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Comic-Besprechung - Jerusalem - Ein Familienporträt

Geschichten:
Jerusalem – Ein Familienporträt
Autor: Boaz Yakin, Zeichner: Nick Bertozzi, Inker: Shamus Beyale, Nic Breutzman, Scott Cohn, Nate Doyle, Isaac Goodhart, Conor Hughes, Dennis Pacheco, Tom Pitilli, Kevin Raganit, Lydia Roberts, Steve Shih, Nick Sumida



Story:
Jerusalem 1945. Während der Zweite Weltkrieg in seinen letzten Zügen liegt, werden die Konflikte in Palästina immer drängender. Die Briten werden als Besatzungsmacht angesehen und bekämpft und die Juden möchten nun gerade aufgrund der letzten Jahre ihren eigenen Staat. Was die Araber wieder verhindern wollen. Viele verschiedene Gruppierungen und Interessen prallen gewaltsam aufeinander. Und mittendrin die Familie Halaby die sich der Geschichte nicht entziehen können.


Meinung:
Manchmal sind die Geschichten die das Leben schreibt wirklich unglaublich. Nicht umsonst ist das ein geflügeltes Sprichwort geworden. Manch ein Dramaturg würde sein Skript wohl um die Ohren gehauen bekommen, wenn er mit Entwicklungen kommen würde, die niemand glaubt. Doch die Realität ist öfters unglaublicher als sich jemand das ausdenken könnte.

Eine solche Geschichte ist in der Graphic Novel Jerusalem enthalten. Boaz Yakin erzählt zwar nicht autobiographisch, aber die Grundzüge der Handlung sind in seiner Familie so vorgekommen wie hier berichtet. Namen wurden geändert, Action mit eingefügt und manches bestimmt etwas dramatisiert, aber der Kern ist wahr und real.

Das Unglaubliche daran? Der Wust an Konflikten. Mancher würde das für überfrachtet und demnach unglaubwürdig erklären. Der Vater der Familie ist mit seinem Bruder zerstritten und sie kommunizieren eigentlich nur noch über Anwälte, wobei der Grundkonflikt mittlerweile, so scheint es, in Vergessenheit geraten worden ist. Manch ein Romancier hätte hier schon einen mehrhundertseitigen Roman draus schaffen können. Und das sich dann die jeweils jüngsten Söhne miteinander anfreunden ist noch ein weiterer Konfliktstoff in der Bruderbeziehung. Ebenso natürlich die sich zart anbahnende Liebe zwischen Cousin und Cousine, die dann etwas von Romeo und Julia haben. Alles dieses ist schon ein enormer Konfliktstoff, der die Emotionen aufwühlt. Aber das langt noch nicht. Da wäre ja schließlich noch die Mutter, welche, ebenso wie der Vater, Handlungen vollzieht die nicht immer nachvollziehbar sind, aber in dem Haushalt ein strenges Regiment führt. Der jüngste Sohn ist ein kleiner Rebell, der leicht ältere Bruder schließt sich einer radikalen jüdischen Organisation an, die auch terroristische Anschläge verübt, während ein anderer Bruder Mitglied der kommunistischen Partei ist und der älteste im Dienste der britischen Armee steht und gegen Hitler-Deutschland kämpft.

Denn auch wenn schon die Familie ein Mikrokosmos der damaligen israelischen Gesellschaft Anfang der 1940er Jahre darstellt, so kommt noch die Zeitgeschichte hinzu. Vieles von dem was damals geschah ließ den bis heute schwelenden Konflikt entstehen. Es ist eine Stärke der Graphic Novel, das es verständlich präsentiert wird und alle Dramen mal mit Action, mal mit Emotionen aufgelockert werden. Hier kommt wirklich alles vor: der Zweite Weltkrieg, der Holocaust, der Terror gegen die britische Besatzung, der Aufstand der Araber und der erste Israelisch-arabische Krieg der direkt nach der Staatsgründung Israels erfolgte. Lobenswert ist, dass hier nichts idealisiert wird und keine Lobeshymnen gesungen werden. Jede Figur ist im Graubereich angesiedelt und man mag den jeweiligen individuellen Mut bewundern, auch wenn einem die Ziele fremd sind. Manches davon ist natürlich sehr den damaligen historischen Umständen geschuldet.

Der Filmemacher Boaz Yakin hat nun wirklich eine Tragödie von Shakespearehaften Ausmaßen geschaffen inklusive Verrat, Liebe, Tod, Freundschaft, Brüder gegen Brüder und Solidarität in der Not. Emotional ist das alles sehr mitreißend und wohl das erstaunlichste ist zudem der Umstand, dass der Leser nie den Überblick über all die Figuren und Charaktere und deren Standpunkte verliert. Auch ist die blutige Action niemals Selbstzweck, sondern treibt sowohl die Handlung voran und damit die Entwicklung der Charaktere und ist natürlich auch, und muss so sein, der historische reale Hintergrund. So ist das Massaker in einem arabischen Dorf wirklich geschehen.

Graphisch ist das ganze hervorragend aufbereitet mit einem starken Sinn für Dynamik und Effekte, aber auch für die leisen Momente. Oft kippen dann die Panels und lassen suggerieren, dass man direkt dabei gewesen ist.

Fazit:
Eine in jeder Hinsicht mitreißende Graphic Novel, welche nicht nur Actionjunkies und historisch interessierte ansprechen wird, sondern auch Leser die nach etwas Dramatischem suchen.

Jerusalem - Ein Familienporträt - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Jerusalem - Ein Familienporträt

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Paninicomics

Preis:
€ 29,99

ISBN 10:
3957983282

ISBN 13:
978-3957983282

386 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Geschichte verständlich aufbereitet
  • Familie als Mikrokosmos der Gesellschaft
  • graphische Gestaltung
  • Emotionen und Action
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(1 Stimme)
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Rezension vom: 30.05.2015
Kategorie: Alben
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