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Comic-Besprechung - Infidel
Geschichten:Infidel
Autor: Pornsak Pichetshote, Zeichner: Aaron Campbell, Colorist: Jose Villarrubia
Story:
Aisha ist mit ihrem Freund Tom und dessen Tochter zu Toms Mutter gezogen. Doch innerhalb der Familie herrscht Befangenheit, denn Aisha ist eine dunkelhäutige Muslimin womit ihre Schwiegermutter noch Probleme hat. Kurz nach dem Umzug leidet Aisha auch unter heftigen Alpträumen die sie psychisch zunehmend belasten. Als sie die Hintergründe einer Bluttat in dem Haus näher untersucht, wird ihr klar das hier nicht nur Geister der Vergangenheit umgehen.
Meinung:
In letzter Zeit gibt es immer mehr Spielfilme die sich des Rassismus annehmen. An sich ist das nichts Besonderes, denn es gab in der Filmgeschichte immer wieder Filme die sich des Themas annahmen wie etwa Wer die Nachtigall stört oder Mississippi Burning. In der neueren Strömung ist es aber die Besonderheit, dass diese Filme nicht nur von Coloured People selbst stammen, sondern die Aussage in Geschichten eingebettet werden die auch ein Genre bedienen. Zum Glück überwiegt da kein pädagogischer Zeigefinger oder ein belehrender Tonfall, der sich oftmals einschleicht und dadurch alles plakativ macht und viele verschrecken dürfte die es gerade angeht. Vielmehr sind es Genrewerke die ein breiteres Publikum ansprechen und so hoffentlich auch mehr mit ihrer Botschaft erreichen. Es schließt sich also nicht aus, dass man eine Botschaft unterhaltend präsentieren kann. Und so ist es leichter zu vermitteln wie man unter Rassismus leidet, wie er sich unterschwellig äußert und es ist nachvollziehbarer für Non-Coloured People. So kann man mehr erreichen als mit einem Vortrag der eh nur diejenigen erreicht die sich von vornherein dafür interessieren und dem Thema gegenüber sensibilisiert sind.
Der Comic Infidel, der die komplette Mini-Serie beinhaltet, gehört in diese noch sehr junge Tradition. Zwar ist er weniger subtil als die Filme Wir (in dem Rassismus gar keine Rolle spielt, aber aufgrund der schwarzen Besetzung dieses erwarten lässt) oder Get Out, aber durchaus geschickter aufgebaut als die Comicserie Bitter Root. Nichtsdestotrotz ist dieser Band sehr eindrucksvoll, bewegend und erschütternd. Das liegt auch an der gelungenen Genreeinbettung. Vorrangig ist es hier eine Haunted House Erzählung. Eine junge Frau ist mit ihrem Mann und der Stieftochter zu der Schwiegermutter gezogen und allein schon diese Konstellation mit der älteren Frau die ihre Stieftochter ablehnt, hätte auch einem Hitchcock Freude bereitet. Aber in dem Haus geht noch viel Schlimmeres vor sich. Nach einem Blutbad scheint es zu spuken und gerade die Heldin leidet unter intensiven Alpträumen. Das Thema der Diskriminierung ist nicht nur im Familienverband zu finden, denn die Heldin ist eine dunkelhäutige Muslimin mit einem weißen Mann, sondern die rassistischen Denkmuster scheinen sich in den bösartigen Geistern zu manifestieren und die Frau zu bedrohen. Was schon eine starke Symbolik ist und hervorragend das Genre und seine Muster zu benutzen weiß.
Das erschütternde ist nicht nur die Wucht der Horrorelemente, sondern wie schnell man in rassistische und diskriminierende Denkmuster verfallen kann. Was nicht nur Weiße gegenüber Farbige betrifft, sondern auch Coloured People untereinander. Etwa wenn Schwarze Asiaten ablehnen oder Schwarze andere Schwarze aufgrund der Religion. Hier kommen immer wieder die Stolpersteine der Political Correctness zu Tage. Darf ich das sagen? Darf ich das denken? Diese Muster verstärken die Vorbehalte und lassen ein unbelastetes Verhalten dem anderen gegenüber unmöglich erscheinen. Das sich die negativen Energien des Denkens nicht nur verbal äußern, sondern sich eben auch in den bösen Geistern manifestieren, ist nicht nur ein starkes Symbol, sondern verdeutlicht auch das sich dieses Denken meist der Logik entzieht.
Der Comic funktioniert gleich auf mehreren Ebenen und nimmt seine Figuren, sympathisch oder unsympathisch, ernst. Man fiebert mit ihnen mit und die alptraumhaften Bilder sorgen für wahren Schrecken. Da ist zwar noch ein nettes Zitat aus Marjane Satrapis Persepolis wenn das jüngere Ich der Heldin wie die Figur aus Persepolis aussieht, aber niedlich oder nett ist hier gar nichts. Es funktioniert überall und jede Szene kann man deuten, interpretieren und hinterfragen. Und wann findet man so etwas schon mal im Horrorgenre? Insgesamt ein hervorragender Band und eine der besten Graphic Novels des Jahres. Mehr davon.
Fazit:
Eine der besten Graphic Novels des Jahres. Aufwühlend, spannend, bewegend, erschütternd. Selten wurde so gut das Horrorgenre mit dem Thema Rassismus verknüpft. So kann man sich nicht nur gruseln lassen, sondern zudem jede Szene interpretieren. Ein Pflichtkauf.
Infidel
Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann
Verlag:
Splitter
Preis:
€ 24,00
ISBN 13:
978-3962194932
168 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser
- Genreeinbettung eines relevanten gesellschaftlichen Themas
- Spannend und emotional
- ernst genommene Figuren
- gelungene Zeichnungen
- Subtexte
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
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Rezension vom: | 09.12.2020 | ||||||
Kategorie: | Alben | ||||||
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