Comic-Besprechung - Jhen Integral 6

Geschichten:

Jhen Integral 6
Die Pest
Autor: Jerry Frissen, Jean-Luc Cornette, Zeichner / Colorist: Paul Tang

Der Prozess des Gilles de Rais
Autor: Néjib, Zeichner: Jean Pleyers, Colorist: Corinne Pleyers

Der Eroberer
Autor: Valérie Mangin, Zeichner: Paul Tang, Colorist: Céline Labriet

Story:

Die Stadt Trani gehört zu dem Königreich Neapel und die dort befindliche Kathedrale soll durch Jhen und seinen Freund Wenzel instand gesetzt werden. Doch die Pest bricht über die Stadt hinein und voller Angst wird die jüdische Bevölkerung als Schuldige bezeichnet. Kann Jhen das schlimmste verhindern? 1440 steht Gilles de Rais, Marschall von Frankreich und Waffengefährte der Jungfrau von Orleans vor Gericht. Er soll Kinder getötet und den Teufel angebetet haben. Kann Jhen seinen Freund vor dem Scheiterhaufen retten? 1435 rauben Engländer französische Kunstschätze und nehmen auch Jhen gefangen als dieser den Raub verhindern will. Der Herzog von Bedford will den berühmten Architekten am liebsten in seinem Gefolge haben. Doch als der berühmte Teppich von Bayeux fortgeschafft werden soll, scheinen die Geister von Wilhelm dem Eroberer und seiner Frau alles dagegen zu tun.

Meinung:

Der sechste Integralband von der Historienserie Jhen enthält keine Geschichten mehr aus der Feder des Schöpfers Jacques Martin der vor allem für seine Serie Alix berühmt geworden war. Martin verstarb im Jahre 2010, die drei Abenteuer entstanden 2017, 2019 und 2020 mit wechselnden Szenaristen und Zeichnern wobei es anscheinend  eine Kommission gibt die darüber wacht wie Martins Erbe verwaltet wird. Jedenfalls wird es in dem redaktionellen Vorwort angedeutet. Aber wenn man schon auf eine Kohärenz innerhalb der Serie achtet: wie kommt es dann das sich Jhen im dritten Abenteuer auf Gilles de Rais beruft der im zweiten Abenteuer stirbt wovon Jhen auch Zeuge war? Ein bisschen mehr Absprache zwischen den Kreativen hat hier wohl gefehlt. Zudem wird inhaltlich nicht deutlich das das dritte Abenteuer chronologisch vor dem zweiten spielen soll. Im redaktionellen Teil werden die neuen Autoren und deren Werdegang kurz vorgestellt. Aber dieser Teil ist recht schmal ausgefallen und sonderlich viele Extras im Sinne von Illustrationen etc. gibt es auch nicht.

Wie bei den Integral-Bänden von Alix gibt es auch hier einen Reiseband der sich auf Venedig bezieht. Da der Titelheld Jhen Architekt und Ritter ist, liegt der Schwerpunkt auf der architektonischen Geschichte der Stadt. Das ist eher für Neueinsteiger geeignet und bleibt recht oberflächig. Aber die Illustrationen sind detailreich und laden zum Träumen ein.

Allein schon für das erste hier enthaltene Abenteuer Die Pest lohnt sich die Anschaffung. Nicht nur weil offenbar alle drei hier enthaltenen Abenteuer deutsche Erstveröffentlichungen sind. Schon der Beginn von Die Pest ist dramaturgisch und zeichnerisch hervorragend gestaltet. Als Leser*in wird man der Infektionskette der Pest gewahr. Nur die Charaktere ahnen nichts davon. Die Spannung wird stetig geschürt und man ist geneigt den Charakteren zuzurufen: „Fass das nicht an. Tu das nicht.“ Unwillkürlich fragt man sich aber schon wo da eine Story sein soll. Nur kommen anhand der Pest dann der Wahn und der Hass gegen Juden zum Vorschein. Sie müssen als Sündenböcke herhalten und da man einerseits die Krankheit nicht versteht nutzt man andererseits die Furcht, um auch persönliche Rechnungen zu begleichen. Historisch ist das leider akkurat und während Pestausbrüchen kam es auch immer wieder zu Pogromen gegen Juden. Gerade in dem Wissen das man sich historischer Tatsachen bedient, macht die Geschichte nicht nur dramatisch und spannend, sondern auch zutiefst erschütternd. Da die Zeichnungen auch sehr realistisch gehalten sind, wird man in das Geschehen versetzt. Ein hervorragendere Band in dem sich Zeichnungen und Skript genial ergänzen.

Der Prozess des Gilles de Rais ist zwar ebenso historisch akkurat, fällt aber leider gegenüber dem starken Auftakt ab. Dabei ist Gilles de Rais einer der schillerndsten  Männer des Spätmittelalters bzw. der frühen Neuzeit. Nicht nur war er Marschall von Frankreich, ein erfolgreicher Feldherr und Begleiter von Johanna von Orleans, sondern auch einer der ersten Serienkiller der Geschichte und zudem Okkultist. Leider fallen die Zeichnungen etwas ab und vor allem die Augen wirken etwas zu blass und die Gesten sind allzu theatralisch. Auch manche Perspektiven stimmen nicht und man muss schon genauer hinsehen um sich einen Reim darauf zu machen. Auch wenn die Story an sich recht spannend ist, so kommt man dem historischen Charakter nicht sonderlich nah und eine Charakterstudie fällt somit aus.

Im dritten Abenteuer Der Eroberer hat wieder Paul Tang den Zeichenstift übernommen, wie schon bei Die Pest. Hier wird man auch anhand der Zeichnungen sehr gut in das Geschehen gezogen. Die Story dreht sich um den berühmten Teppich von Bayeux, Raubkunst und vermeintliche Geister, hat also mehr was von einem Krimi in einem Historiengewand und endet sehr tragisch. Aber es ist nicht ganz rund und nicht alle Handlungen werden gezeigt, sondern unelegant erläutert und ergeben so einige Logiklöcher. Dennoch sehr stimmungsvoll und trotz leichter Abstriche ist der Band jeden Freunden von Historiengeschichten sehr zu empfehlen. Nicht zuletzt durch das Meisterwerk Die Pest.

Fazit:

Mit Die Pest ist ein Meisterwerk in diesem Integral vorhanden und allein deswegen schon die Anschaffung wert. Die anderen beiden Abenteuer können da nicht ganz mithalten, liefern aber immer noch gute Historienunterhaltung und bedienen sich realhistorischer Figuren und Ereignisse. History-Fans sollten auf jeden Fall zugreifen.

Jhen Integral 6

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Kult Comics

Preis:
€ 35,00

ISBN 10:
3964301116

ISBN 13:
‎ 978-3964301116

216 Seiten