. Vorher werden Gefechte und Angriffe der gegnerischen Verbände dargestellt. Erst als es zum Einsatz von Chemiewaffen kommt, die im ersten Weltkrieg nicht gerade selten Verwendung fanden, scheint die Geschichte wirklich Fahrt aufzunehmen. Die Textauszüge aus den Briefen sind auf kurze Sätze und Wortgruppen reduziert, welche keinen unmittelbaren Bezug zur Zeichnung darstellen. Folglich fordert der Comic eine gewisse Mitarbeit des Lesers. Sind die Texte recht eindeutig und größtenteils melancholisch geprägt, so lassen die Grafiken in der zweiten Hälfte jedoch viel Interpretationsspielraum. Die beiden Künstler visualisieren in diesem Abschnitt auf ziemlich drastische Art und Weise das Weltkriegstrauma, unter dem zahlreiche Soldaten nach dem Krieg litten. Das Geschehen rückt folglich weg vom Kampffeld hin zu einer Krankenstation, wo mittels bedrückenden Zeichnungen die Auswirkungen der Krankheit auf den Patient und auf dessen Familie gezeigt werden.

Sind die Textauszüge bis dato noch ziemlich nah an der kriegerischen Realität, so geht das Ganze nun mehr ins philosophische über, was den Bildern viel mehr Gewicht verleiht. Der Leser ist bei diesem  Comic folglich doppelt gefragt. Text und Bild müssen verarbeitet und in Einklang gebracht werden, nur so ergibt sich ein kompletter Eindruck von den Erlebnissen an der Frontlinie.
Möhring und Rieseberg ist dadurch ein Comic gelungen, der die Schrecken des Krieges in dunkle Grafiken verpackt und aufgrund von Zitaten beteiligten Soldaten diesen Schrecken eine Stimme gibt. Zu Wort kommen französische Kämpfer, welche im kurzen Nachwort namentlich genannt werden. Die Verfasser beschönigen nichts an ihrer Situation und benutzen auch keine patriotischen oder propagandistischen Worthülsen, vielmehr richten sie ihre Texte direkt an die Familie und schildern die Ausweglosigkeit des Momentes.
So gesehen folglich ein wirklich ungewöhnliches Werk mit dünner bzw. nicht vorhandener Story, wobei dieser Punkt durch die überwiegend schwarzen Zeichnungen und den authentischen Berichten von der Front nicht so sehr ins Gewicht fällt. Im Grunde genommen handelt es sich hier vor allem um einen Konzept-Comic, der mit den beiden beschriebenen Stilmitteln vor allem den Sinn des Krieges zur Diskussion stellt.

Der Comicband ist zudem zweigeteilt. Neben der deutschen Version wird der Comic auch in Französisch angeboten, wofür der Band einmal um 180 Grad gedreht werden muss. Quasi Zwei in Eins! In wie weit das Layout in Zusammenhang mit dem 50jährigen Bestehens des Elysee-Vertrages besteht oder auf rein wirtschaftliche Gedanken des deutsch-französischen Warum-Verlages gründet, bleibt bislang ungeklärt.

"Frontlinien" ist somit ein wirklich ungewöhnlicher Comic. Die tiefschwarzen Grafiken, wo das Weiß lediglich für die Konturen verwendet wird, beeindrucken von der ersten Seite an. Und die Verwendung von Soldatenbriefen als einziges erzählerisches Mittel bietet viel Platz für eigene Interpretationen. Eine wirkliche Handlung stellt sich dadurch natürlich nicht ein. Der Leser ist eher dazu aufgerufen sich Gedanken über diesen Krieg und über das Verhältnis beider Völker zueinander zu machen. So gesehen also durchaus empfehlenswert, sofern man nicht von einer abendfüllenden Leselektüre ausgeht.



Frontlinien - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Frontlinien

Autor der Besprechung:
Christian Recklies

Verlag:
WARUM/VRAOUM Verlag

Preis:
€ 12,20

ISBN 13:
978-2-365350-01-3

112 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • edrückende, dunkle, oftmals wortlose Grafiken
  • authentische Soldatenbriefe als Off-Text
  • zwei-in-Eins: Deutsche und Französische Version in einem Band
Negativ aufgefallen
  • wenig Lesestoff und keine tiefgehende Handlung
  • fehlendes Vor- bzw. Nachwort, das über die Hintergründe der Veröffentlichung aufklärt
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 19.11.2013
Kategorie: One Shot
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