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Comic-Besprechung - Monster
Geschichten:Monster (Monsters)
Autor / Zeichner: Barry Windsor-Smith
Story:
1964. Bobby Bailey will sich freiwillig zur US-Armee melden. Allerdings ist er nicht tauglich. Doch der Rekruierungsoffizier erkennt das Potential des jungen Mannes und das er für ein geheimes Regierungsprogramm geeignet zu sein scheint welches Supersoldaten schaffen soll. Doch dieses Experiment eines verrückten Alt-Nazis gelingt nur zum Teil. Bobby ist zwar stark und fast unverwundbar, aber monströs. Als er fliehen kann, macht die Armee Jagd auf ihn. Was kaum einer ahnt: Bobby ist traumatisiert und die Schicksale aller Charaktere sind über Jahrzehnte miteinander verflochten.

Die schlicht Monster betitelte Graphic Novel gilt als das Meisterstück des amerikanischen Comic-Zeichners Barry Windsor-Smith. Den dürften viele eher von Conan her kennen und schon nicht mehr auf dem Schirm gehabt haben. Monster ist Windsor-Smiths erstes Buch nach 16 Jahren und hat insgesamt wohl 35 Jahre für dessen Entstehung benötigt. Da der Zeichner sich eher dem Mainstream verschrieben hat und nicht sonderlich durch Graphic Novels mit großem Anspruch aufgefallen ist, ist die Ambition doch recht überraschend. Angesichts der Geduld mit Blick auf die Entstehungszeit muss es einfach ein Herzensanliegen gewesen sein.
Es beginnt auch eher als ein postmodernes Zitat und man ahnt noch nicht, dass sich Windsor-Smith von seinen Superhelden lösen wird. Ein schmächtiger, schüchterner, wohl nicht sonderlich intelligenter Mann der auch noch körperlich versehrt ist (er besitzt nur ein Auge), stellt sich in einem Rekrutierungsbüro vor und will in Vietnam dienen. Er erfüllt nicht gerade die Kriterien der Wehrtauglichkeit, aber der Offizier erkennt in ihm einen Kandidaten für ein Programm welches Supersoldaten erschaffen soll. So weit so deutlich ein Verweis an Captain America und seine Entstehung. Das Experiment gelingt zwar in gewisser Weise, doch ist William Bailey, so der Name des jungen Mannes, monströs geworden. Zwar sehr stark und fast unverwundbar, aber missgestaltet. Fortan macht das Militär Jagd auf ihn. Das hat deutlich was von Frankenstein, erinnert aber auch bei der Jagd auf Bailey ein bisschen an Hulk. Was übrigens nicht von ungefähr kommt, denn ein erster Pitch mit ein paar Seiten ist in den 1980ern in der Serie vom Hulk erschienen. Windsor-Smith wollte Bruce Banner als missbrauchten Mann darstellen, um zu erklären woher dessen ständige Wut kommt. Das wurde ihm verwehrt und die Idee geklaut und dennoch in den Kanon eingebaut. Wenn dann noch der Rekrutierungsoffizier in seinem Keller seine Comicheftsammlung hervorholt und wenn man genauer hinsieht und die Cover der Hefte erkennt, ist das postmoderne Zitatspiel mehr als deutlich. Man will es schon abhaken, aber Windsor-Smith geht es gar nicht um diese eigentliche Handlung, sondern mehr um die Rückblenden.
Denn das titelgebende Monster ist in dem dicken Band nur eine Nebenfigur, um die sich verschiedene Schicksale kreisen. Dessen Äußeres zeigt die Deformierungen der Seele. Nicht nur seine eigene, sondern vor allem auch die seiner Schöpfer, was sich nicht nur auf seine Vorgesetzten bezieht, sondern auch auf die Eltern und die Gesellschaft. So ist ein Scherz von Wissenschaftlern, wenn sie der Kreatur kleine US-Flaggen in die Ohren stecken, nicht nur ein Gag, sondern auch hoch symbolisch. Es geht ganz allgemein darum wie Monster geschaffen werden und erstreckt sich über verschiedene Zeitlinien und Figuren.
So bekommt der Rekrutierungsoffizier ein schlechtes Gewissen, weiß als Schwarzer in den 1960ern von der Ausgrenzung ein Lied zu singen und da er das zweite Gesicht hat, will er Bailey helfen. Auch seine Tochter ist hellsichtig, aber die Ehefrau, tief religiös, lehnt das ab und es herrschen starke Spannungen in einer Familie welche dadurch dysfunktional wird.
Bailey ist der Sohn eines gewalttätigen Alkoholikers der traumatisiert aus dem Zweiten Weltkrieg heimkehrte und nun seine Familie terrorisiert. Dieser Erzählstrang der stellenweise nur schwer zu ertragen ist, nimmt ein Großteil des Bandes ein, bringt dabei aber auch viel ein. Misshandlung, Gewalt in der Familie, Posttraumatische Belastungsstörungen und wie Veteranen aber vor allem auch die Opfer häuslicher Gewalt allein gelassen werden. Man fiebert mit der Ehefrau mit, will sie erlöst und glücklich sehen. Gerade diese Szenen sind teilweise sehr erschütternd und blicken hinter das Idyll der amerikanischen Vorstädte.
In weiteren Erzählsträngen geht es um die Erlebnisse während des Zweiten Weltkrieges und des Nazis der das Supersoldatenprogramm entwickelte und nun in den USA fortführt. Alles läuft aber auch das Thema heraus das hier Monster agieren. Und dadurch wieder Monster schaffen. Alle Täter sind gleichzeitig Opfer und geben ihr Schicksal weiter. Insofern ist der Held als Randfigur ein reines Symbol für ein zerrissenes Amerika das zwar in den 1940er bis 1960er Jahren geschildert wird, aber im Grunde auch heute noch so zu sehen ist. Der ganze Band bedient zwar die Postmoderne und manchmal auch Mystery-Elemente welches ihn over the top erscheinen lässt und manchmal sehr den Zufall regieren lässt (oder die Vorbestimmung?), aber andererseits wäre das allzu reale Grauen wohl schwer zu ertragen gewesen. Schon so muss man ab und an Luft holen und eine Pause einlegen. So dramatisch und erschütternd stellt sich das dar und ob man das Ende als ein Happy End sehen kann, bleibt einem selbst überlassen.
Man ist oft vorsichtig, wenn eine Neuerscheinung schon als Klassiker und als Meisterwerk angepriesen wird. Aber hier hat man vollkommen recht damit. Und Windsor-Smith legt seine zeichnerische Erfahrung von Jahrzehnten komprimiert ab. Hier stimmt jedes Panel, jeder Ausdruck und die Schraffuren sitzen. Da hätte eine Farbgebung sogar gestört, da in schwarz-weiß eine diffuse und karge Atmosphäre erzeugt wird, die ihren Teil zu der nihilistischen Stimmung beiträgt. Erst gegen Ende werden die Panels lichter und heller und es scheint zumindest eine Art von Friede auf. Auch wenn es nur ein Innerer sein sollte. Wahrlich, ein Meisterwerk.
Fazit:
Erschütternd und aufwühlend. Das vermeintlich postmoderne Zitatspiel entpuppt sich als Drama welches schildert wie Monster andere Monster erschaffen und eine zerrissene Gesellschaft einem keine Chance lässt. Zwar ist inhaltlich manches over the top aber die hervorragenden Zeichnungen lassen den Band zu einem wahren Meisterwerk werden.

Monster
Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann
Verlag:
Cross Cult
Preis:
€ 40,00
ISBN 10:
3966586002
ISBN 13:
‎ 978-3966586009
368 Seiten
Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

- Täter auch Opfer
- Zeichnungen
- erschütternd und aufwühlend
- Zitate

- manches etwas over the top

Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic | ||
Bewertung: | ||
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Rezension vom: | 31.05.2022 | ||||||
Kategorie: | Alben | ||||||
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